Vobis bleibt störrisch - Microsofts Kartell-Abkommen fiel durch

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  • Ole VoĂź

Im Herbst probten Vobis und Escom den Aufstand: OS/2 wollten sie mit ihren PCs bundlen, Windows gebe es nur noch gegen Aufpreis. Inzwischen hat Escom klein beigegeben, und Vobis sieht sich massiv unter Druck gesetzt. Aber Vobis-Vorstand Theo Lieven will standhaft bleiben: "Wir unterwerfen uns dem Monopol nicht."

Zunächst hatte Escom am deutlichsten Flagge gezeigt: Windows und DOS gab es nur noch gegen den happigen Aufpreis von 179 Mark. Aber seit Februar wird OS/2 nur noch stillschweigend beigefügt, die Escom-Werbung stellt wieder die Microsoft-Software heraus.

Vobis installierte OS/2 vor und lieferte Windows kostenlos mit. "Damit ist unser Marktanteil im vierten Quartal auf 16,8% gestiegen", konstatierte Lieven, "bei den Kunden lagen wir mit dem Angebot also richtig." Die Freude darĂĽber ist ihm aber schnell vergangen, denn inzwischen hat er gemerkt: "Microsoft will ein Exempel statuieren und uns aushungern."

Im November kehrte Vobis-Software-Manager Heinz-Willi Dahme mit leeren Händen aus San Francisco zurück, wo Microsoft anderen PC-Herstellern eine aktuelle Betaversion von Windows 95 ausgehändigt hatte. Verblüfft erfuhr er, daß Vobis nicht mehr am Beta-Programm beteiligt werde. Damit macht Microsoft frühzeitige Kompatibilitätstest unmöglich und versetzt den unbotmäßigen Kunden gegenüber der Konkurrenz ins Hintertreffen.

Am 8. März läuft die Windows-Lizenz für Highscreen-PCs aus. Lieven will einen neuen Vertrag "zu Bedingungen, die es uns erlauben, dem Kunden in Zukunft die freie Wahl zwischen Windows und OS/2 zu lassen, denn der Markt braucht eine Alternative." Microsoft biete aber die "Per-Copy-Lizenz", also eine Berechnung auf Basis der tatsächlichen Stückzahl, wesentlich teurer an als die sogenannte "System-Lizenz" für komplette Modellreihen. "Da müßten wir dieselbe Hardware zweimal hinstellen", sagte Lieven. "Microsoft weiß, das bedeutet doppelte Lagerhaltung und ist in unserer Branche tödlich."

Microsofts Europa-Statthalter Christian Wedell betont: "Wir wollen auch weiterhin eine vertrauensvolle Business Relationship mit Herrn Lieven." Die System-Lizenz biete Microsoft an, weil viele Kunden sie wünschten. Zum Preisaufschlag für die stückzahlbezogene Lizenz will er sich nicht konkret äußern: "Unsere Verträge sind nicht Gegenstand öffentlicher Betrachtungen."

Wieviel Wert Microsoft auf Diskretion in Vertragsfragen legt, bekommt auch Lieven derzeit zu spüren: "Die haben mir mitgeteilt, wenn ich nicht eine strafbewehrte Verpflichtung unterschreibe, nichts mehr an die Öffentlichkeit dringen zu lassen, gibt es kein neues Angebot." Auf diese Bedingung werde er nicht eingehen. Lieber wolle er auch Windows 95 über Zwischenhändler einkaufen.

Der Dissident riskiert, daß die von Microsoft bevorzugten Konkurrenten ihr Sortiment um mehrere Wochen oder gar Monate früher auf die neue Betriebssystemversion umstellen können. "Das kann uns ruinieren", sorgt sich Lieven. "Wie man sieht, braucht ein monopolistisches System nicht immer den großen Hammer. Es genügen auch feine Hebelchen."

Mag für Bill Gates der Ärger mit der größten deutschen PC-Handelskette auch nicht mehr bedeuten als "der Aufstand eines Negerstamms in Timbuktu" (Lieven), so fällt er doch zusammen mit allerlei ähnlich motivierten Irritationen, die im Vorfeld der CeBIT das in der Fernsehwerbung propagierte Bild vom Heilsbringer Microsoft trüben. Dazu zählt, daß die Brüsseler EU-Kommission laut einem Bericht der Wirtschaftswoche alle deutschen PC-Hersteller aufgefordert hat, ihren Schriftverkehr mit Microsoft offenzulegen.

Die stärksten Komplikationen aber verursachte US-Bundesrichter Stanley Sporkin, der zu prüfen hatte, ob das im Sommer zwischen dem Justizministerium und Microsoft ausgehandelte kartellrechtliche Abkommen die öffentlichen Interessen gebührend berücksichtigt. Sporkin befand den Deal für "zu klein, zu spät", kritisierte, dieser verringere weder den unfairen Vorsprung, den Microsoft durch wettbewerbswidrige Praktiken erzielt habe, noch sei er geeignet, diese Praktiken künftig zu verhindern, und lehnte ihn ab.

Die Behörde legte, ebenso wie Microsoft, Berufung gegen die Entscheidung ein. Beobachter halten für sicher, daß das Abkommen am Ende doch bestätigt wird. Sporkins Spruch gefährde aber die geplante Übernahme des Finanzsoftware-Herstellers Intuit durch Microsoft, weil das Justizministerium nun genauer hinschauen werde, um nicht wieder bloßgestellt zu werden.

US-Zeitungen berichteten auch von einem Brief, den Richter Sporkin von Apple erhalten hat. Darin wird Bill Gates beschuldigt, er habe damit gedroht, daĂź Microsoft keine Anwendungsprogramme fĂĽr den Macintosh mehr auf den Markt bringen werde, falls Apple seine OpenDoc-Software weiterentwickele.

Die Posse krönte am 23. Februar ein persönliches Fax von Bill Gates an den "lieben Mike", Apple-Geschäftsführer Michael Spindler. Tenor: Alles falsche Anschuldigungen, es sei zur Zeit lediglich nicht klar, wie Microsoft OpenDoc in Applikationen unterstützen könne. Man wolle weiter für den Mac entwickeln, "I think the Macintosh has a bright future". (sd/cp) (ole)