Atomkraft: Schon wieder aufbereitet

Kernenergie ist umstritten und teuer. Jetzt sollen massive staatliche Subven­tionen dem kränkelnden Sektor neues Leben einhauchen.

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Symbolbild Atomkraftwerk: Block 3 des Kernreaktors Olkiluoto in Finnland geht frühestens 2022 ans Netz – zehn Jahre später als geplant.

(Bild: Nicolas Hippert (Unsplash))

Lesezeit: 3 Min.

Na also, geht ja doch, wird sich so mancher Atommanager im Spätsommer dieses Jahres gedacht haben. Denn Anfang August ging in den Vereinigten Arabischen Emiraten das Atomkraftwerk Barakah – Arabisch für „göttlicher Segen“ – in Betrieb.

Die Planungs- und Bauzeit dauerte nur zwölf Jahre. Vergleicht man das mit der ewigen Geschichte im finnischen Olkiluoto – der Reaktor sollte 2012 ans Netz gehen, wird aber frühestens 2022 Strom produzieren –, war das geradezu ein Express-Projekt. Technisch gesehen ist der Reaktor mit 1400 Megawatt Leistung allerdings nicht gerade auf dem neuesten Stand. Es ist ein herkömmlicher Druckwasserreaktor, der über keinen „Core Catcher“ verfügt. Diese Art Betonschale, die unter dem eigentlichen Reaktor liegt, soll bei den moderneren EPR-Reaktoren wie in Olkiluoto im Fall einer Kernschmelze das flüssige, hochradioaktive Metall auffangen, bevor es sich in den Boden frisst. Somit ist er nicht gerade geeignet, die Akzeptanz für diese Art der Energiegewinnung zu erhöhen.

Der Atomenergie-Sektor erholt sich ohnehin nur sehr langsam vom Fukushima-Schock und stagniert – gemessen am insgesamt steigenden Energiebedarf – seit rund zehn Jahren.

Das soll sich nun ändern. Das US-Energieministerium (Department of Energy, DOE) ist offenbar entschlossen, den Bau und die Entwicklung neuer Atomreaktoren mit Steuergeldern massiv zu unterstützen. Insgesamt ist die Rede von bis zu vier Milliarden Dollar an Fördermitteln.

Zum Start der neuen Initiative Mitte Oktober kündigte das DOE an, den Bau von zwei neuen Reaktortypen innerhalb der nächsten sieben Jahre mit je 80 Millionen Dollar zu unterstützen, wobei jeweils das geförderte Unternehmen die andere Hälfte der Kosten trägt. Typ eins ist ein natriumgekühlter Reaktor für hochangereichertes Uran. Da Natrium eine viel höhere Siedetemperatur als Wasser hat, muss das Kühlmittel nicht unter Druck gesetzt werden, was Komplexität und Kosten der Anlage verringert. Das Natrium überträgt seine Energie auf geschmolzenes Salz, das dann direkt in einen Dampferzeuger, aber auch in einen Tank fließen könnte, um später Dampf und Elektrizität zu erzeugen. Die Strommenge eines solchen Reaktors ließe sich also schnell flexibel anpassen. Die Projektpartner GE und Hitachi arbeiten dabei mit TerraPower zusammen, das unter anderem von Bill Gates finanziert wird.

TR 12/2020

Dieser Beitrag stammt aus Ausgabe 12/2020 der Technology Review. Das Heft ist ab 5.11. 2020 im Handel sowie direkt im heise shop erhältlich. Highlights aus dem Heft:

Typ zwei ist ein heliumgekühlter Kugelhaufenreaktor, entwickelt von X-Energy. In dem Reaktormodul fallen kugelförmige Brennstoffkapseln langsam nach unten und werden dabei von Helium gekühlt. Auf 750 Grad Celsius erhitzt, soll das Edelgas dann in einem Sekundärkreislauf Dampf erzeugen, der eine Turbine antreibt.

Beide Konzepte sind jedoch grundsätzlich nicht neu – und bereits in mehreren Testreaktoren gescheitert. Ein prinzipielles Problem mit natriumgekühlten Reaktoren besteht beispielsweise darin, dass Natrium nicht mit Wasser in Kontakt kommen darf. Und in Kugelhaufenreaktoren gibt es immer wieder Probleme mit beschädigten Kugeln. Ob der Optimismus des DOE wirklich gerechtfertigt ist und ob sich mit den neuen Typen wieder eine größere Akzeptanz erreichen lässt, wird sich erst in einigen Jahren zeigen.

(bsc)