Alzheimer: Ein Gen macht Frauen anfälliger für Demenz

Frauen sind häufiger und stärker von Alzheimer betroffen als Männer. Nun haben Forschende ein Gen gefunden, das das Risiko speziell für Frauen erhöht.

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Alzheimer trifft oft ältere Menschen.

(Bild: StF-management/Shutterstock.com)

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Die Alzheimer-Erkrankung ist nach wie vor eine geheimnisvolle Krankheit – und der Hauptauslöser für Demenz. Der schleichende Verfall kognitiver, emotionaler und sozialer Fähigkeiten betrifft weltweit nach aktuellen Schätzungen von Alzheimer’s Disease International (ADI) etwa 47 Millionen Menschen und ist inzwischen die siebthäufigste Todesursache weltweit. Allein in Deutschland leben nach Angaben der Deutschen Alzheimer Gesellschaft etwa 1,6 Millionen Menschen mit Demenz – und die meisten von ihnen sind Alzheimer-Patienten.

Was die Krankheit auslöst, ist fast 120 Jahre nach ihrer Entdeckung noch immer nicht wirklich geklärt. Ein ebenso großes Rätsel ist, weshalb etwa zwei Dritte der Demenzkranken Frauen sind – und zudem meist noch schwerer erkranken als männliche Patienten. Viele Faktoren stehen im Verdacht, Frauen besonders anfällig für die Entstehung der gehirnschädigenden Eiweiß-Plaques zu machen: Frauen leben länger als Männer und das Risiko steigt mit dem Alter. Es gibt Hinweise, dass die Anzahl der Kinder und die Länge der reproduktiven Phase einer Frau Einfluss auf das Demenzrisiko hat – im Zusammenhang mit dem Östrogenspiegel. Anfang des Jahres haben Forschende der Emory University School of Medicine in Nature veröffentlicht, dass ein anderes Hormon Alzheimer bei Frauen auslösen könnte: Das follikelstimulierende Hormon FSH, das die Hypophyse zu Beginn der Menopause vermehrt ausschüttet.

Und parallel zu all diesen Theorien stehen noch die Gene im Verdacht. Der Apolipoprotein-E-(ApoE-)Genotyp ist der größte bislang bekannte genetische Risikofaktor für Alzheimer-Demenz. Das ApoE-Protein transportiert Cholesterin unter anderem zu Neuronen, die es für die Myelinproduktion und somit für den Signalaustausch benötigen.

ApoE-e4 ist zwar ein Risikofaktor für Alzheimer, löst die Krankheit jedoch nicht zwangsläufig aus: Viele gesunde ältere Menschen sind ApoE-e4-positiv und ein großer Anteil der Alzheimer-Patienten durchaus ApoE-e4-negativ. Etwa ein Viertel der Menschen mit einem europäischen genetischen Hintergrund tragen diese Genvariante. Unter den Alzheimer-Patienten sind es 60 Prozent. Forschende der University of Chicago und der Boston University School of Medicine haben daraus geschlossen, dass es noch andere Gene geben muss, die Menschen anfällig für Alzheimer machen. Und sie sind fündig geworden: Das Gen MGMT erhöht das Alzheimer-Risiko bei Frauen.

Gefunden haben sie diesen Zusammenhang durch zwei genomweite Assoziationsstudien. Bei dieser Art der Studien, untersuchen die Forschenden zwei Gruppen: Die Vergleichsgruppe zeigt keine Anzeichen der Krankheit – oder auch eines anderen Merkmals –, während die zweite Gruppe die Merkmale zeigt, zu denen die passenden Gene gesucht werden. Von beiden Gruppen werden DNA-Proben genommen und auf Unterschiede untersucht.

In der ersten ihrer beiden Studien haben die Forschenden Demente in einer Großfamilie der Hutterer untersucht. Das ist eine in den USA und Kanada lebende Glaubensgemeinschaft, die ursprünglich aus Europa stammt. Sie hat sich nach dem Täufer Jakob Hutter benannt. Die Hutterer leben in geschlossenen Kolonien und haben über die Jahrhunderte, in denen die Gemeinschaften existieren (die erste Kolonie wurde 1528 gegründet) einen isolierten, relativ kleinen Genpool entwickelt. In der Studie waren die an Alzheimer erkrankten Personen ausschließlich Frauen.

In der zweiten Studie sind die Chicagoer einem Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Alzheimer und Brustkrebs nachgegangen. Sie haben die genetischen Daten einer Gruppe von 10.340 Frauen untersucht, die ApoE-e4-negativ waren – also die bekannteste genetische Anfälligkeit für Alzheimer nicht in ihren Genen hatten. In beiden Datensätzen fanden sie einen direkten und starken Zusammenhang zwischen dem Gen MGMT und der Entwicklung von Alzheimer.

"Dies ist eine der wenigen und vielleicht die stärkste Assoziation eines genetischen Risikofaktors für Alzheimer, der spezifisch für Frauen ist", sagte Lindsay Farrer, PhD, Leiterin der biomedizinischen Genetik am BUSM und leitende Autorin der Studie. "Dieses Ergebnis ist besonders robust, weil es unabhängig voneinander in zwei verschiedenen Populationen mit unterschiedlichen Ansätzen entdeckt wurde."

(jsc)