SPD wendet sich gegen Internet-Sperrgesetz

Olaf Scholz kĂĽndigt eine Kehrtwende der SPD beim umstrittenen Internet-Sperrgesetz an, das seine Partei in der groĂźen Koalition noch gemeinsam mit Ursula von der Leyen auf den Weg gebracht hat.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

"Schluss mit dem Gewürge", fordert der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Olaf Scholz mit Blick auf die für ein Jahr ausgesetzten Internetsperren. Scholz kündigte gegenüber heise online an, dass die SPD eine Initiative zur Aufhebung des Gesetzes ergreifen werde. Die SPD hatte das Sperrgesetz für Internetseiten mit kinderpornografischen Inhalten in der letzten Legislaturperiode gemeinsam mit der Union beschlossen. Kritisiert wurde es als Versuch, kinderpornografische Webseiten nicht direkt zu löschen, sondern lediglich mit einem Sperrhinweis zu versehen.

Scholz schließt sich nun den Argumenten der Sperrgegner an, indem er sagt: "Netzsperren helfen nicht und lenken von den eigentlichen Problemen ab." Die Politik der ehemaligen Familienministerin Ursula von der Leyen sei "populistisch" gewesen. Die Sperrverträge, die die Internet-Provider mit dem Bundeskriminalamt abschließen sollten, waren seiner heutigen Überzeugung nach "offensichtlich rechtswidrig". Scholz weiter: "Wir müssen erkennen: Internetsperren sind ineffektiv, ungenau und ohne weiteres zu umgehen. Sie leisten keinen Beitrag zur Bekämpfung der Kinderpornographie und schaffen eine Infrastruktur, die von vielen – zu Recht – mit Sorge gesehen wird."

Scholz spricht sich für eine verbesserte internationale Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden aus. Kriminelle Internetangebote sollten, wie dies bei der Wirtschaftskriminalität bereits heute möglich sei, binnen Stunden oder weniger Tage gelöscht und strafrechtlich verfolgt werden können. Dies sei möglich, da die Täter Staaten mit ausgebauter Internetinfrastruktur wie die USA oder die europäischen Länder bevorzugten.

Harsche Worte findet Scholz für den von FDP und Union gefundenen Kompromiss, die Anwendung des Sperrgesetzes für ein Jahr auszusetzen. Dies sei "abenteuerlich", da ein verabschiedetes Gesetz auch zu befolgen sei. Damit sei nun "ein unmöglicher Zustand" eingetreten. Es gebe daher nur einen Weg: "Das Gesetz muss aufgehoben werden."

Aus der Netzszene ist Zustimmung zu vernehmen. Netzpolitik-Blogger Markus Beckedahl sagte heise online: "Wenn jetzt in der SPD Vernunft einkehrt, ist dies erfreulich. Die SPD muss sich aber hart ihr verlorenes Vertrauen wieder erkämpfen." Alvar Freude, der sich im Arbeitskreis Zensur gegen die Internetsperren engagiert, erklärte: "Die Kehrtwende ist zu begrüßen, kommt aber zu spät. Die FDP hat der SPD nun gezeigt, wie man auch ohne in die Kinderschänderfalle zu tappen gegen Internet-Zensur votieren kann.“

Franziska Heine, die die erfolgreiche Online-Petition gegen das Sperrgesetz beim Bundestag eingereicht hatte, meint: "Die SPD hat mit der Zustimmung zum Zugangserschwerungsgesetz einen Fehler gemacht. Dass sie nun bereit ist, ihn einzugestehen, ist gut und richtig." Allerdings sei dies in Anbetracht der anderen innenpolitischen Gesetze, die die SPD in den letzten Jahren mit auf den Weg gebracht habe, "wenig mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein". Die SPD müsse künftig beweisen, "wie ernst es ihr mit einer veränderten Position zu bestimmten Themen wirklich ist, um das in den letzten Jahren verlorene Vertrauen wieder zu gewinnen". (cp)