Prozessorgeflüster
Mit der exakt getimten Meldung zu den vorgesehenen Dreifach-Kernen wollte AMD den Konkurrenten Intel bei dessen Developer Forum etwas irritieren. Das wird kaum gelungen sein, weit mehr aber dürften AMDs rechtliche Aktivitäten den Marktführer stören. In Japan und Südkorea gehts ihm möglicherweise an den Kragen und auch in Europa siehts nicht unbedingt rosig aus.
- Andreas Stiller
Dreifach-Kerne, neudeutsch Triple-Cores genannt, sind nichts Ungewöhnliches. Es gibt kein Naturgesetz, das Kernzahlen nur in Zweierpotenzen erlaubt. So wartet als wohl prominentester Vertreter dieser Gattung der Xbox360-Prozessor von Microsoft - made by IBM - mit drei Kernen auf. Und dass man zur Verbesserung der Ausbeute auch Chips verkaufen möchte, bei denen einer der Kerne nicht wie gewünscht funktioniert - dagegen spricht ja nichts, ist schließlich auch ökologisch. IBM macht sowas schon länger mit dem Power5 und Sony setzt in die Playstation3 Cell-Prozessoren ein, bei denen eine Synergistic Processing Unit abgeschaltet ist.
AMD ziert sich indes, den Triple-Core unter dem Lichte der Ausbeute zu betrachten und spricht nur vom Marktbedarf. Die OEMs hätten eben gerne mehr Differenzierungsmöglichkeiten, und da käme ihnen irgendetwas zwischen zwei und vier Kernen sehr entgegen - viele Möglichkeiten gibt es dafür ja nicht. AMDs Europa-Marketing-Chef Giuseppe Amato verglich das mit einem Audi A5, der seinen Platz zwischen einem A4 und einem A6 findet. Geplant ist der Triple-Core (also ein Quad-Core mit einem abgeschalteten Kern) für die Phenom-Familie im Verlauf der ersten Hälfte des nächsten Jahres. Hier macht solch eine Zwischenlösung durchaus Sinn, im Servergeschäft indes kann man damit keinen Blumentopf gewinnen. Das weiß auch AMD und plant hierfür auch keine „Kernabspaltung“.
Intel-Chef Otellini, auf mögliche Intel-Pläne bezüglich Triple-Core angesprochen, antwortete in der ihm eigenen Art: „Wir sehen Vorteile darin, dass alle Kerne funktionieren“.
Dabei können drei gegenüber vier Kernen zuweilen sogar von Vorteil sein: Wegen der geringeren Gesamtwärmeentwicklung lassen sie sich gegebenenfalls etwas höher takten. Außerdem steht jedem ein größerer Anteil am gemeinsamen L3-Cache zu und der Zugriff auf den L3-Cache kann im Schnitt um ein Viertel schneller sein, da dieser umschichtig (Round Robin) erfolgt.
Zudem gibt es manchmal ein merkwürdiges Verhalten von Software bei der Skalierung. So steigt zum Beispiel auf Intels Caneland-Plattform mit vier Quad-Core-Xeons die Performance eines Benchmarks der SPECfp_2006-Suite (482.sphinx3) einigermaßen stetig bis acht Kerne an - um dann bei 16 Kernen um über 40 Prozent einzubrechen ... hoppla (oder neudeutsch oops). Manchmal verderben eben viele - funktionierende - Kerne den Code-Brei.
Es wird wohl hier und da auch „dumme“ Software geben, die mit drei Kernen auf den Bauch fällt, etwa wenn sie die vom Betriebssystem gemeldete Kernzahl dezidiert per Case/Switch-Statement auf 1, 2, 4 ... abfragt (okay, ich hab selber so welche ...).
Break Free
Völlig losgelöst davon und mit Quad Courts statt mit Quad-Cores läuft AMDs „Break Free“-Initiative (www.breakfree.amd.com). An vier Gerichten beziehungsweise Kommissionen weltweit sind derzeit Verfahren gegen Intel wegen Wettbewerbsverzerrung anhängig: Vor dem US Federal Court in Delaware, vor der Europäischen Kommission, vor der Korean Fair Trade Commission und vor dem Distriktgericht in Tokio. Die japanische Fair Trade Commission hat zuvor schon gegen Intel wegen illegaler, unfairer Geschäftspraxis entschieden - hier gehts vor dem Gericht nur noch um Schadensersatz für AMD. In Südkorea wurde vor kurzem eine zweijährige Ermittlungsarbeit der FTC abgeschlossen. Das offizielle Ergebnis kennt man noch nicht, aber die gewöhnlich gut unterrichteten Kreise haben schon gefunkt, dass man den Vorwurf des Marktmissbrauchs für begründet hält und jetzt darüber nachdenkt, ob eine Strafe ansteht und wie hoch sie ausfallen soll. Für Oktober wird das Urteil erwartet. Oktober ist auch in Europa ein unheilvoller Monat für Intel, denn dann läuft die Frist ab, die die europäische Kommission Intel gesetzt hat, um sich zum Vorwurf des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung zu äußern. Nach zweijähriger Untersuchung war die Kommission zu Intels Entsetzen zu dieser - vorläufigen - Überzeugung gekommen.
Das Urteil des zweithöchsten europäischen Gerichts in Luxemburg vom 17. September gegen Microsoft, wo es immerhin um eine halbe Milliarde Euro Strafe in ähnlicher Sache geht, hat den Marktwächtern der europäischen Kommission den Rücken gestärkt. Nicht nur Intel, auch andere große IT-Unternehmen wie Apple oder Google könnten bald „den Atem der Kommission im Nacken spüren“ - so der Economist. In Delaware mahlen die Mühlen langsamer, da geht der Streit noch immer um ganz zufällig verloren gegangene E-Mails bei Intel. Im Verlauf der vom Gericht verordneten Offenlegungspflicht von Dokumenten hat Intel inzwischen laut law.com über 40 Millionen Seiten an AMD herausgerückt - das kann sich also noch etwas hinziehen.
Derweil muss AMD den Gürtel noch enger schnallen. Das Aktien-Bonus-Programm für die Mitarbeiter wird zum 1. November eingestellt. Der Aktienkurs selbst hat sich beim Barcelona-Launch immerhin ein wenig vom Absturz im Sommer (von rund 16 auf 11,3 US-Dollar) erholt und lag bei Redaktionsschluss bei 13,5. Vor nicht allzu langer Zeit, im Januar 2006, gipfelte er noch bei 42 Dollar ...
Der ein oder andere Partner wird auch immer untreuer. So schickte Sun seinen obersten Systemchef John Fowler als Gast auf die IDF-Bühne zu Intels Business-Chef Pat Gelsinger, wo er den Xeon-MP-Server mit Caneland-Plattform namens Sun Fire X4450 in 2U vorstellen und sich über die Größe der aufgestellten Konkurrenzsysteme von IBM, HP und Lenovo lustig machen konnte. Dell glänzte hier übrigens durch Abwesenheit. Sun rühmt sich, mit dem X4450 den weltkleinsten 2U-Server mit vier 64-Bit-Prozessoren bei den „Tier One“-Herstellern zu besitzen - für 2U ist das wohl richtig. Der inzwischen durchaus recht renommierte Hersteller Supermicro hat demgegenüber einen 1U-Caneland-Rackserver im Angebot (815C-TB), allerdings nur mit drei statt acht Festplatten und ohne zweites redundantes 1000-Watt-Netzteil, das ist dann doch eine etwas andere Liga. (as) (as)