Diese Daten kriegt ihr nicht!

Das Start-up Authentise will möglichen Urheberrechtsverletzungen bei 3D-Druck-Dateien mit einem Streaming-System begegnen, um es bei der neuen Technologie gar nicht erst zu einem Debakel à la Napster kommen zu lassen.

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Von
  • Tom Simonite

Das Start-up Authentise will möglichen Urheberrechtsverletzungen bei 3D-Druck-Dateien mit einem Streaming-System begegnen, um es bei der neuen Technologie gar nicht erst zu einem Debakel à la Napster kommen zu lassen.

Wer einmal einen 3D-Drucker in Aktion gesehen oder gar selbst genutzt hat, ist von der Technologie sofort fasziniert. Man entwirft einen Gegenstand am Rechner, und kurze Zeit später hat der sich auf der Bauplattform der Maschine materialisiert. Die Magie im Sinne von Arthur C. Clark, die dabei mitschwingt, hat aber – jedenfalls aus Industriesicht – auch eine dunkle Seite: Die Datenmodelle lassen sich beliebig kopieren und weiterverbreiten, nicht anders als MP3-Musikdateien. Vor 15 Jahren erschütterte Napster die Musikindustrie, indem es das Kopieren und Teilen perfektionierte. Genauso, fürchten Beobachter, könnte es bald Produktdesignern und verarbeitendem Gewerbe gehen.

Seit einiger Zeit zerbrechen sich deshalb die ersten Tüftler den Kopf, wie dem 3D-Druck das Napster-Schicksal erspart bleiben könnte. Der frühere Microsoft-Crack und Erfinder Nathan Myhrvold brachte vergangenes Jahr schon ein Kopierschutzsystem für die Drucker ins Spiel. Wie gut solch ein Digital Rights Management für Musik funktioniert hat, ist bekannt: Es ist längst Geschichte. Das kalifornische Start-up Authentise schlägt nun ein anderes Verfahren vor. Druckdateien werden von einem Portal direkt in die Maschinen gestreamt – eine Art Netflix für den 3D-Druck.

„Sie erhalten nicht die Konstruktionsdatei selbst, können sie also nicht kopieren und mit anderen teilen“, sagt Andre Wegner, CEO von Authentise. Ist der Druckvorgang abgeschlossen, werden die Daten sofort gelöscht. Übrig bleibt nur der Gegenstand auf der Bauplattform.

Authentise sei bereits mit einigen Firmen hinsichtlich „iTunes-artiger“ Portale, die 3D-Druck-Designs verkaufen, im Gespräch, so Wegner. Wer konkret Interesse an dem Verfahren hat, will er nicht sagen. Für ein Studio wie Disney, das seine animierten Filmfiguren auch als Merchandising vertreibt, könnte die Autenthise-Lösung aber interessant sein, fügt er jedoch hinzu.

Eine erste Version, SendShapes genannt, soll in diesem Monat online gehen. Wer sich über SendShapes Druck-Designs besorgen will, muss zuvor eine Software auf dem eigenen Rechner installieren, die den Datenstrom aus dem Netz an einen 3D-Drucker weiterleitet. Authentise, das zurzeit fünf Mitarbeiter hat, wird von der Singularity University unterstützt. Hinter der Nonprofit-Organisation für technische Weiterbildung stecken unter anderem Google und die X Prize Foundation.

Dass mit SendShapes das Kopieren und Weiterverbreiten von Designdaten im Keim erstickt werden könnte, glaubt Wegner allerdings nicht. Ihm geht es darum, für die neue Technik rechtzeitig funktionierende Bezahlangebote zu schaffen, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist – etwas, was die Musikindustrie Ende der 1990er versäumt hatte. „Man kann gedruckte Objekte billig und einfach genug machen, um die Mehrheit der Verbraucher dafür zu gewinnen“, glaubt der Gründer von Authentise. Vorbild sind für ihn iTunes, Amazon und Spotify, deren Geschäfte trotz Musikdaten-„Piraterie“ gut laufen.

Der Washingtoner Anwalt Michael Weinberg, der sich mit Urheberrechtsproblemen neuer Technologien beschäftigt, sieht für das Modell von Authentise durchaus einen Markt, da die 3D-Druck-Technologie zunehmend die Verbraucher erreicht. Ein Kopierschutzsystem hierfür müsse man jedoch mit Bedacht aufsetzen. Das zeige das Scheitern des Digital Rights Management für Musik.

„Es gibt aber Situationen, in denen eine geschützte Vertriebskette wirklich sinnvoll ist“, sagt Weinberg, „etwa für Ersatzteile.“ Da wolle man sicher sein, dass das Design das originale sei. Ob man das dann selbst druckt, beim 3D-Druckdienst Shapeways in Auftrag gibt oder in einer Staples-Filiale materialisieren lässt, ist da eher zweitrangig.

Wegner betont, seine Firma wolle nur Lösungen anbieten, die bequemer seien als das Herunterladen nicht freigegebener Designs. Kopierschutzmechanismen in Dateien oder Druckern gehören für ihn erst einmal nicht dazu.

Dass das Kopieren von Design-Dateien noch etliche Anwälte und Gerichte beschäftigen wird, ist bereits absehbar. Die Rechtslage sei hier viel komplexer als bei Musik oder Filmen, sagt Michael Weinberg. Während letztere als schöpferische Werke gelten und unter das Urheberrecht fallen, gilt diese Einstufung nach US-Recht nicht für „nützliche Gegenstände“.

Die Frage, ob eine 3D-Konstruktion ein schöpferisches Werk oder nur Blaupause für einen nützlichen Gegenstand ist, muss erst noch beantwortet werden. Diese Unklarheit werde Unternehmen nicht davon abhalten, ihre Interessen erst einmal mit Hilfe des Urheberrechts durchzusetzen. „Wenn man den Gebrauch einer Sache kontrollieren will, ist es eine verlockende Lösung, ein Urheberrecht darauf anzumelden“, schätzt Weinberg.

Tatsächlich hat die juristische Auseinandersetzung um die Kontrolle von Design-Daten schon begonnen. Im Februar verlangte US-Sender HBO von dem Online-Dienstleister nuProto aus Florida, nicht länger iPhone-Docks zu drucken, die Motive der enorm populären, von HBO produzierten Fantasy-Serie „Game of Thrones“ zieren.

Ähnliche Aufforderungen, Designs aus dem Angebot zu nehmen, sind auch schon bei Shapeways eingelaufen, das sich mit regelrechten Drucker-Farmen gerade zum führenden 3D-Druck-Dienstleister mausert. Das niederländische Unternehmen mit Hauptsitz in New York hat deshalb einen Fachanwalt für solche Fragen eingestellt. Die aufregende Welt des 3D-Drucks könnte in Zukunft noch zum heiß umkämpften Terrain werden.

(nbo)