3-2-1-Ignition?

Ein italienisch-russisches Forschungsteam will mit Hilfe des Ignitor-Reaktors in der Nähe von Moskau die Kernfusionsforschung vorantreiben.

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Von
  • Phil McKenna
  • Niels Boeing

Ein italienisch-russisches Forschungsteam will mit Hilfe des Ignitor-Reaktors in der Nähe von Moskau die Kernfusionsforschung vorantreiben – nicht in Konkurrenz, sondern als Ergänzung zum internationalen ITER-Reaktor.

Kommt sie noch, oder kommt sie nicht mehr? Die Kernfusion als unerschöpfliche Energiequelle der Zukunft ist schon so oft beschworen worden, dass sie heute in der energiepolitischen Diskussion nur noch ein Schattendasein fristet. Ein italienisch-russisches Projekt schickt sich jetzt an, die Entwicklung mit Hilfe eines kleineren Fusionsreaktors in der Nähe von Moskau voranzutreiben.

Bereits im April hatten Italien und Russland eine Zusammenarbeit an dem neuen Reaktor vereinbart. „Die beiden Ministerpräsidenten Putin und Berlusconi nehmen das Projekt sehr ernst“, sagt der MIT-Physiker Bruno Coppi, leitender Fusionsforscher der beteiligten Nationalen Agentur für neue Technologien, Energie und Umwelt (ENEA) von Italien. In Moskau arbeitet Coppi gerade mit seinen russischen Kollegen den Vertrag aus.Der geplante Reaktor soll als so genannter Ignitor konstruiert werden.

Das Ignitor-Konzept ist eine Weiterentwicklung mehrerer Forschungsreaktoren vom Typ „Alcator“, die Coppi seit 1977 am MIT maßgeblich konzipiert hat. Sie erreichen unter den existierenden Fusionsreaktortypen die bislang höchsten Temperaturen und magnetischen Feldstärken. Auch der Ignitor basiert auf der so genannten Tokamak-Konstruktion: In einem Torus-förmigen Behälter – vergleichbar einem aufblasbaren Schwimmreifen – pressen starke Magnetfelder superheißes Wassserstoff-Plasma zusammen. Das Plasma wird dabei elektrisch oder mittels hochfrequenter Radiowellen erhitzt.

Übersteigen Temperatur und Druck bestimmte Werte, sollen sich dann aus Kernen der Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium Heliumkerne bilden. Bei diesem Vorgang würden gewaltige Energiemengen freigesetzt, von denen ein Teil einen Stromgenerator antreiben könnte. Der Rest würde dazu verwendet, um die hohe Arbeitstemperatur zu halten.Im Vergleich zu dem in Südfrankreich geplanten ITER-Reaktor – ITER steht für „International Thermonuclear Experimental Reactor“ –, in dem frühestens ab 2019 Tests laufen könnten, ist der Ignitor deutlich kleiner. Seine Ausmaße erreichen nur ein Sechstel der ITER-Größe: So beträgt der Durchmesser der Fusionskammer lediglich 1,32 Meter.

Dennoch soll aber auch der Ignitor – ebenso wie der ITER-Reaktor - eine sich selbst erhaltende Fusion erzeugen. „Dafür ist er ausgelegt“, bestätigt Coppi.Im Vergleich zum ITER dürfte der Ignitor auch vergleichsweise billig sein. Nach einer Schätzung der ENEA ließe er sich für 226 Millionen Euro bauen – die Baukosten des ITER belaufen sich hingegen auf rund fünf Milliarden Euro. Coppi ist überzeugt davon, dass der Ignitor in drei bis fünf Jahren stehen könnte. „Jetzt ist Eile geboten“, mahnt er. „Ich würde gerne noch zu Lebzeiten eine funktionierende Fusion sehen.“Der Ignitor soll den Fusionsforschern Daten darüber liefern, wie sich ein "brennendes Plasma" unter Bedingungen einer sich selbst erhaltenden Fusion tatsächlich verhält – bislang ist das nur in Simulationen durchgerechnet worden.

Der italienisch-russische Reaktor sei keine Konkurrenz zu dem Milliarden-schweren ITER, versichert Steven Cowley, Direktor des Culham Centre for Fusion Energy bei Oxoford in Großbritannien, das den älteren europäischen Forschungsreaktor JET betreibt. „Der Ignitor wird uns nur einen Teil der Informationen liefern, die wir benötigen“, sagt Cowley. „Es handelt sich um ein Demonstrationsobjekt, wie man eine Zündung in einem Fusionsreaktor hinbekommt, aber er ist keine Vorstufe zu einem voll funktionsfähigen Modell.“Um die Bedingungen für eine Zündung zu realiseren, haben die Forscher ihren Reaktor jedoch etwas abgespeckt. So wollen die Ingenieure beispielsweise die Magnetfelder im Ignitor mit Hilfe von 24 herkömmlichen Kupferspulen zu erzeugen.

Der Haken daran: Kupferspulen halten der nötigen Fusionstemperatur von 100 Million Grad Celsius nur für kurze Zeit stand, so dass der Ignitor für maximal vier Sekunden auf volle Leistung hochgefahren werden kann. Im ITER soll die Spitzenleistung später für 400 Sekunden aufrechterhalten werden.Zudem fehlem dem Ignitor andere wesentliche Komponenten wie der so genannter Brutmantel („breeder blanket“). Der enthält Lithium, das sich in den Elektromagneten befindet, die die Reaktorkammer des ITER umgeben. Aus dem Lithium soll das schwere, radioaktive Wasserstoffisotop Tritium – dessen Kern zwei Neutronen enthält – erbrütet werden. Auf diese Weise könnte der Brutmantel kontinuierlich für Nachschub an Tritium sorgen, das auf der Erde natürlicherweise nicht vorkommt.

Aufgrund seiner kompakten Konstruktion ist in einem Ignitor kein Platz für einen Brutmantel.Ob der italienisch-russische Reaktor die Fusionsforschung sinnvoll ergänzt oder eine Ablenkung vom wichtigeren ITER darstellt, ist allerdings umstritten. Bruno Coppi selbst betont, dass auch die Konstruktion des ITER noch kein Modell für einen industriellen Fusionsreaktor ist. Für den ITER sei ein Energieausbeute-Faktor von 10 geplant – es kommt zehnmal so viel Energie heraus, wie hereingesteckt wurde –, was aber für einen wirtschaftlichen Betrieb nicht genüge. Dafür müsse ein Faktor von 80 erreicht werden, so Coppi.

Günther Hasinger, Direktor des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik in Garching, hat hingegen im Wissenschaftsjournal Nature bezweifelt, dass man das Plasma elektrisch – mit Hilfe von Heizwiderständen – auf die nötige Temperatur erhitzen könne. Für Coppi geht dieser Einwand jedoch an der Sache vorbei: Der Ignitor werde ein anderes elektrisches Verfahren, das Ionen-Cyclotron-Resonanz-Erhitzen, verwenden.Dagegen, dass der Ignitor eine Konkurrenz zum ITER darstellt, spricht nicht nur seine Konstruktion, sondern auch die Zusammensetzung des Projektkonsortiums. Auf russischer Seite ist das Kurtschatow-Institut in Moskau beteiligt – dessen Präsident Jewgenij Welichow zugleich Vorsitzender des ITER-Rates ist. (nbo)