40 Jahre Blue Thunder – Das fliegende Auge

Am 5. Februar 1983 startet "Das fliegende Auge" im Kino. Der Actionfilm um einen bewaffneten Hightech-Hubschrauber will vor staatlicher Überwachung warnen.

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Von
  • René Meyer
Inhaltsverzeichnis

In "Blue Thunder" wird der Hubschrauber-Polizist Frank Murphy aus Los Angeles eingeladen, einen Prototyp zu testen. Ein fliegendes Elektronik-Labor. Es beherrscht Kunststücke, die man noch nicht auf der Kinoleinwand gesehen hat. Eine Bord-Kanone, die sich synchron mit dem Helm bewegt. Zielerfassung. Nachtsicht. Röntgen-Augen, die Umrisse von Personen durch Wände hindurch sehen. Hochleistungs-Ohren, die deren Gespräche abhören und aufzeichnen. Einen Flüster-Modus. Zugriff auf Computer-Datenbanken. Und ein Mobiltelefon.

Das kennt man allenfalls von James Bond und Science Fiction. Bei "Blue Thunder" allerdings sei alles echt und bereits im Einsatz, verspricht der Vorspann des Films. Regisseur John Badham: "Jeder ist irgendwo in einem Computer registriert. Dort ist sehr viel mehr aufgezeichnet, als wir zulassen würden." Big Brother und sein Eindringen in das Private ist das Leitmotiv des Films – auch wenn es unter all der Action zuweilen untergeht.

Man wolle keine Wiederholung von München, erklären im Film die Erfinder der Wunderkiste mit Blick auf die Olympischen Spiele 1984 in Los Angeles. München 1972, als Terroristen in das Olympische Dorf eindringen und elf israelische Sportler ums Leben kommen.

Doch Murphy findet heraus, dass Aufstände in Problemvierteln angezettelt werden, um die Schlagkraft von Blue Thunder zu demonstrieren. Und dass eine Stadträtin getötet wird, weil sie dahintergekommen ist; hinter das Projekt THOR – Tactical Helicopter Offensive Response.

Ironischerweise sind es die Fähigkeiten von Blue Thunder selbst, mit denen Murphy ein Treffen der Drahtzieher belauscht und aufzeichnet. Als sein Partner getötet wird, um an das Band zu gelangen, und er selbst unter Verdacht gerät, der Täter zu sein, stiehlt er den Feuervogel und übermittelt die Beweise an einen TV-Sender. Ein klassisches Hitchcock-Dilemma: Ein Unschuldiger kann nicht zur Polizei und wird von den Verbrechern wie von den Behörden gleichermaßen gesucht.

Erst als es zur Gewalt kommt, ist für Murphy, der als Vietnam-Veteran tagtäglich von Alpträumen heimgesucht wird, die Grenze überschritten. Andere Rechte kümmern ihn wenig. Die Fähigkeiten von Blue Thunder probiert man aus, indem man die Brüste einer Frau heranzoomt und ein Paar in seinem Schlafzimmer beim Sex belauscht (und das Stöhnen über den Außenlautsprecher in die Nacht pustet). In einer eigentümlichen Szene starren Murphy und sein Partner Lymangood minutenlang mit dem Fernglas in ein Wohnzimmer, um eine nackte Frau bei ihren allabendlichen Yoga-Übungen zu beobachten. Die Polizei, die Grundrechte schützen soll, wird selbst zum Voyeur. Schöne neue Welt.

(Die Szenen werden auch in einer entschärften Version im Bikini für das Fernsehen aufgenommen. Die geheimnisvolle Frau ist übrigens Ana Forrest, seit vielen Jahren eine der bekanntesten Yoga-Lehrerinnen.)

Die Idee zum Film stammt von Dan O'Bannon. Der dreht zusammen mit John Carpenter als Studentenprojekt "Dark Star" und übernimmt auch eine der wenigen Rollen des heutigen Kultfilms. Sein großer Durchbruch ist das Drehbuch zu "Alien" (ab 41,99 €). Als der Film gerade in den Kinos läuft, überlegt er zusammen mit Don Jakoby, wie er die frisch erworbene Reputation für ein neues Skript nutzen kann. "Taxi Driver" mit Robert De Niro kommt ihnen in den Sinn, und als sie im Hotelzimmer von einem Polizei-Hubschrauber gestört werden, entsteht die Idee eines Amokläufers in der Luft.

Als Regisseur für das Projekt stößt John Badham dazu. Der 1977 mit dem Disco-Film "Saturday Night Fever" John Travolta und die Bee Gees zu Stars macht. Der danach mit dem Horrorfilm "Dracula" und dem Sterbehilfe-Drama "Ist das nicht mein Leben?" seine Wandlungsfähigkeit beweist. Nun also ein Polit-Actionthriller.

Sowohl Columbia wie John Badham wollen weniger Psychodrama und weniger Politik und mehr Abenteuer, mit einer Prise Humor. Sie wolllen einen sympathischen Helden. "Dan O'Bannon schrieb ihn viel verstörter, viel negativer, viel näher am Rande des Wahnsinns. Während wir an der Figur arbeiteten, machten wir sie eher zu jemandem, der zwar aufgewühlt, aber nicht verrückt ist."

In die Rolle dieses Heli-Polizisten schlüpft Roy Scheider. Er hat seinen Durchbruch als Polizeichef Brody in "Der weiße Hai" (und einen deutschen Vater, übrigens). Er ist auch im zweiten Teil dabei, und man sagt, er hätte die Rolle in "Blue Thunder" übernommen, um nicht im dritten Teil mitspielen zu müssen.

Die Armband-Uhr, mit der er mehrfach auffällig einen Countdown einstellt, ist eine Casio 103 AA-85; heute wegen des Films ein begehrtes Sammlerstück.

Seinen Partner, den Neuling Richard Lymangood, übernimmt Daniel Stern; am besten bekannt als Einbrecher Marv in "Kevin allein zu Haus". John Badham lässt ihn im Film sterben; eine Entscheidung, die das Publikum bestürzt. Damals scheint sie plausibel als Motivation für Murphy; später überlegt sich Badham, dass eine schwere Verletzung (wie etwa bei "Beverly Hills Cop 2") vermutlich die gleiche Wirkung erzielt hätte.

Candy Clark spielt Kate, die Freundin von Roy Scheider. Gleich ihre zweite Rolle, zehn Jahre zuvor, ist ein großer Wurf: "American Graffiti" von George Lucas. Sie wird als beste Nebendarstellerin für einen Oscar nominiert, unterliegt aber der erst zehnjährigen Tatum O'Neal; bis heute die jüngste Gewinnerin eines regulären Oscars (regulären: weil Shirley Temple 1928 im Alter von sechs einen damals verliehenen Kinder-Oscar erhält). "American Graffiti" kostet 770.000 Dollar und spielt 140 Millionen ein – was Lucas die Türen öffnet, sein Wunschprojekt umzusetzen. "Star Wars". Auch hier wäre Candy Clark gern dabei, doch Lucas erklärt ihr, dass er keine Schauspieler aus "Graffiti" auf einem anderen Planeten sehen will. (Was bei Harrison Ford, der in "Graffiti" eine kleine Rolle hat, nicht ganz klappt.)

Als Gegenspieler wird der Australier Bryan Brown ausgewählt, den man am besten aus "F.X. – Tödliche Tricks" kennt. Als er wegen seiner Hauptrolle in dem Vierteiler "Die Dornenvögel" absagen muss, wird kurzfristig ein Ersatz gefunden: Malcolm MacDowell. Der Hauptdarsteller aus Stanley Kubricks "Uhrwerk Orange" und unter Star-Trek-Fans berüchtigt, weil er im siebten Spielfilm "Treffen der Generationen" Kirk tötet.

Ihm ist nicht bewusst, dass er für seine Rolle tatsächlich in einen Hubschrauber steigen muss, denn er hat panische Angst vor dem Fliegen. Nach der ersten Runde stürzt er heraus und übergibt sich. Wenn er im Cockpit zu sehen ist, macht er nicht nur deswegen ein versteinertes Gesicht, weil er der Bösewicht ist, sondern weil er halsbrecherische Stunt-Flüge durch die Wolkenkratzer von Los Angeles ertragen muss. In einer Aufnahme schaut er so erschrocken aus, dass man sie wiederholen muss. Währenddessen fragt sich seine damalige Frau Mary Steenburgen (die Clara aus "Zurück in die Zukunft 3"), wie sie ihren frisch angetrauten Ehemann in einen Helikopter bekommen haben, während sie ihn nicht mal zu einem Linienflug überreden kann.

Gewidmet ist der Film Warren Oates, der Roy Scheiders Chef spielt: Er stirbt wenige Wochen nach den Dreharbeiten, im Alter von 53, an einem Herzversagen.

40 Jahre "Das fliegende Auge" – Blue Thunder (63 Bilder)

Szenen aus "Das fliegende Auge"
(Bild: Columbia Pictures/Sony Pictures Home Entertainment)

Eine ganze Reihe kleiner Rollen werden vom Team übernommen. Regisseur John Badham ist kurz zu sehen, im gelben Pullover als Techniker im TV-Sender. Seine Tochter ist unter den Schaulustigen nach dem Mord an Lymangood. Einer der Produzenten, Phil Feldman, will unbedingt eine Mini-Rolle und findet sich als Air-Force-Major wieder, der die zwei F-16 anbietet. Einer der F-16-Piloten ist der Cutter Frank Morriss. Die bekannteste Cameo-Rolle: TV-Moderator Mario Machado spielt sich selbst.

Lange sucht man nach einem passenden Hubschrauber. Die meisten Modelle sind rund und stromlinienförmig. Schließlich entscheidet man sich für die längliche Gazelle des französischen Herstellers Aérospatiale und baut deren Cockpit um. Männlicher, kriegerischer – wie ein Insekt. Man recherchiert, was so eine fliegende Waffe können sollte, und bringt allerlei Anbauten an. Da Blue Thunder regulär fliegen können soll, muss jede Änderung von der Luftfahrtbehörde genehmigt werden. Und damit man ein Backup hat, falls Blue Thunder ausfällt, baut man zwei identische Modelle. Die Hubschrauber sind so vollgestopft mit Technik (und in der Regel mit einem Kameramann), dass sie sich nur träge fliegen lassen; kein Vergleich zu den wendigen Bell Rangers, mit denen Murphy sonst unterwegs ist.

Die Polizei unterstützt die Dreharbeiten (zumal im Laufe der Drehbuch-Entwicklung das LAPD die Guten und die Bundespolizei die Bösen werden). Sie stellt sogar die sich noch im Bau befindende und somit noch nicht genutzte Zentrale der Air Support Division zur Verfügung, das Piper Tech, das C. Erwin Piper Technical Center. Sitz vieler Behörden und der größte Hubschrauber-Landeplatz der Welt auf einem Dach. Als sehr nützlich erweist sich dort die Heli-Garage mit Werkstatt. Die Crew baut daneben ein Set für die Büros der Hubschrauber-Einheit auf. Der Blick auf das pulsierende Nachtleben von Los Angeles ist geschummelt: statt Fenster wird eine Leinwand mit einer Projektion aufgespannt.

Nur eines möchte das LAPD nicht: dass sein Name mit dem Film in Verbindung gebracht wird. Daher heißt die Flugstaffel im Film "Astro Division"; in Anlehnung an ASTRO, Air Support to Regular Operations, die Unterstützung der Polizei-Arbeit auf dem Boden, wie sie im Film demonstriert wird.

Für die Macher des Films steht Glaubwürdigkeit an oberster Stelle. An Computer-Tricks ist ohnehin noch nicht zu denken. Nahezu alle Flug-Szenen sind echt; sie werden in der Luft gedreht. Es gibt feste Kameras, die an einem Hubschrauber montiert sind; manches wird vom Boden aus gefilmt; selten verwendet man Plastikmodelle.

Aber meistens wird von Kameras aus einem weiteren Hubschrauber aufgenommen. Komplexe Szenen wie eine Verfolgungsjagd in der Luft werden von sechs bis acht Kameras gleichzeitig eingefangen. Keine Tricks: Die Hubschrauber brausen tatsächlich nur wenige Zentimeter über dem Boden unter Brücken hindurch und an Wolkenkratzern vorbei. Nur beim Aufprall eines Polizei-Hubschraubers gegen einen Pfeiler hilft man nach: Die Maschine ist aus Holz und wird gezogen. Und der Looping ist gemogelt: In dieser Szene wird ein ferngesteuertes Modell verwendet.

Die Hubschrauber müssen aus Sicherheitsgründen in einer Höhe von mindestens 1.000 Fuß (300 Meter) über Los Angeles fliegen. In Szenen, bei denen sie sehr niedrig schweben, 50 Fuß (ca. 15 m), muss der Bereich abgesperrt werden; im Film zu sehen sind nur Autos, die von der Crew gesteuert werden. Auch Stromleitungen werden stellenweise entfernt.

In Downtown darf die Crew nur sonntags drehen, wenn die Straßen leer sind. Das führt zu Zeitdruck, zumal im Winter gedreht wird, während die Tage kürzer sind: Im Dezember hat Los Angeles 7 Sonnenstunden, nur halb soviel wie im Sommer.

Die längsten Szenen finden entlang des kilometerlangen Beton-Kanals statt (der auch in "Terminator 2" Schauplatz ist) sowie um noch unbewohnte Wolkenkratzer, von denen Anfang der Achtzigerjahre in Downtown Los Angeles viele errichtet werden. Das Finale ist auf einem verlassenen Fabrikgelände; und die Villa der Stadträtin steht auf dem Gelände von Warner (sie dient auch als Haus von Murtaugh in "Lethal Weapon").

An einer Stelle meinen es die Macher zu echt: Eine kurze Live-Schalte über den Tod der Stadträtin soll vor einem Krankenhaus gedreht werden. Sie erhalten keine Genehmigung, doch Badham stört das nicht. Er gibt seinem Assistenten über Funk durch: "Sag dem Krankenhaus-Chef, wo er sich hinscheren kann. Ich drehe hier und bin weg, bevor er merkt, was los ist." Der Assistent schluckend: "Ich stehe hier neben dem Krankenhaus-Chef. Er hat alles gehört, was Du gesagt hast." Und Badham: "Dann beeilen wir uns mal."

Eine Szene, bei der Kates Wagen auf zwei Rädern durch eine enge Gasse jagt, fällt später heraus: Sie sieht zu sehr nach James Bond aus. (Übrigens: Auch Candy Clark steuert die meisten Szenen in ihrem Fahrzeug selbst.

Für die optischen Effekte stößt Hoyt Yeatman zum Team, der an zahllosen Blockbustern mitwirkt (was bei James Camerons "The Abyss" mit einem Oscar belohnt wird).

Besonders kompliziert sind die Nachtszenen. Damit Blue Thunder gut in der Dunkelheit zu sehen ist, probiert man, ihn durch einen zweiten Hubschrauber anzuleuchten. Das Ergebnis überzeugt nicht. So kommt man auf die Idee, an Blue Thunder selbst Lampen anzubringen, etwa an der Unterseite der Kufen, die ihn bestrahlen.

Am stärksten geschummelt wird bei den zwei F-16, die Blue Thunder abschießen sollen: Hier kommen zwei Modell-Baukästen von Tamiya zum Einsatz.

Aufwendig ist die Szene, bei der Blue Thunder mit einem Wärmesensor durch die Wände schaut und die im Raum befindlichen Personen als Umrisse darstellt. Die Schauspieler tragen weiße Anzüge und ein weißes Make-up und stehen auf einer schwarzen Bühne in der Größe des Büros. Die Aufnahmen werden durch konventionelle Videoeffekte verfremdet; und am Ende schaut es so aus, als wenn sie die Körperwärme reflektieren.

In einer der bekanntesten Szenen schießt Blue Thunder einen Polizeiwagen in zwei Hälften. Das Fahrzeug wird so präpariert, dass es während der Fahrt auseinanderbricht und der vordere Teil allein weiterfährt; dank zweier zusätzlicher, nicht zu sehender Räder.

Sogar die vielen Brathähnchen, die nach dem Beschuss der Imbiss-Bude durch die Luft wirbeln (und später von Obdachlosen eingesammelt werden), sind echt: Badham kann sie im Supermarkt für 2,50 Dollar bekommen, während Attrappen aus Gummi 20 Dollar gekostet hätten.

Mitten im Geschehen: Star Roy Scheider, der meistens tatsächlich im Helikopter sitzt – er lernt während der Produktion des Films fliegen –, übernimmt in einigen Szenen sogar das Steuer. Natürlich nicht während der Stunts. Hier verlässt sich John Badham auf Jim Gavin, der als Stunt-Koordinator, Luft-Regisseur und Pilot fungiert. Nur die nächtlichen Nahaufnahmen der Köpfe entstehen im Studio, damit man per Rückprojektion das leuchtende Los Angeles zeigen kann.

Nie zuvor hat man so realistische Hubschrauber-Szenen gesehen. Und nie wieder danach. Aufnahmen, in denen die Schauspieler selbst in einen Hubschrauber steigen und in die Lüfte heben, sind heute kaum noch denkbar.

Wenige Wochen nach dem Start des Films passiert das schrecklichste Unglück in der Geschichte Hollywoods. Bei den Dreharbeiten des Episodenfilms "Unheimliche Schattenlichter", im Original "Twilight Zone – The Movie", wird der Vietnam-Krieg nachgestellt. Ein brennendes Dorf, Explosionen, Rauchschwaden, ein niedrig fliegender Hubschrauber. Und mittendrin Vic Morrow (der Vater von Jennifer Jason Leigh), der zwei Kinder aus der Apokalypse retten will. Die Explosivgeschosse treffen den Hubschrauber, der auf die drei Darsteller stürzt. Morrow und ein Kind werden von einem Rotorblatt regelrecht geköpft; das andere wird von einer Kufe durchbohrt. Ursache ist Leichtsinn – Regisseur John Landis will spektakuläre Aufnahmen, fordert immer mehr Explosionen und einen immer tieferen Hubschrauber. Es gibt zu wenig Absprachen und der Pilot ist nicht erfahren genug.

Nach der Tragödie ruft John Badham seinen Chef-Piloten Jim Gavin an und bedankt sich für dessen Umsicht, die ihn während des Drehs noch zur Weißglut treibt. Wie etwa sein Verbot, von einem Kamerakran aus zu filmen.

Dabei gibt es auch in "Das fliegende Auge" mehr als genug gefährliche Momente. Beim Finale lösen sich die Gurte des Kameramanns, der außen auf den Kufen von Blue Thunder steht. Pilot Jim Gavin muss ihm helfen, während Roy Scheider das Steuer übernimmt und den Vogel landet. Bei einem anderen Helikopter explodiert der Motor. Badham befürchtet das Schlimmste, doch der Pilot hat Abstürze in Vietnam oft genug geübt und kann den Hubschrauber landen, mit einem Feuerlöscher in der Hand herausspringen und den Brand löschen. Ein Kameramann wird um Haar von einem Polizeiwagen überfahren und der Fahrer eines Polizei-Motorrads, das unter einen Laster schlittert, bricht sich dabei den Knöchel.

Die flotte Synthesizer-Musik wertet "Das fliegende Auge" stark auf. Sie ist zu dieser Zeit immer noch auffällig ungewöhnlich, wenngleich sie nur Filmen wie "Blade Runner" und "TRON" folgt. Komponist ist Arthur B. Rubinstein, der zunächst klassische Soundtracks schreibt und 1980 den Einstieg ins Elektronische findet – und beide Welten gern miteinander verbindet.

Der Film ist für Ende 1982 anvisiert, aber startet in den USA erst am 13. Mai 1983: Das Zusammenschneiden der vielen, von mehreren Kameras gleichzeitig aufgefangenen Action-Szenen ist ein Alptraum.

"Blue Thunder" landet mit 42 Millionen Dollar Einspielergebnissen nur auf Platz 17 der Jahres-Charts. Aber er löst, zusammen mit der Serie "Knight Rider", eine Welle aus. Nur wenige Monate später, Anfang 1984, erscheint die Serie zum Film. Mit anderen Schauspielern und vor allem mit viel weniger Budget, das keine Aufnahmen aus der Luft erlaubt, wirkt es eher wie eine Parodie. Nur 11 Folgen werden ausgestrahlt. Ein Jahr später probiert es ABC erneut mit der Serie "Street Hawk" um ein Super-Motorrad, mit der Musik von Tangerine Dream; doch auch sie wird nach 13 Folgen eingestellt. Mehr Erfolg hat 1984 die Serie "Airwolf" mit einem umgebauten Hubschrauber von Bell; sie schafft es auf vier Staffeln. Nicht zu vergessen, der Spielfilm "Black Moon" von 1986 mit Linda Hamilton und Tommy Lee Jones um ein Hightech-Auto. Einen kleinen Auftritt hat Blue Thunder zudem im Pilotfilm der Serie "MacGyver".

In der Bundesrepublik startet "Blue Thunder" bereits drei Monate eher, am 5. Februar 1983, unter dem hübschen deutschen Titel "Das fliegende Auge". Damit steht man allein: In den meisten anderen Ländern hat man den Originaltitel erhalten oder "Blauer Donner" in die Landessprache übersetzt. Denn während in der deutschen Version "Das fliegende Auge" als Spitzname für "Blue Thunder" genannt wird, ist im Original "Blue Thunder" bereits der Spitzname (für die offizielle Bezeichnung "The Special").

Das spöttische Kürzel JAFO auf Lymangoods Mütze, im Original für Just Another Fucking Observer (Nur ein weiterer verdammter Beobachter) wird im Deutschen hingegen zum fragwürdigen "Junger Arsch Fliegt, Oh Gott". Inwieweit die Abkürzung ihren Ursprung bei Aufklärern im Vietnam-Krieg hat, bleibt unklar; vieles spricht dafür, dass sie erst durch den Film populär wird.

In der Bundesrepublik kommt er auf Platz 9 der Kino-Charts 1983, mit 2,3 Millionen Zuschauern ungefähr gleichauf mit "Rambo" und dem Oscar-Gewinner "Gandhi".

Auch in der DDR läuft der Film ab dem 20. Juli 1984. Wenngleich Blockbuster aus Hollywood hinter dem eisernen Vorhang nichts Ungewöhnliches mehr sind, ist so viel Action auf ostdeutschen Kino-Leinwänden selten. Während sich die Besucher an einem coolen Helden mit Digitaluhr und einem schicken Sportwagen (einem Pontiac Firebird Trans Am Turbo) erfreuen, geht es der Staatsführung eher um den Beleg, dass der Westen neue Technik am ehesten für Kriege einsetzt. Und vielleicht auch um die Rechtfertigung, dass der Ostblock die Olympischen Spiele 1984 boykottiert.

1984 erscheint das Spiel "Blue Thunder", für Commodore 64, ZX Spectrum und Atari-Computer. Lizenziert schaut es nicht aus; abgesehen von einem Hubschrauber hat es inhaltlich nicht viel mit Film und Serie zu tun. Zu einer Lizenz kommt es irgendwie doch noch: Die Atari-Version wird zum offiziellen Spiel für "Airwolf".

Nach "Blue Thunder" kann John Badham einen weiteren Kultfilm der Achtziger umsetzen: "WarGames – Kriegsspiele" mit Matthew Broderick. Der wird bereits seit 12 Tagen gedreht, als MGM den Regisseur Martin Brest abzieht, weil das Vorgehen zu düster geraten gerät. Mit der flippigen Musik von Arthur B. Rubinstein wird "WarGames" ein Erfolg, der drei Oscar-Nominierungen erhält.

Das Leitmotiv Überwachung und ein ungleiches Paar begleiten Badham danach bei vielen Filmen. "Nummer 5 lebt!" über einen Militär-Roboter, der vom Blitz getroffen wird und Gefühle entwickelt – mit Ally Sheedy, der Hauptdarstellerin aus "WarGames" (ab 36,80 €). "Die Nacht hat viele Augen", bei dem ein Polizisten-Duo die Geliebte eines Flüchtigen beschattet. "Ein Vogel auf dem Drahtseil", bei dem eine Frau ihren totgeglaubten Freund wiedertrifft, der seit 15 Jahren im Zeugenschutzprogramm lebt. Der Echtzeit-Thriller "Gegen die Zeit", bei dem Johnny Depp ständig überwacht und erpresst wird, eine Politikerin zu töten. Seit den neunziger Jahren arbeitet Badham überwiegend für TV-Serien wie "Supernatural", schreibt Bücher und unterrichtet Filmstudenten.

2015 erscheinen Berichte über eine Neuverfilmung von "Blue Thunder", doch seitdem scheint das Vorhaben zu ruhen.

(bme)