Aus dem Schatten: Babylon 5 wird 30 Jahre alt

Serielles Erzählen über Staffeln hinweg, voll digitale Szenen – 1994 eine Sensation. Babylon 5 lohnt heute noch, auch wenn manches schlecht gealtert ist.

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Babylon 5 ist sowohl düster wie bunt. Die Bildqualität dieser ersten DVD-Ausgabe in 16:9 ist jedoch eine der vermurkstesten Veröffentlichungen der TV-Geschichte.

(Bild: Nico Ernst)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Nico Ernst
Inhaltsverzeichnis

Am 26. Januar 1994 strahlte der Warner-Sender PTEN die erste reguläre Folge der Science-Fiction-Serie Babylon 5 aus. Der Werbetext dafür lautete "Lichtjahre allem anderen voraus, das im Fernsehen läuft" – und dieses Versprechen erfüllte die Serie in fast allen Bereichen. Schon das Setting ist für die damalige Zeit ungewöhnlich: Da gibt es eine acht Kilometer lange Raumstation 10,5 Lichtjahre von der Erde entfernt, auf der sich allerlei Aliens tummeln. Wie sollte man so etwas mit den damals üblichen Modellen darstellen? Und ist das nicht ein dreister Abklatsch von Star Trek: Deep Space 9 (DS9), das genau ein Jahr zuvor angelaufen war?

Die Antwort auf die erste Frage ist: Gar nicht, man nimmt ausschließlich Computeranimation. Das sorgte in der Folge für allerlei Probleme, wie wir gleich noch sehen werden. Und der zweite Punkt ist schnell abgehandelt: Mastermind und Hauptautor Joseph Michael Straczynski hatte schon Jahre zuvor sein Konzept bei Paramount angeboten, und zwar mit allen Unterlagen, wie der "Bibel", wie das Kerndokument bei US-Serienproduktionen genannt wird. Paramount lehnte ab, und kündigte DS9 erst an, als Warner Brothers ihre Pläne für Babylon 5 bekannt gemacht hatten. Wer da von wem geklaut hat, wird sich wohl nie ganz klären lassen. Vielleicht Paramount etwas mehr, als DS9 in späteren Staffeln auch eine durchgehende Geschichte erzählte und Babylon 5 nach den geplanten fünf Staffeln nicht mehr fortgesetzt wurde.

Fest steht aber, dass vor allem das erzählerische Konzept von Babylon 5 Mitte der 1990er-Jahre revolutionär war und ganz auf ein erwachsenes Publikum zielte. Die direkte Konkurrenz, Star Trek, war mit zwei parallelen Serien auf Sendung, auch wenn klar war, dass "The Next Generation" (TNG) Mitte 1994 auslaufen und von DS9 beerbt werden sollte. Was DS9 erst in späteren Staffeln schaffte, war bei Babylon 5 von Anfang an Konzept: Die Serie sollte auf langen Spannungsbögen basieren, die sich über die gesamten fünf Staffeln hinweg erstrecken.

Dieses Konzept war für den US-Fernsehmarkt mit seinen Kabel-TV-Abos reichlich mutig, denn der basierte wirtschaftlich auf dem Prinzip der Syndication. Dabei finanzieren ein Studio oder Sender eine Serie vor, haben das Recht der Erstausstrahlung, und dann wird die Serie für andere Sender lizenziert. Und die strahlen sie dann so aus, wie sie es für richtig halten. Da gibt es Specials zu bestimmten Figuren oder Themen, die lustigsten Episoden, Marathons – und alles in beliebiger Reihenfolge.

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Das funktioniert mit einer Serie wie Babylon 5 natürlich nicht, denn die Folgen bauen aufeinander auf, die Figuren entwickeln sich und wechseln manchmal sogar die Seiten. Und manche sterben auch, was im US-Geschäft ebenfalls als Gift für die Einschaltquoten galt. Heute – siehe Game of Thrones – ist das für anspruchsvolle Serien alles ganz normal. Ebenso galten Themen wie Beziehungsdramen, Drogen und Religion in einer Science-Fiction-Serie als schwierig.

Überhaupt war das "Golden age of Television", das heute ab etwa der Jahrtausendwende eingeschätzt wird, nicht mal absehbar, erst mit Serien wie "Sex and the City" (1998) "The Sopranos" (1999) oder "24" (2001) wagte man sich an komplexe Stoffe mit neuen Erzählformen. Technologie war dabei ein wichtiger Faktor, denn zum einen startete HD-Fernsehen in den USA viel früher als in Europa. Zum anderen gab es mit der DVD ein neues, digitales Medium, das für die Nutzer viel mehr Komfort und Qualität als die Videokassette bot, und für die Studios viel billiger zu produzieren und zu vertreiben war. Beides sorgte für mehr Umsatzmöglichkeiten mit Fernsehstoffen, die dadurch auch teurer produziert werden konnten.

All das war Anfang der 1990er-Jahre, als Straczynski Babylon 5 konzipierte, nicht klar absehbar, auch was Technologie betrifft. In puncto Optik brach das der Serie zu Anfang für manche Science-Fiction-Fans fast das Genick. Auch der Autor dieses Textes fand sich immer wieder aus der Handlung gerissen, wenn die optisch tollen Spielszenen zu einer Außenansicht der Raumstation wechselten, was wirkte, wie von einem Film zu einem Computerspiel umzuschalten. Denn vor allem in der ersten Staffel sehen die computeranimierten Raumschiffe und andere digitalen Effekte schlicht nicht gut aus – wenn man die damaligen Fernsehausstrahlungen betrachtet, spätere Veröffentlichungen sind teils besser.

Die Gründe sind sowohl technisch wie finanziell. Babylon 5 musste nach Schätzungen von Straczynski mit weniger als der Hälfte des Budgets einer Star-Trek-Folge auskommen, rund 650.000 US-Dollar gab er an, wobei für TNG rund 1,5 Millionen ausgegeben werden konnten. Das sieht man der Trek-Serie auch heute noch an, Mehrfachbelichtungen, wiederholbare Kamerafahrten und trickreiches Licht wirken 30 Jahre später noch überzeugend. Teure Modelle der Station und die damit verbundenen Dreharbeiten schieden für Babylon 5 aus, und auch die Computer für die Animationen waren anfangs nicht State-of-the-Art: Mit Turbo-Karten aufgerüstete Amigas waren es zunächst, gefüttert von einem PC als Netzwerkserver. Später kam alles, was aktuell und bezahlbar war, zum Einsatz, vor allem PCs mit Pentium-Prozessoren und DECs Workstations mit Alpha-Chips. Die Software, Lightwave 3D, blieb mit einigen eigenen Modifikationen immer gleich. Die bei Hollywood-Filmen längst angekommenen Maschinen von Silicon Graphics – man denke an Terminator 2 von 1991 – waren für Babylon 5 schlicht zu teuer.

Der Kostendruck führte auch dazu, dass die animierten Szenen zunächst über die Amiga-Steckkarte Video-Toaster als Videomaterial im Zeilensprungverfahren ausgegeben wurden. Und zwar im NTSC-Bildformat von rund 720 x 480 Pixeln. Das wurde, um die Szenen wiederverwenden zu können, bei späteren Staffeln beibehalten. Dieses 4:3-Format kollidierte mit dem auf Filmmaterial im Format Super35 gedrehten Realszenen. Sie waren zwar gestalterisch auf 16:9 ausgelegt, weil man schon an HDTV dachte, aber so gedreht, dass man die Ränder abschneiden konnte um 4:3 zu erhalten. Als Zielformat fürs Fernsehen war immer schon 4:3 geplant, später verlangten einige Sender aber 16:9, und so erschienen auch die ersten DVD-Ausgaben.

Das passt jedoch gar nicht zu den Animationen in 4:3, sodass ohne große Skalierung und geschärfte Hochrechnung einfach in die ohnehin schon unscharfen Videoaufnahmen gezoomt wurde. Besonders fällt das in den Composite-Shots auf, wenn Schauspieler etwa vor einem digitalen Hintergrund aktiv sind. Was dabei, und auch bei späteren Veröffentlichungen, alles noch vermurkst wurde, hat der nach eigenen Angaben erfahrene finnische Techniker Henrik Herranen in einem langen Blogbeitrag mit vielen Beispielbildern zusammengetragen. Der vielfach zitierte Artikel deckt sich mit vielen Aussagen, die Straczynski über die Jahre immer wieder gemacht hat.

Denn das Marketing und die Fanbetreuung über das Netz war ebenfalls ein Feld, bei dem Babylon 5 innovativ war – eigentlich vor allem sein Schöpfer Straczynski. Er kommunizierte von Anfang an über das Usenet und proprietäre Dienste wie Compuserve mit den Fans, beantwortete Fragen und gab ein bisschen Einblick in kommenden Folgen. Heute würde man das Influencer-Marketing nennen. Straczynski hat das, teils mit Pausen, vorwiegend auf Twitter, später X, bis heute aufrechterhalten.

Ein in den 1990ern bei Fernsehproduktionen meist stiefmütterlich behandeltes Thema hat Babylon 5, anders als bei den visuellen Effekten, jedoch gleich richtig gemacht: den Ton. Und zum Glück hat auch die deutsche Synchronisation den Surround-Mix weitgehend erhalten. Im Vorspann jeder Folge prangt stolz: "Presented in Dolby Surround", was in diesem Fall Dolby Pro Logic bedeutet, also mit zwei Stereokanälen und einer Spur für Center- und Surround-Lautsprecher (4.0). Wer damals schon eine Surroundanlage besaß, konnte damit richtig Eindruck machen. Aber darum geht es ja nur am Rande, wichtiger ist auch beim Schauen allein, wie Straczynski und seine Mitstreiter wie der Komponist und Produzent Christopher Franke den Ton eingesetzt haben.

Nicht nur kommen die Raumschiffe und die Weltraumschlachten immer aus der richtigen Richtung, auch Dialoge und Umgebungsgeräusche waren fast immer richtig gesetzt. Auch Musik ist nicht stur frontlastig auf die Stereokanäle gemischt, sondern da, wo es passt, auch raumfüllend ohne den Zuhörer ständig zu erschlagen. Wohlgemerkt: Das ist auf die 1990er-Jahre bezogen, im Vergleich mit heutigen Produktionen wirken die Synthi-Orgien in Verbindung mit einem echten Orchester sowie die Effekte in einem modernen Heimkino bisweilen schon etwas aufdringlich.

Erst mit einer vollständigen Restauration für den Streamingdienst HBO Max wurde Babylon 5 im Jahr 2021 so veröffentlicht, wie sich die Macher das wohl vor dreißig Jahren gedacht hatten. Das Bildformat bleibt bei 4:3, die Realszenen wurden vom Filmmaterial abgetastet und die digitalen Elemente mit moderner Software vom Zeilensprung befreit, auf Full-HD hochskaliert, geschärft und generell geputzt. Dass das immer noch sehr nach den 1990ern aussieht, kann man verschmerzen. Denn der Look bei Kostümen und Special-Effects-Makeup für die Aliens entspricht ebenfalls den Trends der Zeit.

Wieder einmal war hier wohl das Budget zu klein, um wie beim HD-Master von Star Trek: The Next Generation alle digitalen Effekte komplett neu zu erstellen. Auf der HD-Version von HBO basiert auch die erste Blu-ray-Veröffentlichung der Serie, die 2023 erschien. Dass sich einige Fans darüber beschweren, dass auch hier 4:3 gewählt wurde, kann wohl nur daran liegen, dass sie die gruseligen 16:9-Versionen der ersten DVDs nie gesehen haben.

2023 erschien relativ überraschend der Animationsfilm "Babylon5: The Road Home", der direkt an das Ende der Serie anknüpft. Es war das erste Lebenszeichen der Marke, nachdem zuvor noch einige Fernsehfilme und die recht erfolglose Serie "Crusade" erschienen waren. Crusade wurde nach nur einer Staffel abgesetzt. Bereits 2021 hatte Straczynski angekündigt, zusammen mit Warner an einer Vorproduktion einer Neuauflage der originalen Serie zu arbeiten. Diese Pläne hat er seitdem nicht widerrufen, dennoch ist es ruhig um dieses Projekt geworden. Es soll, falls es denn je entsteht, die Geschichte so erzählen, wie Straczynski die Serie heute gestalten wolle, sagte der Babylon-Erfinder vor drei Jahren.

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