Zweierlei Maß

Der nach langer Auseinandersetzung durch eine Neufassung des Urheberrechts weitgehend erledigte Streit zwischen Urhebern und IT-Industrie droht wieder aufzuflammen: Aufgrund eines Richterspruchs aus Luxemburg müsste das deutsche System der Urhebervergütung umgestrickt werden – vielleicht aber auch nicht.

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Von
  • Tim Gerber

Wer in Deutschland eine Festplatte, Speicherkarte oder einen DVD-Rohling kauft, wer sich einen PC, einen Drucker, Scanner oder eine Kombination aus beidem anschafft, bezahlt dabei indirekt einen – geringen – Beitrag zur Vergütung von Urheberrechten. Maler, Musiker, Fotografen, Schriftsteller und Journalisten sollen pauschal dafür entschädigt werden, dass mit allen diesen Gerätschaften und Medien Kopien ihrer Werke angefertigt werden können und in geringem Umfang zu privaten, wissenschaftlichen und sonstigen persönlichen Zwecken auch kopiert werden dürfen. Diese Pauschalvergütung müssen die Hersteller und Importeure an sogenannte Verwertungsgesellschaften abführen, die sie an die Urheber nach bestimmten Schlüsseln weiter verteilen. Natürlich holen die Unternehmen sich dies wie alle anderen Kosten über die Verkaufspreise letztlich von ihren Kunden zurück.

Ein ähnliches System gibt es auch in Spanien. Hier wie dort wird letztlich nicht unterschieden, wofür der Endkunde ein Gerät oder Medium tatsächlich nutzt, die Vergütungspauschale wird immer fällig, egal wer die CD-Spindel oder den Scanner kauft. Die spanische Firma Padawan, die mit beschreibbaren CDs, DVDs und MP3-Playern handelt, sollte 16 759,25 Euro an Urhebervergütungen zahlen und ging dagegen vor Gericht. Bei der Berechnung der Vergütungshöhe müsse der Verkauf an gewerbliche Abnehmer mindernd berücksichtigt werden, die die Medien nicht für Kopien geschützter Werke, sondern für urheberrechtlich irrelevante Backups und dergleichen nutzen würden. Das Handelsgericht in Barcelona wies die Klage von Padawan jedoch zurück. Im Berufungsverfahren legte das Provinzgericht Barcelona dem Europäischen Gerichtshof unter anderem die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob der in der Urheberrechtsrichtlinie [1] vorgesehene „gerechte Ausgleich“ für legale Kopien nur dann gerechtfertigt ist, wenn die Medien auch (vermutlich) nur für solche Kopien genutzt werden.

Diese Frage hat der EuGH in seinem Urteil vom 21. Oktober 2010 (Az. C-467/08, siehe Link) nun mit nein beantwortet: Eine unterschiedslose Abgabe für Kopien auf alle Arten von Anlagen, Geräten und Medien zur digitalen Vervielfältigung sei nicht mit der europäischen Urheberrechtsrichtlinie vereinbar. Werden sie eindeutig für andere Zwecke genutzt, müsse dies berücksichtigt werden.

Günstige Multifunktionsgeräte könnten teurer werden, wenn die Hersteller wegen des EuGH-Urteils ihre Vereinbarungen mit den Urhebervertretern kündigen.

Die Geräte- und Medienhersteller und -importeure wittern deshalb Morgenluft. Das Urteil habe „Signalwirkung für Deutschland“, meint etwa der Branchenverband Bitkom. Denn auch hierzulande werde nicht zwischen privater und gewerblicher Nutzung unterschieden.

Inwieweit das dem deutschen sehr ähnliche System der Spanier europarechtskonform ist, ließ der EuGH indessen offen. Das zu beurteilen sei Sache der nationalen Gerichte, sie könnten die vom EuGH gegebene Antwort auf die Frage der Nutzung dazu heranziehen. Mit anderen Worten: Die Hüter des Europarechts wollen ein anderes Abrechnungssystem als das bestehende, das die tatsächliche Nutzung im Einzelfall nicht berücksichtigt.

Nach den Vorstellungen des EuGH sollen die Händler also getrennt abrechnen können, je nachdem, ob sie Medien und Geräte an Gewerbetreibende oder private Endkunden verkauft haben. Wie das in der Praxis funktionieren soll, dazu schweigt sich das Urteil aus. Eine derartige Berechnungsmethode hält denn auch die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme (siehe Link) im Verfahren für „lebensfremd“. In manchen Ländern Skandinaviens gebe es solche differenzierten Abrechnungssysteme wohl, hält der Bitkom dagegen.

Die betroffenen Urhebervertreter sehen die Sache relativ entspannt. Man habe schon in der Vergangenheit bei der Vereinbarung von Vergütungen dem Umstand Rechnung getragen, dass vergütungspflichtige Produkte je nachdem, ob sie an private oder an gewerbliche Endabnehmer geliefert werden, in unterschiedlichem Maße zur privaten Vervielfältigung genutzt werden. Dies teilte die Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ), ein Zusammenschluss verschiedener Verwertungsgesellschaften, in einer Stellungnahme zu dem EuGH-Urteil mit. Zur Vereinfachung würden im allseitigen Interesse bisher jedoch alle vergütungspflichtigen Produkte eines Typs mit einer einheitlichen Abgabe belegt. Wenn die IT-Industrie das ändern und je nach Erwerber ihrer Produkte höhere oder niedrigere Einzelvergütungen zahlen wolle, würde das nach Auffassung der ZPÜ an der Gesamtsumme der Vergütung nichts ändern.

So könnte es beispielsweise für Druckerhersteller äußerst kontraproduktiv sein, die bestehenden Verträge mit den urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaften unter Berufung auf den EuGH zu kündigen. Für teuere und leistungsfähige Laserdrucker, die vorwiegend in Wirtschaft und Verwaltung zum Einsatz kommen, würde die Vergütung zwar deutlich sinken, im Gegenzug bei vergleichsweise günstigen Tintendruckern jedoch steigen. Profitieren würden Hersteller, die überwiegend Druckertypen für den gewerblichen Einsatz produzieren wie Konica-Minolta oder Kyocera. Anbieter von einfachen Tintendruckern für den Hausgebrauch wie Brother oder Epson müssten dagegen mit steigenden Kosten rechnen.

[1] Richtlinie 2001/29/EG, Amtsblatt der Europäischen Union L 167, S. 10, www.eur-lex.eu

[2] Verfassungsgericht hebt Urteil zur Urhebervergütung bei Druckern auf, c’t 22/10, S. 53

[3] Urhebervergütung für Reprografiegeräte festgelegt, c’t 1/09, S. 22

[4] Tim Gerber, Carsten Kiefer, Der Korb der Pandora, Höchstrichterliche Urteile und der „2. Korb“ der Urheberrechtsnovelle verunsichern die IT-Branche, c’t 5/08, S. 68

www.ct.de/1024050 (tig)