Satellit zum Sparpreis

Weltraum-Missionen sind nur etwas für reiche Länder? Von wegen. Ingenieure an der Technischen Universität Berlin zeigen, dass Erdbeobachtung für (fast) jeden erschwinglich ist. Im All beginnt damit eine neue Ära.

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  • Keno Verseck

Weltraum-Missionen sind nur etwas für reiche Länder? Von wegen. Ingenieure an der Technischen Universität Berlin zeigen, dass Erdbeobachtung für (fast) jeden erschwinglich ist. Im All beginnt damit eine neue Ära.

Berlin, Marchstraße, im fünften Stockwerk eines Gebäudes der Technischen Universität. Drei junge Raumfahrtingenieure schauen konzentriert und erwartungsvoll auf den Bildschirm an der Wand, Stephan Jahnke, der heute Operator ist, hält seine Hände an der Tastatur bereit. Der Satellit fliegt gerade über Grönland. Gleich wird er aus Sicht der Bodenstation über dem nordwestlichen Horizont auftauchen, die beiden Ultrahochfrequenz-Antennen auf dem Dach haben sich schon automatisch auf ihn ausgerichtet.

Hier, in einem nüchternen, kleinen Universitätsbüro, haben Mitarbeiter des Fachbereichs Raumfahrttechnik das Kontrollzentrum für die Raumfahrtmission BeeSat-2 eingerichtet – ein Dutzend Computer auf weißen Schreibtischen, an der Wand zwei große Bildschirme.

Pünktlich um 8.32 Uhr wird der Satellit über dem Horizont sichtbar, einige Sekunden später hat der angehende Diplomingenieur Stephan Jahnke den Kontakt mit BeeSat-2 hergestellt und schickt Kommandos an den Satelliten. Der Projektchef Sebastian Trowitzsch und sein Kollege Zizung Yoon schauen sich unterdessen die Telemetriedaten an, die der Satellit sendet. Innentemperatur des Satelliten, Batteriespannung, Zustand der Solarmodule – alle Werte liegen in der Norm.

Auf Jahnkes Rechner blinken hinter den Zeilen für die Befehle, die er sendet, an einigen Stellen mal grüne Häkchen, mal rote Kreuze auf. Letzteres bedeutet, dass der Onboard-Rechner des Satelliten die Ausführung eines Befehls nicht bestätigt. „Die Kommunikation ist nicht bestens heute“, sagt Trowitzsch, „wir haben gerade einige Geräte der Bodenstation erneuert, da müssen wir wohl noch einiges besser konfigurieren.“

„BeeSat“, das Akronym für „Berlin Experimental and Educational Satellite“, ist ein Kleinsatelliten-Projekt der TU Berlin. Genauer: ein Picosatelliten-Projekt – dabei handelt es sich um Satelliten mit einer Masse bis zu einem Kilogramm. BeeSat-1 wurde im September 2009 ins All gestartet, BeeSat-2 und -3 folgten im April 2013. Die würfelförmigen Gebilde wiegen zwischen 936 und 980 Gramm und haben eine Kantenlänge von zehn Zentimetern – der sogenannte CubeSat-Standard. Solche Kleinstsatelliten werden an Universitäten in aller Welt meistens von Raumfahrttechnik-Studenten und -Doktoranden zu Ausbildungszwecken gebaut und bei günstigen Gelegenheiten „huckepack“ ins All gestartet – also dann, wenn es beim Start eines großen Satelliten in der Rakete noch freie Nutzlastkapazitäten gibt.

In der Vergangenheit leisteten solche Winzlinge wissenschaftlich und technologisch oft wenig Wegweisendes. Das ändert sich gerade: Kleinstsatelliten entwickeln sich immer mehr zu Wunderwerken miniaturisierter Raumfahrttechnologie. Manche Experten sehen damit bereits eine neue Ära in der Raumfahrt heraufziehen – eine Ära, die Großsatelliten zwar nicht überflüssig macht, in der aber ihre winzigen Geschwister zunehmend anspruchsvolle Missionen übernehmen, von der Kommunikation über Erdbeobachtung bis hin zu interplanetarer Forschung.

Die Entwicklung läuft gerade „ähnlich wie bei der Glühbirne“, sagt der Professor für Luftfahrt-Technologie Jordi Puig-Suari von der California Polytechnic State University. Er hatte zusammen mit Robert Twiggs in den 1990er-Jahren das CubeSat-Konzept erfunden. „Vor ein paar Jahren ging es noch darum, sie effizienter zu machen. Dann kam mit den LEDs eine völlig neue Technologie und änderte alles von Grund auf.“

Damit öffnen sich völlig neue Möglichkeiten. „Durch ihr geringes Gewicht kann man mit Kleinstsatelliten einen großen Teil der Transportkosten einsparen“, erklärt Klaus Brieß, Leiter der Abteilung Raumfahrttechnik an der TU Berlin. Er verweist darauf, dass es derzeit rund 20000 Euro kostet, ein Kilogramm Nutzlast ins All zu bringen. „Zudem können diese winzigen Satelliten viel schneller und wesentlich kostengünstiger entwickelt und außerdem besser in Serien gefertigt werden.“

Hinzu kommt: Mit Satelliten bis zu zehn Kilogramm Gewicht werde man schon bald ganze Netzwerke im All aufbauen können. „Solche Schwärme können kostengünstig zum Beispiel eine viel umfassendere und effizientere Erdbeobachtung vornehmen als ein großer, teurer Satellit, der nur alle 24 Stunden oder alle paar Tage über einen bestimmten Punkt der Erde fliegt“, meint Brieß. „Und wenn mehrere Satelliten im Schwarm ausfallen sollten, ist nicht gleich die ganze Mission gefährdet.“

Was Brieß prognostiziert, könnte schon bald Wirklichkeit werden. Die kalifornische Firma Skybox will noch in diesem Jahr mit dem Aufbau eines Netzwerks aus 24 kleinen Erdbeobachtungssatelliten im Orbit beginnen. Es soll hochauflösende Fotos und sogar Videoaufnahmen zu einem Bruchteil bisheri-ger Kosten liefern, verspricht die Firma. Allerdings wiegen die Skybox-Satelliten immer noch rund 100 Kilogramm ...

(wst)