OOP 2014: Gegen Massenüberwachung und für soziale Verantwortung
Vom 3. bis zum 7. Februar fand zum 23. Mal die OOP in München statt. Die Konferenz, die sich Themen rund um Software Engineering und Management widmet, konnte unter anderem mit Vortragenden wie Martin Fowler locken, der eine ganz besondere Keynote parat hielt.
- Frank Müller
Vom 3. bis zum 7. Februar fand zum 23. Mal die OOP in München statt. Die Konferenz, die sich Themen rund um Software Engineering und Management widmet, konnte unter anderem mit Vortragenden wie Martin Fowler locken, der eine ganz besondere Keynote parat hielt.
Aufgrund von Terminkonflikten im Münchener ICM fand die Softwarekonferenz mit Anfang Februar etwas später als üblich statt. Der Akzeptanz konnte das allerdings nicht schaden. Ganz im Gegenteil präsentierten mehr als 150 Referenten den rund 1800 Teilnehmern viele interessante Beiträge. Die Veranstalter konnten etwa 3 Prozent mehr Besucher als noch im Vorjahr begrüßen.
Für das diesjährige Thema der OOP wählten die Verantwortlichen den Titel "Complexity: Managing today's challenges". Neben den gewohnten Tracks zu Technologien, Architekturen, Soft Skills und Management rückten die Themen Big Data, Clouds, Event Streaming und komplexe Projektsituationen in den Vordergrund. Die Betrachtung der Vortragsinhalte lässt interessante Trends erkennen. So hat sich etwa, was sich auch bei den Ausstellern widerspiegelt, das Thema Agilität etabliert. Teilweise wird der Begriff ähnlich inflationär wie das führende "i" eines kalifornischen Computer-Herstellers verwandt. In weiteren Vorträgen griffen die Referenten auf, dass grundlegende Arbeiten wie ein Requirements Engineering oder das Erstellen einer Architektur nach wie vor notwendig sind. Das "Wie" macht allerdings einen Wandel durch.
Darüber hinaus wurde deutlich, dass die Unified Modeling Language (UML) auf dem Rückzug ist. Mehrere Vorträge starteten mit einer kurzen Abfrage zum Einsatz. Hierbei stellte sich eine deutliche Diskrepanz zwischen Bekanntheit und Nutzung heraus. Als Alternative brachten die Vortragenden häufig leichtgewichtige Methoden ins Spiel, die gerade in der initialen Phase zur Abgrenzung des Systems von Akteuren und Ressourcen sowie der weiteren Verfeinerung dienen.
Alles im Fluss
Ein ähnlicher Wandel zeigte sich bezüglich der Software-Architekturen. Die zentrale Frage lautete häufig: "Was können wir von Internet-Unternehmen lernen?" Hier wurden Ansätze jenseits der großen Container-Lösungen wie JEE gezeigt. Individuelle Anwendungen, die unter einer Web-Oberfläche mit einem gemeinsamen Unternehmens-Branding vereint werden, der bewusste Mix von Techniken oder auch das Event Sourcing mit hieraus gewonnenen individuellen Datenmodellen sind mögliche Alternativen. Mit ihnen sollen sich kürzere Implementierungszeiten und eine bessere Evolvierbarkeit erreichen lassen.
Neben den Vorträgen gehört eine Austellung fest zur Konferenz. Besonders zu erwähnen wären in dem Zusammenhang der gut angenommene Gemeinschaftsstand der Eclipse Foundation und die Ausstellung des Mars Rovers "Curiosity", die den halben Siemens-Stand einnahm.
Ein besonderer Gast war Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs. Im Talk "Mastering the Internet" ging sie ausführlich auf auf den NSA-Skandal ein, zeigte Historie und Auswirkung. Sie ließ es sich nicht nehmen, zur Gegenwehr aufzurufen und machte Mut, nicht vor der aktuellen Macht der Geheimdienste wie der National Security Agency (NSA) oder dem Government Communications Headquarters (GCHQ) zu verzagen. Mit süffisantem Lächeln stellte sie sich die Frage, wie wohl die Bundesanwaltschaft auf ihre Klage gegen die Bundesregierung reagieren werde.
Den Abschluss machte die Keynote von Martin Fowler mit dem Titel "Software Design in the 21st Century". Kennern fiel der häufig von ihm genutzte Titel auf. Auch er erwähnte dies und stellte die Flexibilität der Inhalte unter der generischen Überschrift heraus. Und so wolle er nicht einen langweiligen Vortrag halten, sondern gleich zwei. Der erste trug den Namen "Workflows of Refactoring" und passte zur Erwartungshaltung an den Altmeister der Software-Entwicklung. Spannend war seine Aussage "Refactoring mit Qualität, sauberem Code, Professionalität und der 'richtigen Sache' zu begründen, ist falsch. Das einzig gute Argument ist die Wirtschaftlichkeit." Das Posting der entsprechenden Folie auf Twitter führte zu einem starken Echo.
Aufruf zum Protest
Für den zweiten Teil seiner Ausführungen hatte Fowler laut eigenen Aussagen keinen richtigen Titel gefunden. Er behandelte anfangs mehr den Frust mit der teils falsch verstandenen Agilität, die doch mehr als Einladung an einen dauerhaften Austausch zwischen Kunden und Entwicklern in Gesprächen gedacht sei. Spannenderweise drehte sich sein Beitrag dann. Mit zunehmender Energie ging er auf Dark Patterns ein, mit denen Kunden absichtlich irregeführt und ausgenutzt werden sollen. Er forderte die Entwickler auf, so etwas zurückzuweisen und erinnerte die Zuhörer an ihre Verantwortung. Bei der aktuellen Personalnot, die auch sein Unternehmen spüre, könnte man sich eine solche Position erlauben.
Weiter behandelte er den von seinem Arbeitgeber aufgegriffenen Begriff der Datensparsamkeit, der Informationsmissbrauch erschweren soll. Er ging auf die Privatsphäre in Anwendungen ein und wehrte sich energisch gegen die Diskriminierung von Gruppen und gegen die Bevorzugung des "White Man", die aufhören müsse. Den Höhepunkt bildete ein Aufruf zur Teilnahme an der Aktion "The Day We Fight Back" am 11. Februar 2014. Die Zuhörer sollen mitmachen, Informationen über diese Aktion verbreiten und auch sonst die Spionage erschweren. Als Beispiel nannte er die Nutzung vieler individueller Mailserver statt weniger großer zentraler Anbieter. Die so eingeleitete Schlussphase seines Talks unterbrach das sonst ruhig zuhörende Publikum mehrfach durch Beifall. Mit einem rhetorischen Trick eröffnete er zum Schluss, er hätte nun doch einen Titel für diesen Vortrag, bei dessen Erscheinen auf der Leinwand langanhaltender Applaus ausbrach: "Not just code monkeys".
Die Keynotes wie auch die Diskussionen in den Kaffeepausen zeigten, dass auch in der Enterprise-Software-Entwicklung die soziale Verantwortung Fuß fasst – sicherlich sehr zögerlich, aber es ist ein ermutigender Start. Bleibt zu hoffen, dass sich spätestens auf der nächsten OOP vom 26. Januar bis zum 30. Januar 2015 mehr daraus entwickelt.
Frank Müller
arbeitet als Software Engineer bei Canonical.
(jul)