Der grüne Big Brother

In den Niederlanden soll ab 2012 ein neues KFZ-Steuersystem eingeführt werden, bei dem zwangsweise jedes Fahrzeug metergenau überwacht wird. Auch in Deutschland liebäugeln einige Politiker mit solchen Plänen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 12 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

In den Niederlanden soll ab 2012 ein neues KFZ-Steuersystem eingeführt werden, bei dem zwangsweise jedes Fahrzeug metergenau überwacht wird. Auch in Deutschland liebäugeln einige Politiker mit solchen Plänen.

In den letzten Monaten erschüttert ein IT-Skandal nach dem anderen die Republik: Von ausspionierten Kritikern bei der Telekom über bespitzelte Angestellte bei der Bahn bis hin zu für externe Mitarbeiter freigegebenen Kontodaten bei der Postbank gab es zahlreiche Beispiele dafür, was passieren kann, wenn in großen Mengen zentral gesammelte Informationen missbraucht werden. Der Ruf der Datenschützer, endlich die Strategie der Datenvermeidung umzusetzen, will seither nicht verstummen: Was nicht erfasst wird, lautet diese, kann auch nicht in falsche Hände geraten.

In den im Allgemeinen eigentlich als sehr bürgerorientiert geltenden Niederlanden ist in wenigen Jahren ein Projekt geplant, das dem genauen Gegenteil dieser Forderungen entspricht: Dort soll ab 2012 keine einfache KFZ-Steuer mehr gelten, sondern zum Zwecke der Erziehung der Menschen künftig pro gefahrenem Kilometer zur Kasse gebeten werden, kontrolliert mittels modernster Überwachungstechnologie.

Dabei sollen die Autofahrer dazu gezwungen werden, so genannte Onboard-Units (OBUs) zu installieren, Diese enthalten einen GPS-Empfänger, der die zurückgelegte Strecke erfasst und an eine staatliche Zentralkasse funkt, wo der Datenberg dann an einem zentralen Ort liegt. Für die politischen Befürworter der Idee ist das natürlich alles total sicher: Der Streckenverlauf soll aus Datenschutzgründen nicht abgespeichert werden, heißt es von den staatlichen Planern. Da es technisch aber natürlich geht, dürften Begehrlichkeiten seitens staatlicher Ermittler schnell aufkommen, glauben Kritiker. Ein Prepaid-System, das sich auch anonym nutzen ließe, ist dagegen nicht geplant, jede OBU ist auf einen bestimmten Benutzer angemeldet.

Derzeit leidet das Projekt allerdings am eng gesteckten Zeitplan. So glaubt die Automobilbranche nicht, dass die Technologie sich in nur zwei Jahren umsetzen lässt. "Die Technik ist da, aber wir wollen eine gründlichen Test, damit alles korrekt starten kann. Die Software, der Datenschutz, die Backend-Verarbeitung, all das muss getestet werden. Das kostet Zeit", sagt Henk-Jan Kienhaus, Sprecher des Verbandes der besonders belasteten niederländischen Autoimporteure. Man hoffe, dass die Politik das System zunächst intensiv prüfen lasse.

8 Milliarden Euro an kilometerbasierten Steuern erhofft sich die Regierung. Die Privatsphäre will man dadurch schützen, indem die zurückgelegten Wegstrecken nur im Fahrzeug gespeichert werden, um sie dann in Summe an das mit dem Einzug beschäftigte Amt weiterzuleiten. Der dabei eingesetzte Handy-Funksender soll ansonsten aus bleiben, betont das Verkehrsministerium. Über Hintertüren ist nichts bekannt, nur der OBU-Besitzer darf nachträglich prüfen, ob das Gerät korrekt kalkuliert hat.

In der deutschen Politik stößt das niederländische Mautsystem bereits auf Interesse. Die Grünen im Landtag von Baden-Württemberg sehen in einer solchen "Lenkungsabgabe" eine Möglichkeit, Fahrer abhängig von Zeit, Route und Effizienzgrad des Fahrzeuges unterschiedlich stark zur Kasse zu bitten. So sprach sich Fraktionschef Winfried Kretschmann für eine "elektronisch gestützte Verkehrslenkung" aus. Eine solche "intelligente" Straßennutzungsgebühr könne etwa gegen Stauschwerpunkte helfen, sagte er den "Stuttgarter Nachrichten".

Die mit dem Mautsystem einhergehenden Datenschutzprobleme will der Grüne natürlich nicht: Eine zentrale Erfassung der Wegedaten sei abzulehnen. Auch Kretschmann ist deshalb für Guthabenkarten. Dass diese funktionierten, ohne dass Daten zentral erfasst werden müssten, hätten Untersuchungen des schleswig-holsteinischen Datenschutzbeauftragten gezeigt.

Möglicherweise besinnen sich die Niederländer ja bis 2012 auf solche Vorschläge; sollte das Produkt tatsächlich in geplanter Form durchgesetzt werden, könnte es aber als europäisches Pilotprojekt herhalten. Die Bundesregierung lehnt eine PKW-Maut derzeit noch aus politischen Gründen ab und will wohl auch ein anfängliches Desaster wie bei Toll Collect im Bereich des Verkehrsgewerbes vermeiden. Doch dort helfen die erfassten Daten den Beteiligten immerhin. (bsc)