Unschärfen allerorten

Die Frist für Einsprüche gegen die flächendeckenden Fotopanoramen deutscher Städte läuft. Doch auch wer jetzt bei Google protestiert, kann sein Haus auf Google Maps abgebildet finden – auf Fotos aus Communities wie Flickr, Picasa oder Panoramio.

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Seit dem 17. August steht das bereits im März angekündigte Online-Werkzeug zur Verfügung, mit dem Immobilienbesitzer und Mieter vorab Einspruch gegen die Abbildung ihrer Häuser und Wohnungen in Google Street View erheben können (alle Webadressen siehe Link am Ende des Artikels). Für Bewohner der 20 größten Städte gilt dabei eine Frist bis einschließlich 15. Oktober. Wer bereits schriftlich widersprochen hat, kann sich die Online-Prozedur sparen, sein Antrag wird ebenfalls berücksichtigt. Nach dem 15. Oktober will Google zunächst alle Einsprüche umsetzen und erst dann die Bilder ins Netz stellen. Gebäude, für die ein Einspruch vorliegt, sollen nur schemenhaft erscheinen; den ursprünglichen Plan, ganze Panoramen zu entfernen, hat Google mittlerweile aufgegeben. Wer die Frist verpasst, kann sein Haus auch noch nachträglich verschleiern lassen, muss aber damit leben, dass Bilder davon zumindest vorübergehend klar zu sehen waren.

Wer online Einspruch erhebt, gibt seinen Namen sowie die Adresse an und markiert dann das Haus auf dem üblichen Satellitenbild von Google Maps. Zusätzlich wird man aufgefordert, die Immobilie detailliert zu beschreiben. Das ist notwendig, da der Bordcomputer eines Street-View-Autos während der Fahrt die geschossenen Panoramafotos mit GPS-Koordinaten verknüpft. Gerade in Gegenden mit geschlossener Bebauung sind die nicht immer genau genug, um lediglich anhand einer Postadresse ein Haus auf den Fotos zweifelsfrei zu identifizieren. Wer keine weiteren Details angeben möchte, klickt einen Haken in die entsprechende Checkbox und nickt den Hinweis ab, dass ohne nähere Angaben der Antrag unter Umständen nicht bearbeitet werden kann. Google verschickt anschließend Links per Mail und Zugangscodes per Post, die kombiniert den Vorgang besiegeln. Dem Hamburgischen Datenschutzbeauftragten wurde zudem zugesichert, dass die übermittelten persönlichen Daten nur so lange gespeichert würden, wie es zur Abwicklung der Widersprüche und deren Dokumentation nötig sei.

Dieses Einspruchsverfahren fußt auf einer 13 Punkte umfassenden Abmachung zwischen Google und dem Hamburgischen Datenschutzbeauftragten – ein Gesetz, das Google dazu zwingt, gibt es nicht. Der Bundesrat hat allerdings Kernpunkte der Abmachung in einen Gesetzentwurf gegossen, etwa die Pflicht, alle aufgenommenen Gesichter und Autokennzeichen unkenntlich zu machen sowie allen ein uneingeschränktes Widerspruchsrecht gegen die Abbildung ihrer Person und ihrer Wohnung zu garantieren. Kritik an dieser Initiative kommt von der Bundesregierung, allen voran von Innenminister Thomas de Maizière (CDU): Er befürchtet, dass ein übereiltes und zu spezielles Gesetz „unbeabsichtigte Kollateralschäden“ hervorrufen könnte, etwa, dass die Presse dadurch künftig keine Panoramabilder mehr veröffentlichen dürfte.

Bei einem Spitzengespräch am 20. September möchte der Innenminister mit Unternehmen, Politikern, Daten- und Verbraucherschützern erst einmal die Chancen und Grenzen von privaten und öffentlichen Geodatendiensten ausloten. Das passiert reichlich spät: Schon seit Jahren kann man sich im Browser die ganze Welt in hochaufgelösten Satelliten- und Luftaufnahmen anschauen, ohne dass es um diese umfangreichen, aufschlussreichen und frei zugänglichen Daten eine hörbare öffentliche Debatte gegeben hätte. Manche der Web-Geodienste, wie das Luftbildportal BayernViewer, betreibt sogar der Staat selbst. Der kommerzielle Webdienst Sightwalk zeigt die Zentren einiger deutscher Städte aus der Perspektive von Passanten, Norc hat ähnliches für österreichische Orte im Angebot.

Wie Street View zeigen Sightwalk und Norc Gesichter von Passanten und Autokennzeichen nur verwischt. Auf Google Maps hingegen kann man schon seit einer Weile eine Fülle von Bildern betrachten, auf denen nichts anonymisiert wird. Sie stammen aus Foto-Communites wie Flickr, Picasa oder Panoramio, wurden durch deren Nutzer mit Geokoordinaten versehen und unter einer Lizenz hochgeladen, die eine Wiederverwertung durch Google erlaubt. Street-View-Nutzern werden diese Fotos als alternative Ansicht angeboten. So könnte es passieren, dass nach dem Deutschlandstart der Panoramen manche Häuser in den offiziellen Street-View-Bildern zwar verschleiert erscheinen, sie nur einen Mausklick entfernt aber dennoch klar zu erkennen sind.

Wer das nicht will, kann zwar den jeweiligen Fotografen kontaktieren und ihn bitten, das Bild zurückzuziehen. Ist der dazu aber nicht bereit, kann man das kaum gerichtlich durchsetzen. Zwar empfinden es viele Menschen als ungehörig, wenn ein Fremder ungefragt ihr Privathaus ablichtet, sei es nun ein Hobbyfotograf, die Presse oder Google. Verboten ist ihnen das allerdings nicht – sofern die Aufnahme von öffentlichem Grund aus erfolgt, der Fotograf keine Hindernisse überwindet oder Hilfsmittel benutzt, um etwa einen höheren Standort einzunehmen, und keine Personen abgebildet werden, die ihr Recht am eigenen Bild geltend machen können (Details hierzu erläutert unser Artikel „Fremdbebildert“ auf heise online). Das Urheberrechtsgesetz erlaubt in § 59 ausdrücklich, „Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben.“ Unter „Werke“ im Sinne dieses Gesetzes fallen auch Bauwerke. Für diese schränkt das Gesetz die Abbildungserlaubnis explizit auf die äußere Ansicht ein. Offen ist allerdings noch, ob aus 2,90 Metern Höhe gemachte Aufnahmen wie die Street-View-Bilder unter dieses Gesetz fallen oder ob Google damit den öffentlichen Grund verlassen hat.

www.ct.de/1019050 (pek)