Viel versprechender Auftakt

Zwei Monate vor der Roboterfußballweltmeisterschaft RoboCup hat die heiße Phase der Vorbereitung begonnen. Die Qualifikations-turniere lieferten einen ausgesprochen viel versprechenden Auftakt zu diesem Großereignis.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Die zehnte RoboCup-WM ist zugleich die erste, die in Deutschland stattfindet. Vom 14. bis 20. Juni wollen die in der International RoboCup Federation organisierten Informatiker und Ingenieure in der Messe Bremen ihre Fußballroboter gegeneinander spielen lassen und in einem wissenschaftlichen Kolloquium die damit verbundenen Fragen erörtern. Bis zu 40 000 Zuschauer werden erwartet.

Im März fanden zunächst an aufeinander folgenden Wochenenden in Vöhringen, Bremen und Magdeburg Turniere für Schülerinnen und Schüler statt, bei denen die Teilnehmer der Weltmeisterschaft ermittelt wurden. Solche Qualifikationsrunden hatte es bisher in Deutschland nicht gegeben. Sie wurden notwendig, weil das Gastgeberland beim Juniorwettbewerb immer den größten Teil der Teilnehmer stellen soll. Insofern war die RoboCup-WM ein willkommener Anlass, das Thema Robotik in mehr Schulen zu verankern.

Das scheint gelungen. Mit insgesamt etwa 800 Teilnehmern konnte die Zahl der aktiven Junioren mehr als verdoppelt werden. Henning Brandt von der Universität Bremen, einer der Organisatoren des Junior-Wettbewerbs, ist zuversichtlich, dass dieses zahlenmäßige Niveau gehalten werden kann: „Wer einmal diese Turnieratmosphäre erlebt hat, bleibt in der Regel dabei.“

Parallel zum letzten RoboCup-Junior-Turnier hatten sich auch einige Universitätsteams in Magdeburg zum Trainingslager getroffen. So kam es zu vielen Begegnungen zwischen jung und alt. „Über diesen intensiven Austausch zwischen den Ligen freue ich mich ganz besonders“, sagte Ansgar Bredenfeld vom Fraunhofer-Institut für Autonome Intelligente Systeme (AIS), der die Veranstaltung koordinierte. Bislang hatte es zwischen dem Junior- und Seniorbereich beim RoboCup eher wenig Berührungspunkte gegeben, dafür waren beide Gruppen jeweils zu sehr mit sich beschäftigt. Im Laufe der Jahre hat die Nachwuchsförderung jedoch immer größere Bedeutung erlangt. Das ist auch unbedingt notwendig, denn das Ziel der RoboCup-Initiative lautet, bis zum Jahr 2050 humanoide Roboter zu konstruieren, die sich mit dem menschlichen Fußballweltmeister messen können. Die Ingenieure und Informatiker, die diese Ballartisten entwickeln sollen, gehen heute noch zur Schule oder sind noch gar nicht geboren.

Von der prickelnden Atmosphäre in Magdeburg ließ sich auch der Kultusminister von Sachsen-Anhalt, Jan-Hendrik Olbertz, anstecken. Er könne sich gut vorstellen, sagte Olbertz bei der Preisverleihung für die Junioren, Robotik stärker in den Schulunterricht zu integrieren. Dabei denkt er weniger an ein eigenständiges Fach, sondern an fächerübergreifende Projekte. Ein besonderer Reiz der Robotik liege ja gerade darin, dass sie viele unterschiedliche Aspekte integriere, bis hin zu Fragen der Philosophie: Wasser auf die Mühlen der Schüler und Lehrer im Publikum, die die Arbeit für den RoboCup bislang in freiwilligen AGs außerhalb des Unterrichts organisieren.

Nachwuchsförderung war auch bei den RoboCup Dutch Open ein großes Thema, die vom 7. bis 9. April in Eindhoven stattfanden. Dieses Turnier ersetzt in diesem Jahr die German Open, weil die deutsche RoboCup-Gemeinde mit der Organisation der Weltmeisterschaft bereits genug zu tun hat. Philips agierte als Hauptsponsor und hob zugleich eine neue Robotikveranstaltung aus der Taufe: Robo Ludens, in Anlehnung an Johan Huizingas Konzept vom Homo Ludens, dem spielenden Menschen. „Die Dutch Open sind ein einmaliges Ereignis“, sagt Cheforganisator Bart Dirkx von Philips. „Robo Ludens aber wird zukünftig jedes Jahr stattfinden und soll zu einem zentralen Ereignis der Robotik werden. Eindhoven will sich damit als ein Zentrum der Robotik und Technologie profilieren.“

Technik kann großen Spaß bringen, lautete die Botschaft. Die zahlreichen Kinder, die sich auf mehreren Spielflächen mit Robotern beschäftigen konnten und in Workshops mit deren Konstruktion und Funktionsweise vertraut gemacht wurden, dürften dem kaum widersprechen.

Die Nutzung von Spaß und Spielfreude als Technologietreiber stößt offenbar auch in Deutschland auf immer weniger Skepsis. Ein Indiz dafür ist ein in Magdeburg verteiltes Faltblatt der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), das verschiedene DFG-geförderte Projekte zur Robotik vorstellte. Da war auf einmal nicht mehr vom Schwerpunktprogramm „Kooperierende Teams mobiler Roboter in dynamischen Umgebungen“ die Rede, sondern nur noch schlicht vom Schwerpunktprogramm „RoboCup“. Die noch bis 2007 laufende Förderung durch die DFG hat entscheidend zum hohen Niveau beigetragen, das deutsche RoboCup-Teams mittlerweile erreicht haben.

Bis auf die neue Liga „RoboCup@home“ mit anwendungsbezogenen Aufgaben, die erstmals bei der WM in Bremen erprobt wird, waren in Eindhoven alle Spielklassen des RoboCup vertreten. Einige waren aber sehr dünn besetzt, wie die Humanoid League und die Rescue Robot League mit jeweils lediglich drei Teams sowie die Small Size League mit vier Teams. Die Simulationswettbewerbe hatten anfangs mit massiven Serverproblemen zu kämpfen und fanden über weite Strecken nahezu ohne Publikum statt.

Am härtesten war die Konkurrenz in der Middle Size League, zu der zwölf Teams nach Eindhoven angereist waren. Hier konnten sich die Brainstormers Tribots von der Universität Osnabrück im Finale gegen das Team Minho aus Portugal mit 4:1 klar durchsetzen. Teamleiter Martin Riedmiller hatte zuvor noch Bedenken wegen des starken Schusses der Minho-Roboter geäußert. Aber die Tribots ließen den Gegner gar nicht erst zum Schießen kommen, zeigten die schöneren Spielzüge und kontrollierten den Ball am sichersten. Besonders elegant waren die schnellen Fahrten in Richtung Spielfeldrand, bei denen sich die Roboter erst kurz vor der Aus-Linie drehten und für den Schuss nach innen ausrichteten. Kein anderes Team konnte so gut dribbeln. Beeindruckend waren auch die Querpässe, mit denen die Tribots mehrere Tore vorbereiteten.

Auch bei den vierbeinigen Aibos sind die Programmierer mittlerweile so weit, den Robotern ein besseres Zusammenspiel beizubringen. Leider wird die Vierbeiner-Liga nach der Einstellung der Aibo-Produktion durch Sony wohl nicht mehr lange genug existieren, als dass hier noch viele Fortschritte zu sehen sein werden. Die Diskussion über die Zukunft dieser Liga wird bei der WM in Bremen intensiv geführt werden. Dort wird es gewiss auch eine weitere Demonstration dessen geben, was mit den Hunderobotern noch möglich ist: Ein Spiel elf gegen elf auf dem großen Spielfeld der Middle Size League.

Eine erste Demo fand am letzten Tag der Dutch Open statt. Eine Weltpremiere, mit der sich Hans-Dieter Burkhard, Vizepräsident der International RoboCup Federation, sehr zufrieden zeigte. „Wir haben gesehen, dass es funktioniert“, sagte Burkhard. Die Roboter waren aus verschiedenen Teams zusammengewürfelt worden. Obwohl an der Software nichts verändert worden war außer den Daten für die Größe des Spielfelds, agierten die Spieler erkennbar zielgerichtet.

Für ein vernünftiges Spiel auf dem großen Feld müsste allerdings das Pass-Spiel weiter ausgebaut werden. Dazu gab es einen speziellen Wettbewerb, die „Passing Challenge“: Drei zufällig auf dem Feld platzierte Aibos sollten sich den Ball so oft wie möglich zuspielen. Das Ergebnis war vorerst noch recht mager. Bis zur WM werden die Teams aber sicherlich noch intensiv an der Software feilen.

Das reguläre Endspiel in der mit sieben Teams am zweitstärksten besetzten Aibo-Liga fand zwischen den Microsoft Hellhounds und dem Aibo Team Humboldt statt. Obwohl die Hellhounds von der Universität Dortmund in der Vorrunde nur mäßig abgeschnitten hatten, zeigten sie sich jetzt von Anfang an deutlich überlegen, waren einen Tick schneller und hatten die bessere Ballkontrolle. Das Ergebnis von 4:0 war absolut verdient und wäre angesichts mehrerer Pfostenschüsse beinahe noch höher ausgefallen.

Für die übrigen Ligen hatte das Turnier noch stärker den Charakter eines Trainingslagers. So war etwa bei den humanoiden Robotern von vornherein klar, dass niemand dem Vizeweltmeister Nimbro von der Universität Freiburg das Wasser würde reichen können. Die beiden Herausforderer Humanoid Team Humboldt (Humboldt-Universität Berlin) und BreDo Brothers (Universitäten Bremen und Dortmund) nutzten den Wettbewerb, um an den Gangarten ihrer Roboter zu feilen und wertvolle Erfahrungen für die WM zu sammeln.

Kooperation ist beim RoboCup nicht nur auf dem Spielfeld ein Thema, sondern auch daneben. So sind die Teams angehalten, jeweils nach einer Weltmeisterschaft ihren Code zu veröffentlichen, damit alle Beteiligten am höchsten erreichten Niveau anknüpfen können. Neue Teams können so ohne großen Aufwand gleich ganz vorne mitspielen, indem sie einfach die erfolgreichsten Konzepte kopieren. Dies fördert idealerweise die schnelle Weiterentwicklung, kann aber auch langfristig angelegte Strategien erschweren und die zu frühzeitige Herausbildung von Mainstream-Lösungen und Quasistandards begünstigen. Für die Organisatoren des RoboCup ist die Gewährleistung dieses subtilen Gleichgewichts zwischen Wettbewerb und Kooperation die vielleicht größte Herausforderung.

Insofern mag es sich eines Tages vielleicht als Segen erweisen, dass auch der RoboCup selbst Konkurrenz hat. Die FIRA (Federation of International Robot-soccer Association) veranstaltet ebenfalls Roboterfußballturniere. Die diesjährige Weltmeisterschaft findet vom 30. Juni bis 3. Juli in Dortmund statt. Die Existenz zweier internationaler Verbände für Roboterfußball hat ihren Ursprung in der Rivalität zwischen Korea (FIRA) und Japan (RoboCup).

Auf technischem Gebiet sind die Unterschiede zwischen FIRA und RoboCup eher gering. Mannes Poel von der University of Twente, der bei den Dutch Open für Demonstrationszwecke ein FIRA-Spielfeld aufgebaut hatte, glaubt denn auch, dass die beiden Organisationen sich im Laufe der nächsten zehn Jahre vereinigen werden. Ähnliche Stimmen sind aus China zu hören, wo die FIRA stärker vertreten ist. Andererseits steckt die südkoreanische Regierung gerade viel Geld in die Entwicklung der eigenen Robotikindustrie und dürfte einer Vereinigung von FIRA und RoboCup eher skeptisch gegenüberstehen.

Aber vielleicht müssen die beiden Verbände auch gar nicht miteinander verschmelzen. Womöglich ist es für die Weiterentwicklung der Technologie sogar günstiger, wenn sie stärker in den Wettbewerb miteinander treten. Mannes Poel kann sich jedenfalls gut vorstellen, dass auch die FIRA den Gewinn der Fußball-WM mit humanoiden Robotern bis 2050 anstrebt. Entweder erkennen die beiden Organisationen dann irgendwann, dass sie es nur vereint schaffen können. Oder das Endspiel 2050 wird gar nicht zwischen Menschen und Robotern ausgetragen - sondern zwischen den Roboterteams von FIRA und RoboCup. (anm) (anm)