Bremsklötze: Wie Politik und Wirtschaft den Breitbandausbau verzögern

Kaum hat der Ausbau der Glasfasernetze ein wenig Fahrt aufgenommen, stockt die Förderung. Auch Haftungsfragen und Altlasten bremsen den raschen Ausbau aus.

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(Bild: Gerhard Seybert | stock.adobe.com)

Lesezeit: 15 Min.
Von
  • Falk Steiner
Inhaltsverzeichnis

Straße oder Bürgersteig auf, Glasfaser rein, und schon surft man mit einem Gigabit los: So einfach klingt der Glasfaserausbau, wenn ein freundlicher Werber vor der Tür steht und die Vorzüge der neuen Technik anpreist. Und tatsächlich werden immer mehr Kabel in die Erde gelegt: 12,3 Millionen Glasfaser-Anschlüsse sollen Ende des Jahres in Deutschland verfügbar sein, schätzt der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM).

Dass der Glasfaserausbau Fahrt aufnimmt, liegt auch am sogenannten Graue-Flecken-Förderprogramm. Damit unterstützt die Bundesregierung den Ausbau in Gebieten, die bislang mit weniger als 100 Mbit/s Bandbreite ans Internet angeschlossen waren. 2022 stellt der Bund gut 3 Milliarden Euro für graue Flecken zur Verfügung, genauer gesagt: stellte. Denn Mitte Oktober meldete das zuständige Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) plötzlich und für viele Beteiligten überraschend, dass der Fördertopf für das Jahr 2022 nun leer sei und neue Anträge durch Kommunen nicht mehr angenommen würden.

c't kompakt
  • Die aktuelle Förderung der Bundesregierung für schnelle Glasfaseranschlüsse ist ausgelaufen.
  • Eine Potenzialanalyse soll ermitteln, nach welchen Bedingungen der Glasfaserausbau 2023 gefördert werden soll.
  • Der schleppende Ausbau der Glasfasernetze hat viele weitere Ursachen – nicht zuletzt die Unsicherheit, wer bei Problemen mit neuen Verlegeverfahren wie Trenching haftet.

Bislang wurden die Fördersummen für den Internetausbau nie vollständig abgerufen, der Bundeshaushalt schleppte teils dreistellige Millionensummen über Jahre mit sich. Doch nun war Mitte Oktober plötzlich Schluss, nachdem binnen einer Woche 450 Millionen Euro beantragt worden waren. Alle diese Anträge sollen noch abgearbeitet werden, so das Digitalministerium. Die meisten einmal gestellten Anträge werden erfahrungsgemäß dann auch bewilligt. "Gebunden", seien die Mittel dann, heißt es im Amtsdeutsch – selbst, wenn vom Antrag bis zum tatsächlichen Bau oft zwei oder mehr Jahre vergehen.

Was bedeutet der Run auf die Fördergelder also ganz praktisch? In gewisser Weise ist er eine gute Nachricht: Endlich könnte sich wirklich etwas beim Breitbandausbau tun, insbesondere in bislang unterversorgten Gegenden. Haupttreiber der Entwicklung sind neben den Bundes- und Länderförderprogrammen die privaten Telekommunikationsunternehmen. In vielen Nachbarschaften stehen nun große Kabeltrommeln, werden Bürgersteigpflaster geöffnet und neue Verlegeverfahren angewandt. Dazu zählt zum Beispiel das sogenannte Trenching, bei dem sich Glasfaserkabel schnell und vergleichsweise günstig in den Boden einbringen lassen.

Vor allem die Bauwirtschaft gilt bislang als der Flaschenhals: Die Tiefbaukapazitäten sind insgesamt knapp, allerdings mit einigen regionalen Unterschieden, wie der Deutsche Städte- und Gemeindebund betont. Und genau vor dieser Situation hat das BMDV unter Volker Wissing (FDP) nun anscheinend Angst: "Mehr Fördermittel führen nicht automatisch zu einem schnelleren Ausbau", heißt es aus dem Ministerium. "Die Umsetzung der Förderprojekte erfolgt ebenfalls durch die Kapazitäten der Telekommunikationsunternehmen und der Bauwirtschaft, die dann für eigenwirtschaftlichen Ausbau nicht mehr verfügbar sind." Soll heißen: Wenn zu viel gefördert wird, erhöht das nur die Kosten für den Bund – beschleunigt aber den Breitbandausbau nicht.

Seit Amtsantritt hatten Wissing und sein Haus vor einer solchen Situation immer wieder gewarnt und betont, dass Anträge gegebenenfalls priorisiert werden müssten. Und das sei Aufgabe der Bundesländer – die müssten schließlich wissen, wo der Ausbau am nötigsten ist. Die Länder wiederum zeigten sich nach dem Förderstopp im Oktober entsetzt: "Ein plötzlicher Stopp der Gigabitförderung entzieht den Ausbauplänen vieler Kommunen insbesondere im ländlichen Raum den Boden und sendet ein völlig falsches Signal", beschwerte sich etwa Bayerns Digitalstaatsministerin Judith Gerlach (CSU) per Brief bei ihrem Amtskollegen in der Bundeshauptstadt.

Ja, der Antragsstopp sei von Nachteil für Kommunen, deren Antrag jetzt noch nicht eingereicht worden sei, sagt auch Christian Pegel (SPD), Innen-, Bau und Digitalminister in Mecklenburg-Vorpommern. In der Praxis ändere sich für sein Bundesland allerdings wenig: "Es droht kein Stillstand des Breitbandausbaus, weil die Landkreise und kreisfreien Städte bei uns noch mitten in der Abwicklung der Projektgebiete aus dem Weiße-Flecken-Programm mit entsprechender Bindung der Kapazitäten stehen", sagt Pegel.

Damit meint er das Programm, das bis 2021 galt: Damals durfte der Ausbau nur dort gefördert werden, wo weniger als 30 Mbit/s zur Verfügung standen. 2021 waren 17 neue Projektgebiete für das Ostseeküstenland beantragt worden – mit dem vorläufigen Ergebnis, dass 13 davon noch beabsichtigt werden, jedoch in keinem bislang gebaut wird, berichtet Pegel.

Auch die Privatwirtschaft und ihre Verbände sehen im Stopp der Förderanträge kein großes praktisches Problem. Der Leiter des Hauptstadtbüros des Verbands für Breitbandkommunikation Sven Knapp sagt: "Wir erwarten gar keine praktischen Auswirkungen des aktuellen Förderstopps, denn rund 90 Prozent des gesamten Glasfaserausbaus erfolgen rein privatwirtschaftlich. Und der eigenwirtschaftliche Ausbau läuft unter Volllast weiter."

Laut Breitbandatlas der Netzagentur ist nur ein Bruchteil der geförderten Glasfaseranschlüsse bereits nutzbar.

Das Digitalministerium habe den Ansturm unterschätzt, sagt Jürgen Grützner vom VATM. Dass jetzt so viele Anträge eingereicht worden seien, wäre selbstverschuldet: "Hintergrund ist, dass die ausgelösten Markterkundungsverfahren ein Jahr lang für spätere Förderanträge genutzt werden können. Man wollte neuen Regelungen ganz offenkundig zuvorkommen." Die Kommunen wollten also sichergehen, ihre Verfahren nicht ganz neu und nach neuen Bedingungen starten zu müssen – und haben vorsorglich auf Absenden gedrückt.

Denn genau solche neuen Förderrichtlinien bereitet das Digitalministerium bereits seit längerem vor. Die sogenannte Aufgreifschwelle beispielsweise soll in Zukunft entfallen. Statt 30 oder 100 Mbit pro Sekunde soll es also künftig egal sein, wie schnell die bislang vorhandenen Anbindungen sind. Auf diese Weise will die Regierung auch Gebiete zum Beispiel mit TV-Kabelnetzen in die Förderung einbeziehen, wenn diese nicht gigabitfähig aufgerüstet wurden und diese Aufrüstung auch nicht in absehbarer Zeit geplant ist.

Statt der Aufgreifschwelle sollen andere Kriterien sicherstellen, dass schneller und besser ausgebaut werden kann, wo es sich für Unternehmen nicht rechnet. Kernstück der neuen Ausbauförderung soll dabei die sogenannte Potenzialanalyse werden. Mit ihr soll das Wissenschaftliche Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) im Auftrag des BMDV vorausberechnen, wo die Telekommunikationsunternehmen künftig wahrscheinlich auf eigene Kosten ausbauen werden und wo dies nicht der Fall sein wird – und der Bedarf groß sei.

Mit statistischen Modellen, die beispielsweise die Haushaltsdichte pro Straßenkilometer berücksichtigen, lasse sich eine bessere Grundlage für Investitionsentscheidungen schaffen. Das hatte das WIK in einem Arbeitspapier im April vorgerechnet. Vor allem dünner besiedelte ländliche Gebiete mit komplizierten geologischen Umgebungen – große Wälder oder bergiges Terrain – könnten davon profitieren: Hier rechnet sich der Ausbau für Telekommunikationsunternehmen auf absehbare Zeit schlicht nicht.

Ein weiteres Ziel der Potenzialanalyse ist dabei neben der Priorisierung von Fördergeldern, dass künftig größere Gebiete zusammenhängend gefördert werden sollen: Aus dem Bundesdigitalministerium ist zu hören, dass es in Zukunft möglichst den Ausbau ganzer Gemeinden fördern will.

"Länder und kommunale Spitzenverbände sehen die Potenzialanalyse bisher als stark fehlerbehafteten Ansatz, deren derzeitiger Qualitätsstand keine Gesprächsgrundlage bieten kann", gibt Alexander Handschuh vom Deutschen Städte- und Gemeindebund zu bedenken. Der Kommunalverband hoffe daher auf den neuen Vorschlag. Eines aber wollen die Kommunen auf keinen Fall: dass die bislang vorhandene Bandbreite eine größere Rolle für die Fördermöglichkeiten erhält. Hier sei ein politischer Konsens nötig.

Jürgen Grützner vom VATM hält wenig davon, die vorhandene Bandbreite auszuklammern. Gebiete sollten "unbedingt zusätzlich priorisiert werden, in denen die Versorgung unterhalb von 100 Mbit/s liegt", sagt der Wirtschaftsvertreter. Dann bekämen die Kommunen, die es am dringendsten brauchen, die Förderung und damit den Ausbau zuerst.

Wenn Ende 2022 die Potenzialanalyse vorliegt, dürfte die Diskussion erst so richtig losgehen. Staatssekretäre und Minister auf Bundes- und Länderebene werden dann verhandeln, welche Kriterien genau für die zukünftige Breitbandausbauförderung gelten sollen. Einige Bundesländer wollen verhindern, dass nur die Potenzialanalyse maßgeblich sein soll – denn das könnte dazu führen, dass vor allem Gebirgsregionen gefördert werden, Stadtstaaten und dünn besiedelte, aber technisch leicht erschließbare Bundesländer jedoch leer ausgehen.

Wann diese Diskussionen abgeschlossen sein werden, ist offen. Damit, dass dies vor dem zweiten Quartal 2023 der Fall sein könnte, rechnet jedoch kaum einer der Beteiligten. Für Alexander Handschuh vom Städte- und Gemeindebund ist das ein Ärgernis: Wer seinen Antrag noch nicht einreichen konnte, wisse jetzt noch nicht, welche Fördersystematik auf ihn warte – bei den Kommunen führe das zu Frust.

Relativ fix ist hingegen das Fördervolumen des Bundestopfes. 2023 sollen wieder etwa 3 Milliarden Euro Fördermittel aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung stehen, wie schon 2022.

Aus Sicht der Länder und Kommunen kann der Betrag kaum hoch genug sein. Ganz anders sehen das die Telekommunikationsunternehmen: "Die Wirtschaft hatte immer wieder darauf hingewiesen, dass drei Milliarden Euro Fördermittel nicht zeitnah verbaut werden können", sieht VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner hier das Hauptproblem. Sie habe auch immer wieder gewarnt, dass mit der Förderung nicht sinnvoll ausgebaut werde: Statt sukzessive Orte anzuschließen, die entlang einer Trasse liegen, seien bislang einzelne Orte durch die Förderung vorgezogen und die Kosten damit erhöht worden.

Dass die Mittel nicht verbaut werden könnten, kreidet Grützner hauptsächlich der Baubranche an. Die baue kaum zusätzliche Kapazitäten auf und verhindere lieber schnellere Verlegemethoden, statt neue Maschinen anzuschaffen. Was der Interessenvertreter damit meint: Maschinen, mit denen vor allem neue Verlegetechniken wie das Trenching schneller möglich werden. Um solche "mindertiefen Verlegetechniken" tobt seit Jahren ein wilder Kampf, denn es geht um eine der vielleicht deutschesten aller Fragen: Wer haftet, wenn die Bauausführung binnen zehn Jahren Schäden verursacht?

Digitalminister Volker Wissing (FDP) lässt neue Richtlinien für die Förderung von Glasfaseranschlüssen ausarbeiten.

(Bild: Fabian Sommer/dpa)

Nicht nur, dass die Realität im Untergrund des Straßenlandes gerade in altem Siedlungsbestand nicht immer normgerecht ist, Gas-, Wasser-, Abwasserrohre, Telefon- und Stromkabel also nicht in der jeweils vorgesehen Tiefe liegen. Auch von einem "kaum darstellbaren Preisniveau", das sich die Telekommunikationsanbieter wünschten, berichtete etwa der Rohrleitungsverband 2020. Der Kostendruck führe zu unqualifizierten Auftragnehmern und Schäden an den Füllstellen aufgefräster Straßen.

Das Problem liege darin, dass es bislang keine "anerkannten Regeln der Technik" für solche Verfahren gebe, berichtet Alexander Handschuh vom Städte- und Gemeindebund. Betroffene Kommunen könnten Schadensersatzansprüche daher kaum durchsetzen: "Niemand will sich seine Straße zerstören lassen und dann auf den Schäden sitzenbleiben, weil der Nachweis eines Fremdverschuldens nicht erbracht werden kann." Denn die Kommunen sind für die Instandhaltung der Straßen auch dann zuständig, wenn diese durch Dritte beschädigt werden – zugleich aber müssen sie die Verlegung von Telekommunikationsinfrastruktur im Regelfall erlauben.

Bayerns Digitalstaatsministerin Judith Gerlach (CSU) fordert einen Haftungsfonds, der die Kommunen bei Schäden durch die Verlegung von Glasfaserkabeln schützt.

(Bild: Matthias Balk/ dpa)

Bayerns Digitalstaatsministerin Judith Gerlach etwa fordert von Volker Wissing deshalb einen Haftungsfonds. "Die Finanzierung des Haftungsfonds soll dabei durch den Bund ohne Beteiligung der Netzbetreiber erfolgen", so Gerlach in ihrem Brief an den Minister. Ob ein solcher kommen soll, wird von Wissings Haus derzeit geprüft. Doch auch ein anderer Weg könnte das Problem reduzieren.

Denn eine deutsche Lösung für dieses sehr deutsche Problem ist natürlich die Normierung: Bereits seit zwei Jahren arbeitet der DIN-Normenausschuss Bauwesen an der Norm "NA 005-10-11 AA Trench-, Fräs- und Pflugverfahren zur Legung von Glasfaserkabeln". Sie soll nun Frieden schaffen zwischen den Beteiligten und festlegen, wie Trenching in Deutschland fachgerecht ausgeführt sein muss.

Von dieser Norm erhoffen sich die Beteiligten einen großen Schub: "Eine anwenderfreundliche Normierung alternativer Verlegemethoden ist ein wichtiger Schritt, um bestehende Vorbehalte in den Bauämtern abzubauen und so zur Vereinfachung und Beschleunigung der vielen aktuell anstehenden Genehmigungsverfahren beizutragen", sagt Sven Knapp vom Breitbandverband Breko. Alexander Handschuh vom Städte- und Gemeindebund sieht in der DIN-Norm gemeinsam mit neuen Regelungen im Telekommunikationsgesetz auch einen ausreichenden Haftungsrahmen. Wenn diese Norm kommt, sei ein Haftungsfonds nicht mehr ganz so dringlich.

Beim Trenching, wie es etwa die Telekom für den Ausbau ihrer Netze verwendet, schneiden spezielle Fräsen Schneisen für die Kabel in den Untergrund. Diese Verlegetechnik ist verhältnismäßig günstig und schnell.

(Bild: Telekom)

Auch wenn politisch gerne von Glasfaseranschlüssen gesprochen wird: Die Kabel bis zu den Häusern zu verlegen, ist noch längst nicht das Finale. Ein Gebäude oder die darin befindlichen Wohneinheiten anzuschließen (Fachbegriffe: Fiber to the building, FTTB und Fiber to the home, FTTH), bleibt aber kompliziert.

Das liegt daran, dass bei Bestandsbauten immer auch Baumaßnahmen nötig sind: "In der ersten Ausbauwelle werden Eigentümern auch kostenlose Hausanschlüsse angeboten", berichtet die Haus-und-Grund-Justiziarin Inka-Marie Storm. "Davon zu unterscheiden ist aber der Ausbau der Gebäudeinfrastruktur. Dieser ist regelmäßig nicht kostenlos. Ist der Gebäudeausbau aufwendig, sind Gebäudeeigentümer tendenziell zurückhaltend." Sprich: Wo verlegtes Kupfer oder Koaxialkabel raus und Glasfaserkabel hineinsollen, drohen Dreck, Schmutz, Ärger mit Mietern und weitere Kosten.

Und die versuchen Vermieter zu vermeiden. "Grundsätzlich sind FTTB oder FTTH die technisch modernste Lösung und von daher auch sinnvoll und erstrebenswert", sagt Marko Rosteck von Deutsche Wohnen. "Aus unserer Sicht bieten jedoch auch Hybridsysteme schnelle Anschlüsse für unsere Mieterinnen." Hybridsysteme, das meint DSL oder Kabelanschlüsse – und gerade die sind noch auf Jahre hinaus ein Problem.

Denn theoretisch darf ein Vermieter Kosten für den Ausbau von neuer Inhouse-Verkabelung mit Glasfaser über Jahre auf seine Mieter umlegen lassen: Höchstens neun Jahre lang darf er bis zu 60 Euro jährlich pro Wohneinheit vom Anbieter auf die Mieter umlegen. Dieses Glasfaserbereitstellungsentgelt soll eigentlich dafür sorgen, dass Vermieter möglichst nicht auf Kosten sitzenbleiben.

Allerdings bleibt das in vielen Fällen graue Theorie: Denn bislang legen die Vermieter oft noch die Kosten für Kabelnetzbetreiber um, die ihrerseits auf eigene Kosten die Hausinfrastruktur mit Koaxialkabeln errichtet haben – im Gegenzug dafür müssen Mieter für Kabel-TV-Signal und Kabelbreitband über die Betriebskosten bezahlen. Bei einer Novelle des Telekommunikationsgesetzes wurde zwar beschlossen, dass ab Mitte 2024 Verträge von vor 2021 ohne Schadenersatz gekündigt werden können. Aber: "Diese Verträge haben regelmäßig Laufzeiten von sechs bis zehn Jahren und werden auch noch bis weit nach 2025 laufen", berichtet Haus und Grund-Justiziarin Storm. Und das Gesetz habe eine entscheidende Einschränkung: Das Recht zur Kündigung könne ausgeschlossen sein – worum sich die Kabelnetzbetreiber rechtzeitig gekümmert hätten.

Ein weiteres Problem, das die Wohnungswirtschaft betrifft, soll mittelfristig gelöst werden: Dass auch die Eigentümer regelmäßig nicht wissen, ob Glasfaser überhaupt in der Nähe anliegt, wie Marko Rosteck von Deutsche Wohnen berichtet, "weil beispielsweise aus Grundstückseigentümererklärungen nicht unbedingt der technische Standard hervorgeht".

Das soll mit dem sogenannten Gigabit-Grundbuch schrittweise anders werden. In einem zentralen Datenportal sollen alle relevanten Daten der Katasterämter und von TK-Unternehmen sowie zu Leerrohren, Mitverlegekapazitäten, zum Mobilfunkausbau und weiteren relevanten Daten wie Grundbuchauszügen verknüpft und verfügbar werden. Das Portal soll schrittweise erst ab 2023 starten, die Bundesnetzagentur wird es betreiben.

Es wird also noch dauern, bis aus dem Glasfaserausbau in der Fläche auch tatsächlich viele neue Glasfaseranschlüsse bei den Endnutzern entstehen. Von den 12,3 Millionen Glasfaseranschlüssen, die laut VATM theoretisch Ende 2022 verfügbar sein sollen, werden dann nur 3,8 Millionen auch tatsächlich aktiv sein. Minister Volker Wissings Ziel, bis 2025 bei 50 Prozent Glasfaseranschlüssen zu landen, wackelt nach einem Jahr im Amt bereits enorm. Ein Glück, dass er damit doch nur die Leitungen vor den Gebäuden gemeint haben will: Dieses Ziel nutzt zwar wenig, ist aber zumindest erreichbar.

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(jo)