Die Masse macht's

Sie haben eine gute Idee und brauchen Geld? Bitten Sie Ihre Mitmenschen um Hilfe. Ob günstige Möbel, Blumen im Abo oder smarte Uhren – unter dem Begriff "Crowdfunding" boomt die Finanzierung durch die Masse. Wird sie das klassische Risikokapital ablösen?

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Von
  • Jens Lubbadeh
Inhaltsverzeichnis

Sie haben eine gute Idee und brauchen Geld? Bitten Sie Ihre Mitmenschen um Hilfe. Ob günstige Möbel, Blumen im Abo oder smarte Uhren – unter dem Begriff "Crowdfunding" boomt die Finanzierung durch die Masse. Wird sie das klassische Risikokapital ablösen?

Zwei Männer halten eine hölzerne Box mit einer Schreibmaschinentastatur in die Kamera. "Hallo, ich bin Steve", sagt der eine mit den langen, zotteligen Haaren. "Hey, ich bin auch Steve", sagt der andere mit rundlichem Gesicht und Vollbart. Beide grinsen sich an und schauen wieder in die Kamera. Steve eins sagt: "Wir haben einen Computer zum Selberbauen entwickelt. Alles, was du dafür brauchst, ist diese Platine..." – Wechsel zu Steve zwo – "...eine Holzbox..." – Wechsel – "...und eine Tastatur." Beide, nun in Frontalansicht: "Fertig ist dein Personal Computer. Byte into an Apple."

Mit diesem Filmchen hätte heute vielleicht die Geschichte des wertvollsten Konzerns der Welt und aller Zeiten begonnen, wenn die beiden Apple-Gründer Steve Jobs und Steve Wozniak ihr Projekt auf die Crowdfunding-Plattform Kickstarter gestellt hätten, um Geld von Kleininvestoren einzuwerben. Denn andere Quellen waren ihnen auch damals, vor über 35 Jahren, zunächst verschlossen geblieben. Lediglich 200 Stück ihres Rechners "Apple I" verkauften Jobs und Wozniak 1976. Kein leichter Start für das junge Unternehmen, das die Welt davon überzeugen wollte, dass Computer keine schrankgroßen grauen Kästen sein müssen, sondern das wichtigste Werkzeug des alltäglichen modernen Lebens. Verzweifelt suchten die beiden mutige Investoren, die an ihre Idee glaubten. Schließlich hatten die beiden Glück: Mike Markkula, ein junger Intel-Millionär, unterstützte sie.

Hätten Jobs und Wozniak damals schon die Möglichkeit des Crowdfunding gehabt – der Start von Apple wäre vermutlich leichter gewesen. Vielleicht hätte dies aber auch das vorzeitige Ende bedeutet. Denn Crowdfunding-Projekte müssen die Massen überzeugen. Und die konnten 1976 mit Heimcomputern noch nicht viel anfangen. Für die einen ist Crowdfunding die nächste Internet-Blase, für die anderen das nächste große Ding im Web. Ob Film, CD, Buch oder Hightech-Produkt – auf Plattformen wie Kickstarter, Indiegogo und Startnext können findige Köpfe sich wie bei einer Castingshow um das Geld der Masse bewerben. Alles, was sie dafür brauchen: eine Idee und ein Video. Dann entscheidet der Schwarm.

Seit etwa fünf Jahren wächst die Anzahl der Crowdfunding-Plattformen rasant. Derzeit sind es weltweit etwa 500, davon 20 in Deutschland, unter ihnen Startnext, Seedmatch, VisionBakery, pling, Inkubato und mySherpas. Dieses Frühjahr hat eine Studie erstmals die Branche global vermessen. Dem Crowdfunding Industry Report der Firma Massolution zufolge wurden im Jahr 2011 weltweit eine Million Projekte im Wert von 1,5 Milliarden Euro schwarmfinanziert. Für 2012 erwarten die Studienautoren eine Verdoppelung dieses Betrags.

Sie könnten recht behalten. Im April dieses Jahres katapultierte der 26-jährige Eric Migicovsky die Dimensionen des Crowdfunding in eine höhere Liga, als er seine Idee für Pebble, eine programmierbare Armbanduhr mit E-Reader-Display, auf Kickstarter einstellte. 100.000 Dollar benötigte der US-Amerikaner, um Pebble zu bauen. Zuvor hatte er sich erfolglos um Risikokapital bemüht. Fünf Wochen später hatten ihm 69000 Menschen zehn Millionen Dollar zur Verfügung gestellt. Mit einem Schlag machte Pebble das bis dahin eher belächelte Crowdfunding zur ernsthaften Alternative zu Banken und Risikokapital. Noch sind die Summen im Vergleich zum Venture-Capital-Geschäft gering. Dafür aber fördert das Modell einen ungeahnten Ideenreichtum zutage: Fast 70000 Projekte wurden bei Kickstarter bisher ausgeschrieben. 43 Prozent schafften die Finanzierung. Die erfolgreichsten und am höchsten dotierten Vorhaben stammen aus den Bereichen Technologie, Film, Spiele und Produktdesign.

Auch in Deutschland sorgten Crowdfunding-Projekte für Aufsehen: Die Macher der erfolgreichen TV-Serie "Stromberg" sammelten auf diesem Wege in nur einer Woche eine Million Euro für eine Kinoverfilmung der Versicherungs-Persiflage ein. Crowdfunding ist ein schwammiger Begriff. Auf Kickstarter oder Startnext bieten Projektgründer ihren Investoren nur ein Dankeschön oder ein Geschenk an – beispielsweise die namentliche Erwähnung in einem Film. Manchmal ist es auch das zu entwickelnde Produkt, das zum Vorzugspreis versprochen wird. Plattformen wie Seedmatch und Innovestment hingegen konzentrieren sich auf die Finanzierung von Start-ups und bieten Investoren Gewinnbeteiligung am Unternehmen. Bei dieser Form des Crowdfunding spricht man auch von Crowdinvesting. Drei Viertel aller Crowdfunding-Plattformen sind Dankeschön-Plattformen, etwa 15 Prozent arbeiten gewinnorientiert.

Durch Crowdfunding kann jetzt jeder Projektgründer oder Investor sein. Das klingt wie ein Traum – doch ist es wirklich so einfach? Ersetzt Crowdfunding Risikokapital?

Berlin, Prenzlauer Berg. Ein schöner Altbau, topsaniert. Und natürlich stehen vor dem Eingang der jungen Firma Bloomy Days auch Blumenkübel. Ein paar Treppenstufen hinunter geht es in die Souterrainräume, die Franziska Scheidel zu ihrer Firmenzentrale gemacht hat. Von hier aus organisiert die 28-Jährige den regelmäßigen Versand von Blumensträußen in Wohnungen und Büros. Scheidel ist die Erste, die Blumen für einen monatlichen Festpreis im Abo anbietet. Wie oft und wohin, entscheidet der Kunde. Welche Blumen, entscheidet sie.

Die Idee war schon lange in ihr gereift. Früher brachte sie ihren Kollegen regelmäßig Blumen mit. Wenn sie das einmal vergaß, ärgerte sie sich und fragte sich dann: "Warum bietet eigentlich noch niemand ein Abo für Blumen an?" Irgendwann lautete die Frage: "Warum biete ICH nicht Blumen im Abo an?" Rund 50000 Euro brauchte sie, um zu zeigen, dass die Idee funktioniert. Gründerzuschuss erhielt sie nicht, und auch die Banken ließen sie im Stich: "Wenn Sie eine Currywurstbude aufmachen wollen – kein Problem, hieß es dort", erzählt Scheidel. "Aber Blumen? Übers Internet? Im Abo? Da kennen wir uns nicht aus." Dann versuchte sie es mit Venture Capital. Schnell war klar: "Da hätte ich große Firmenanteile abgeben müssen." Noch bevor ihre Firma richtig loslegen konnte, wäre es schon nicht mehr ihre gewesen. Dann erfuhr sie von Crowdfunding und traf die Veranstalter von Seedmatch. Die waren von ihrer Idee begeistert. Am 29. Mai wurde Bloomy Days auf Seedmatch ausgeschrieben. 93 Minuten später hatte sie 100.000 Euro zusammen.

Braucht man da noch Banken und Venture Capital? Trotz ihrer durchwachsenen Erfahrungen mit klassischem Investment lautet Scheidels Antwort Ja. Der Grund ist einfach: Expansion. "Wir haben schon Anfragen aus dem Ausland. Um den Blumenabo-Versand wirklich groß aufzuziehen, brauchen wir größere Summen." Die kann Crowdfunding schlicht nicht bieten, jedenfalls nicht in Deutschland. Der Gesetzgeber hat hierzulande eine entscheidende Hürde installiert, die sprudelnde Crowdfunding-Millionen wie bei Pebble verhindert. Für Finanzierungen über 100000 Euro schreibt das Aufsichtsrecht die Erstellung eines Verkaufsprospekts vor, der über alle Risiken des Investments informiert und von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) geprüft wird. "Solch einen Prospekt zu erstellen und prüfen zu lassen, dauert in der Regel mehrere Wochen und kostet leicht einen fünfstelligen Betrag", sagt Jens-Uwe Sauer, Geschäftsführer von Seedmatch. Zeit und Geld, das viele Start-ups in einer frühen Phase einfach nicht haben. In den USA sind höhere Fördersummen kein Problem: Präsident Barack Obama hat die Hürden für Crowdfunding im April dieses Jahres eigens mit zwei neuen Gesetzen gelockert, dem Jobs Act und – darin enthalten – dem Crowdfunding Act. Bis zu einer Million Dollar können Start-ups nun über Crowdfunding-Plattformen mit Gewinnbeteiligungsmodell einsammeln.

Doch auch in Deutschland gibt es Bewegung: Neue Plattformen wie Bergfürst oder Best BC stehen in den Startlöchern und haben bei der BaFin Ausnahmegenehmigungen für Investments zwischen zwei und fünf Millionen Euro beantragt. Auch Seedmatch und Innovestment wollen künftig größere Projekte finanzieren und machen Druck beim Gesetzgeber, die finanzielle Grenze hochzusetzen.

Die sich rasant ändernden Rahmenbedingungen machen es schwierig, die weitere Entwicklung des Crowdfunding weltweit abzuschätzen. Ethan Mollick, Professor für Management an der amerikanischen University of Pennsylvania in Philadelphia, hat 50000 Kickstarter-Projekte analysiert. 90 Prozent der Projekte sind klein und bleiben unter 10000 Dollar, Ausreißer wie Pebble, die ein Vielfaches der angestrebten Summe einspielen, sind selten. "Es ist unklar, bis zu welchem Grad Crowdfunding bisherige Risikokapitalfinanzierungen ersetzen wird", resümiert der Forscher. In Deutschland spielt Crowdfunding jedenfalls noch eine geringe Rolle: Startnext, die größte Crowdfunding-Seite Deutschlands, kann erst 350 erfolgreiche Projekte mit einem Gesamtvolumen von 1,3 Millionen Euro vorweisen. Die restlichen deutschen Plattformen dümpeln eher vor sich hin oder haben schon wieder aufgegeben.

Der New Yorker Investor Fred Wilson, der in Twitter, Tumblr und Foursquare investiert hat, zeigt sich noch unentschlossen. "Viele der crowdgefundeten Projekte auf Kickstarter sind keine echten Unternehmen, sondern Projekte", sagt er. "Einige wenige von ihnen könnten zu Unternehmen werden – manche von ihnen mit der Unterstützung durch Risikokapital, andere bräuchten das vielleicht nicht, weil sie genug Geld auf Kickstarter akquiriert haben." Auch Bloomy-Days-Inhaberin Franziska Scheidel ist der Meinung, dass Crowdfunding gut ist "für eine frühe Phase einer Firma, um zu zeigen, dass eine Idee Bestand hat und praktisch umsetzbar ist". Danach allerdings gehe es nur mit "dem großen Geld" weiter. Die Schwarmfinanzierung füllt bislang also eine Lücke in einem Kapitalbereich, der für Risikokapitalgeber und Banken meist uninteressant ist. Doch längst nicht alle wollen mit dem Geld der Massen ein Unternehmen gründen, sondern einfach nur eine Idee umsetzen. So wie Van Bo Le-Mentzel.

Verändert Crowdfunding das Investitionsklima?

Noch mal Berlin, diesmal Kreuzberg. Der aus Laos stammende Van Bo Le-Mentzel sieht viel jünger aus, als er ist. Es mag an dem Enthusiasmus liegen, den der 35-Jährige ausstrahlt. Wenn er erzählt, merkt man, dass ihm Gedankenaustausch und Diskussionen mit anderen viel bedeuten. Die Crowd ist für ihn nicht nur Geld-, sondern auch Ideengeber. Le-Mentzel arbeitet eigentlich Vollzeit in einem Architektur- und Marketingbüro. In seiner Freizeit will er die Welt verbessern, wenigstens ein bisschen: "Konsumiere weniger, konstruiere mehr" lautet sein Motto. Seinem Projekt gab er den provokanten Namen "Hartz-IV-Möbel". "Jeder kann Möbel bauen und lebenswert wohnen", sagt er und wollte es beweisen. Er hat den 24-Euro-Stuhl entworfen, die 100-Sekunden-Lampe, den Neukölln-Tisch. Einfach zu bauen, aus günstigen Materialien, trotzdem hübsch und bequem. Die Baupläne wollte Le-Mentzel als Buch herausgeben. Um es zu finanzieren, war das Projekt drei Wochen auf Startnext ausgeschrieben. 5000 Euro wollte er, 15000 bekam er.

Selbermachen ist das Prinzip von Le-Mentzels Möbelprojekt, die Masse soll aktiv werden, da war es nur konsequent, das Projekt auch von ihr finanzieren zu lassen. "Crowdfunding ist die demokratischste Form des Investments", sagt der Designer. "Man braucht keine Beziehungen, keine Speichelleckerei mehr." Jeder kann seine Idee anbieten, und jeder kann in sie investieren. Die neue Demokratie verpflichtet die Firmengründer, ihrer Crowd alles offenzulegen und mit ihr zu kommunizieren. Für Investoren bedeutet diese Demokratie, dass sie an dem Projekt persönlich Anteil nehmen können. Wie weit das geht, ist un-terschiedlich. Bei Dankeschön-Plattformen wie Startnext liegt es im Ermessen des Projektgründers, bei gewinnorientierten Crowdfunding-Plattformen wie Seedmatch sind die Regeln klar: Investoren haben kein Mitspracherecht.

Für Le-Mentzel ist Crowdfunding Teil eines größeren Ganzen, einer neuen Selbstmach-Kultur, die mit Crowdsourcing – der kreativen Arbeit der Masse – und Crowdsharing – der gemeinsamen Nutzung von Dingen – weiteren Ausdruck findet. "Das ganze Buch wurde von den Leuten mitgestaltet", sagt er. Dieser neue Selbstmach-Zeitgeist scheint auch auf gewinnorientierte Plattformen auszustrahlen. "Natürlich geht es dem Mikroinvestor in erster Linie um die Rendite", sagt Seedmatch-Geschäftsführer Sauer. "Aber ihm ist auch der Unterstützergedanke sehr wichtig. Er identifiziert sich mit dem Projekt, kann – im Gegensatz zu Fonds – den Verwendungszweck seines Geldes direkt bestimmen." Crowdfunding macht Investment persönlicher. Aber ist es auch innovativ?

Stärkt Crowdfunding die Innovationskraft eines Landes?

Berlin, diesmal kein hipper Stadtteil, sondern ein etwas heruntergekommener Containerbau in Altglienicke. Mit S-Bahn und Bus braucht man vom Hauptbahnhof bis zu dem Büro von Lifeaction Games rund 50 Minuten. Michael Schiemann, 30, hält ein iPad über den Tisch. Auf dem Display ist der vollgestellte Schreibtisch zu sehen, zahlreiche Schriftdokumente, Aktenordner, ein Ventilator, ein Rechner. Als er das Tablet etwas weiter nach rechts bewegt, erscheint auf dem Display plötzlich eine Schatztruhe. "Hier würde der Spieler ein weiteres Rätsel finden und lösen müssen, um weiterzukommen", erzählt der Gründer und CEO von Lifeaction Games, einer Firma, die Rollenspiele in der realen Welt mit Augmented Reality verbindet. "Was wir entwickeln, ist eine Art Mischung aus Schnitzeljagd, Geocaching und digitalem Rollenspiel", sagt Schiemann. Die Spiele sollen in großen Städten als Event stattfinden. Risikokapitalgeber fanden seine Idee zwar interessant, entdeckten aber keine Expansionsmöglichkeiten und damit zu wenig Gewinnpotenzial. Seine Crowdfunding-Investoren sahen das ganz anders. Jetzt arbeitet er an dem ersten Event.

Pebbles, eine Uhr, die ein kleines Smartphone ist. Blumen im Abo. Billige Möbel. Digitale Schnitzeljagd. Wie innovativ können Ideen sein, die der Masse gefallen müssen? Steve Jobs wird bisweilen der Henry Ford unserer Zeit genannt. Ein Zitat, das dem genialen Autobauer zugeschrieben wird, und das Jobs gern zitierte, lautet: "Wenn ich die Leute gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: ein schnelleres Pferd." Zu Fords Zeit konnte die Masse einem stinkenden, lauten und teuren Automobil nichts abgewinnen. 70 Jahre später hatten die Visionäre Jobs und Wozniak das gleiche Problem: "Wenn man 1976 hundert Leute auf der Straße gefragt hätte, ob sie einen Personal Computer haben wollen, hätten sie alle gefragt: ,Was soll das denn sein?'", erzählte Apple-Investor Mike Markkula 2011.

"Der Vorteil von Crowdfunding ist, dass viele gute Ideen in ihrer Frühphase nun eine Chance haben, die sie früher nicht gehabt hätten", sagt Franziska Scheidel. Insofern stärkt Crowdfunding die Innovation in der Breite. Aber: "Die Idee oder das Produkt muss massenkompatibel sein und von jedem sofort verstanden werden", sagt sie. Fällt Visionäres daher beim Crowdfunding durch den Rost?

Ethan Mollick glaubt, dass auch revolutionärere Ideen eine Chance haben: "Crowdfunding ist nicht die Lösung für das nächste Clean-Energy-Projekt. Aber es bringt einige kleinere Projekte hervor, die die Welt verändern könnten." Zudem habe Forschung gezeigt, "dass viele wichtige Innovationen von Produktnutzern kommen", so Mollick. "Daher denke ich, dass Crowdfunding einen großen Einfluss auf Innovation haben kann." Projekte müssten außerdem gar nicht der großen Masse gefallen, sondern lediglich einer Gruppe von Menschen, die "aufregende Innovationen erkennen können und die einen Bedarf sehen, wo andere keinen erkennen". Tatsächlich haben viele Kickstarter-Projekte in der Regel nur eine drei- bis vierstellige Anzahl von Investoren. Und im Gegensatz zu Fords Auto und Jobs' und Wozniaks Rechner befinden sie sich in einer frühen Phase und müssen nicht sofort einen Massenmarkt erobern. Ähnlich sieht das auch Eric von Hippel, Innovationsforscher am MIT und Autor des Buches "Democratizing Innovation": "Alles, was Innovation erleichtert, erhöht insgesamt den Innovationsgrad eines Landes."

Allerdings geht es bei Venture Capital auch nicht primär um die Innovation. Das Ziel ist in der Regel: möglichst viel Gewinn in möglichst kurzer Zeit. Und darüber entscheiden wenige Einzelpersonen mit viel Geld. "Zu viel Kapital ist in zu wenigen Händen", räumt sogar Großinvestor Fred Wilson selbstkritisch ein. Allerdings hat Venture Capital gegenüber Crowdfunding einen wichtigen Vorteil: Risikokapitalgeber investieren nicht nur Geld, sondern auch eine Menge Erfahrung und vermitteln den Firmengründern wertvolle Kontakte. So verdankten Steve Jobs und Steve Wozniak Mike Markkula auch seine Kontakte zu weiteren Investoren und sein Know-how, wie man den Heimcomputer in großen Stückzahlen vermarktet. Das war so entscheidend für den Start von Apple, dass Wozniak, der den Rechner baute, im Rückblick Markkulas Anteil am Erfolg der Firma höher einschätzte als seinen eigenen und den von Jobs.

Diese Expertise eines Großinvestors fehlt nun so manchem Projektgründer, der durch Crowdfunding über Nacht zu viel Kapital gekommen ist. Pebble-Gründer Eric Migicovsky hat zwar nun einen Haufen Geld, aber auch einen Haufen Probleme. Denn jedem seiner Unterstützer, der mehr als 99 Dollar spendete, hat er eine oder gar zwei Pebble-Uhren versprochen. 1000 Uhren wollte Migicovsky eigentlich nur bauen. Nun muss er 85000 liefern. Irgendwie. (jlu)