Zahlfunktion für Adblock Plus: "Die Verlage müssen das Geld nur annehmen"
Mit "Flattr Plus" will der Adblock-Plus-Hersteller Eyeo noch in diesem Jahr Geld an die Ersteller von Inhalten verteilen. Geschäftsführer Till Faida und Public-Affairs-Managerin Laura Dornheim erläutern, warum das Modell erfolgreicher sein soll als viele ähnliche Ansätze.
- Torsten Kleinz
Mit seinem Modell Acceptable Ads hatte die Kölner Eyeo Ende 2011 versprochen, Online-Werbung insgesamt zu verbessern: Da die Firma "nicht nervende Werbung" durch den Werbeblocker passieren lässt, sollen Werbetreibende motiviert werden, auf störende Werbetechniken zu verzichten. Doch die Entwicklung nahm eine andere Richtung: Manche Websites versuchen die Umsatzausfälle mit immer aggressiverer Werbung auszugleichen, andere schließen Werbeblocker-Nutzer von ihren Angeboten aus.
Umstrittenes Geschäftsmodell
Da Eyeo für die Aufnahme auf die Liste "Acceptable Ads" Umsatzanteile verlangt, wird die Firma von Vertretern der Werbebranche und Verlagen immer wieder angefeindet. Sie werfen Eyeo zum Beispiel "Wegelagerei" vor. Mehrere Medienhäuser prozessieren vor deutschen Gerichten, um Eyeos Geschäftsmodell verbieten zu lassen – bisher ohne Erfolg.
Mit "Flattr Plus" will Eyeo es seinen Nutzern nun ermöglichen, für Inhalte zu zahlen, die sie im Browser betrachten. Bisher hatte die 2010 gegründete Mikropayment-Plattform Flattr nur bescheidenen Erfolg, die Einnahmen blieben für die Content-Ersteller minimal. Dies soll nun durch die Nutzerzahlen von Adblock Plus und einen neuen Algorithmus anders werden. Vorraussetzung ist allerdings, dass die Nutzer Eyeo neben Geld auch Daten über ihre Surfgewohnheiten anvertrauen.
Geschäftsführer Till Faida und Public-Affairs-Managerin Laura Dornheim erläutern, warum das Modell erfolgreicher sein soll als viele ähnliche Ansätze.
c't: Wie geht es Eyeo zur Zeit?
Till Faida: Sehr gut, wir wachsen. Wir planen dieses Jahr 30 Neueinstellungen, haben ein zweites Büro in Berlin eröffnet und werden auch bald in Köln in ein Gebäude umziehen.
c't: Mit Flattr Plus geht Eyeo in eine neue Richtung: Statt nur Werbung zu blockieren, soll Adblock Plus nun auch zur Zahlstelle für Artikel werden. Sind die vielen Anti-Adblocker-Skripte der Verlage ein Grund für den Strategiewechsel?
Faida: Bei uns ging es immer darum, wie Inhalte im Web monetarisiert werden können. Mit Acceptable Ads haben wir einen ersten Schritt gemacht, der funktioniert. Der nächste logische Schritt ist, dass wir dem Nutzer mehr Möglichkeiten geben, für Inhalte im Internet zu bezahlen: entweder mit seiner Aufmerksamkeit oder mit einem kleinen Obolus.
Mageres Zubrot statt Finanzierung
c't: Viele Verlage bestreiten, dass die Monetarisierung mit Acceptable Ads funktioniert. Sie könnten so allenfalls ein kleines Zubrot verdienen, das Geld reiche aber bei weitem nicht aus, um qualitative Inhalte zu produzieren.
Faida: Acceptable Ads entwickelt sich noch. Immer mehr Advertiser bemerken, dass sie eine interessante Zielgruppe nicht mit traditioneller Online-Werbung erreichen können. Deswegen steigt jetzt die Nachfrage nach neuen Formaten. Aber ich glaube, dass am Ende nur eine Mischfinanzierung aus unaufdringlicher Werbung und Bezahlkomponenten die Lösung sein kann.
c't: Für Flattr Plus braucht Eyeo aber die Zusammenarbeit der Verlage. Wurden schon erste Gespräche geführt?
Dornheim: Wir haben erste Kontakte, brauchen aber nicht unbedingt geregelte Partnerschaften mit den Verlagen. Unser Modell ist so angelegt dass die User entscheiden, welchen Seiten sie Geld geben wollen. Außer der Bankverbindung für die Einzahlungen brauchen wir eigentlich keine umfangreiche Kooperation mit Publishern. Wenn diese Seiten noch nicht bei Flattr registriert sind, werden wir sie kontaktieren.
Erfolglose Vorgänger
c't: Dieses Modell wurde schon mehrfach probiert – zum einen legte Flattr Schattenkonten für Twitter-Nutzer an, zum anderen versprach Burda den Verlagskollegen Ausschüttungen aus dem Nachrichtenaggregator nachrichten.de. Beide Initiativen scheiterten unter anderem am Desinteresse der Zahlungsempfänger. Warum soll das gleiche Modell jetzt funktionieren?
Faida: Bisherige Bezahlmodelle scheiterten daran, dass sie Insellösungen waren und zu viel Interaktion erforderten. Das Neue an Flattr Plus ist, dass sich der Nutzer einmal überlegen kann, was ihm Content wert ist. Diesen Betrag bezahlt er und danach läuft alles automatisch. Das Ganze funktioniert überall mit nur einer Anmeldung. Die Einfachheit in Kombination mit unserer großen Nutzerbasis macht Flattr Plus einzigartig. Im Gegensatz zum alten Flattr-Modell muss der Publisher keine Flattr-Buttons mehr einbauen und der Nutzer muss auch nicht mehr auf sie klicken.
Dornheim: Unsere Programmierer entwickeln derzeit einen Algorithmus, der nicht nur Visits registriert, sondern auch Faktoren wie Engagement und Verweildauer berücksichtigt.
Ad-Impressions schuld an Clickbaitung
Faida: Bisher haben Publisher ein Abrechnungsmodell, das auf Ad-Impressions ausgerichtet war. Das hat uns Dinge gebracht wie Clickbait-Überschriften oder Fotogalerien als Klickstrecken. Unser neuer Ansatz basiert darauf: Wenn ein Nutzer tatsächlich mit einer Seite interagiert und sie ihm Mehrwert bringt, dann wird diese Seite auch Geld verdienen.
c't: Damit Flattr Plus ohne weitere Interaktion funktioniert, müssen die Adblock-Plus-Nutzer ihre Surfhistorie aber an Eyeo übertragen. Diese Nutzer haben jedoch oft wegen der Abneigung gegen Tracking-Techniken überhaupt erst einen Adblocker installiert.
Faida: Unser Anspruch ist, dass wir Flattr Plus möglichst Privatsphäre schonend umsetzen. Das ist ein Grund, warum es so lange gedauert hat.
Dornheim: Wir werden nicht das komplette Surfverhalten unserer User mitschneiden. Das könnten weder wir noch unsere Kooperationspartner von Flattr verantworten. Im Wesentlichen wird der Algorithmus lokal laufen, die Flattrs werden anschließend aggregiert übertragen. Dazu wird es eine Whitelist geben mit Seiten, von denen wir vermuten, dass die Nutzer sie flattrn wollen. Es wird auch eine Greylist geben, die zum Beispiel Banken-Webseiten oder Webmail-Dienste ausfiltern. Dazu wird es auch eine Blacklist geben, vor allem für illegale Angebote.
Nutzer können die Voreinstellungen aber auch ändern. Wenn ich zum Beispiel verhindern will, dass ich aus Versehen bild.de Geld schicke, kann ich die Website natürlich ausnehmen. Andererseits kann ich auch bestimmen, dass ein Blog-Beitrag, der mich besonders interessiert, mehr Geld bekommen soll.
Ein Algorithmus für alle
c't: Zielt Flattr Plus mehr auf Hobbyisten oder auf professionelle Redaktionen aus großen Verlagshäusern?
Faida: Alle, die guten Content erstellen, mit denen die Nutzer interagieren, sind unsere Zielgruppe.
c't: Es wird schwer fallen, so unterschiedliche Gruppen mit einem Algorithmus zufriedenzustellen.
Faida: Das ist natürlich die große Herausforderung. Wir werden den Algorithmus daher ständig weiterentwickeln müssen.
c't: Dennoch wird eine Zusammenarbeit mit den Verlagen notwendig sein: Ohne sie kommt das Geld bei vielen Content-Erstellern nicht an. Und bisher lehnen viele Firmen eine Zusammenarbeit mit Eyeo kategorisch ab. "Wegelagerei" ist noch einer der harmloseren Vorwürfe, die von Verlegerseite erhoben werden.
"Ein paar Euro pro Monat"
Faida: Wenn wir unsere Nutzer überzeugen können, wird genug Geld im System sein, das die Verlage nur annehmen brauchen. Das ist letztlich eine ökonomische Entscheidung.
Wenn man Facebook und Google einfach mal rausrechnet, könnte jeder deutsche Nutzer mit nur ein paar Euro pro Monat die kompletten Einnahmen ersetzen, die die Content-Industrie mit Werbung erwirtschaftet. Die Nutzer können sich fragen, welches Finanzierungsmodell für Inhalte sie bevorzugen. Am Ende werden die Verlage sehen, dass sie mit Nutzern von Adblock Plus mindestens genau so viel verdienen wie mit normalen Nutzern.
c't: Müssen die Empfänger des Geldes irgendwelche Bedingungen erfüllen? Müssen Verlage ihre Anti-Adblocker-Skripte abschalten?
Werbung oder Leser?
Faida: Das müssen sie nicht. Aber wenn sie diese Nutzer aussperren, dann interagieren auch weniger Nutzer mit der Seite. Dementsprechend werden sie mit der Seite dann auch weniger verdienen.
c't: Der Axel-Springer-Verlag sagt, dass er nach dem Aussperren von Adblocker-Nutzern von Bild.de sogar mehr verdient.
Faida: Das kann er ja sagen. Wie der Nutzer die Wahl hat, einen Adblocker einzusetzen, hat auch die Betreiber einer Website die Wahl, welche Nutzer er bedienen will. Alle öffentlich verfügbaren Zahlen zeigen aber deutlich, dass man durch solcherlei nicht mehr verdient, sondern sehr viele Nutzer vergrault. Eine langfristige Lösung, um Inhalte zu finanzieren, kann man so nicht erreichen. Nutzer lassen dich gewisse Dinge nicht aufzwingen.
Wir haben uns im Moment dagegen entschieden, irgendwelche Funktionen in Adblock Plus aufzunehmen, die Adblock-Blocker umgehen. Der Nutzer kann es selbst über seine Filtereinstellungen entscheiden, wie er damit umgeht. Die niedrigen Opt-Out-Raten bei Acceptable Ads zeigen, dass viele Nutzer unseren Kompromissvorschlag akzeptieren. (anw)