Der Kompass-Rock

Auf der ergiebigen Fundgrube steampunkworkshop.com stellt die Kalifornierin Meredith Scheff ihre Arbeiten als Makerin vor. Ihre Projekte drehen sich um Soft Circuits und Wearable Technologies. Sie selbst sieht sich auf halbem Weg zwischen Handwerk und Software. In der Auswahl der Materialien, mit denen sie arbeitet, ist sie gerne unkonventionell.

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Von
  • Elke Schick
Inhaltsverzeichnis

Die Sichtbarkeit der Elektronik ist bei diesem Rock Teil des Designs.

(Bild: Meredith Scheff)

Für das Projekt 'A Scarf a day', für das sie im Januar 2011 täglich einen neuen Schal erstellte, hat sie einen Schal aus selbst erstellten Nudeln gewoben. Für einen zweiten hat sie Mull verwendet, den sie mit Nähten in viele kleine Rechtecke unterteilt hat. Diese kleinen Taschen wiederum befüllte sie mit Sprossen. Ob aus diesem Schal dann tatsächlich, wie beabsichtigt, ein lebendiger Sprossen-Schal wurde, ist leider nicht dokumentiert.

Über den Sparkfun-Shop verkauft sie ihre selbst gebauten flexiblen Leiterplatten (PCBs), die StarBoards, für die es ganz im Sinne von 'Sharing is caring' auch eine Anleitung zum Nachbau gibt. Das Projekt, das den Anstoß für diesen Artikel gab, ist ein LED-Kompass zum Tragen: der North Skirt.
Die Künstlerin hat LED-Streifen auf einen Rock genäht und diese per Kompass-Chip und Mikrocontroller so angesteuert, dass jeweils die LEDs aufleuchten, die nach Norden zeigen.

Wichtig beim Entwurf dieses Kleidungsstücks war der Erfinderin, dass die Verbindungen zwischen dem Mikrocontroller, dem Breakout Board und den LEDs nicht im Inneren des Kleidungsstücks oder auf der Rückseite verborgen, sondern Teil des Designs und somit optisch ansprechend sind. Die Basis bildet ein sogenannter Tellerrock mit breitem Bund, der nach unten hin weiter wird. Dieses Design stellt sicher, dass der Rock sich beim Drehen, das zur Vorführung der Funktionsweise notwendig ist, mitbewegt.

Der Mikrocontroller, ein ATmega 168 und das Breakout Board befinden sich in einem durchsichtigen Kasten auf dem Bund des Rocks. Links und rechts davon hat Meredith Scheff elastische PCBs aufgebügelt, auf die je vier Kabel aufgelötet sind, die die Hinleitungen zu den LEDs bilden. Die Batterien für die LEDs und das Breakout Board sind auch direkt neben das Board montiert, allerdings sind sie im Inneren des Bunds untergebracht.

Die LEDs hat sie auf vier StarBoards aufgelötet und die Leiterplatten danach aufgebügelt. Für die Verbindung der StarBoards nutzte sie elektrisch leitendes Garn. Dabei arbeitete sie mit einem Steppstich, der den Faden gut fixiert.

Das Entwurfsstadium: Der Mikrocontroller, das Breakout Board und die PCBs auf dem Bund

(Bild: Meredith Scheff)

Als Energiequellen verwendet sie eine 9V Batterie für die LEDs und eine 3,7V-LiPo-Akku für das Breakout Board. Bis auf die LEDs sind alle Elemente mit Steckverbindungen ausgestattet, so dass sie abgenommen werden können, wenn eine Wäsche des Rocks ansteht. Damit der Kasten mit dem Breakout Board und dem Mikrocontroller am Bund des Rocks hält, ist es mit Klettband fixiert. Wie bei fast allen Wearable Technologies kann man bei diesem Rock davon ausgehen, dass er von Hand gewaschen werden muss.

Der Blogeintrag macht Lust auf einen Nachbau, funktioniert aber als Anleitung zumindest für Anfänger nur eingeschränkt. Viele Inforamtionen fehlen, die man sich selbst zusammensuchen muss. Die Kosten für die elektronischen Bauelemente liegen bei ca. 150,- Euro, wenn man den Mikrocontroller selbst programmiert. Verwendet man den Bausatz, mit dem auch die Erfinderin gearbeitet hat, liegen die Kosten bei ungefähr 200,- Euro.

Nahaufnahme vom Bund: Die StarBoards sind aus sogenanntem Kapton Tape, einem temperaturbeständigem, leitfähigem Klebeband.

(Bild: Meredith Scheff)

Als Basis für die Steuerung der LEDs verwendet Meredith Scheff das NorthPaw Kit. Der Bausatz besteht aus einem Fußband mit acht Handy-Vibrationsmotoren, einem Kompass-Modul und einem Mikrocontroller. Beim NorthPaw wird über den Kompass und den Mikrocontroller jeweils der Motor eingeschaltet, der nach Norden zeigt.

Über diesen Bausatz führt der North Skirt übrigens in weitere kuriose Gebiete des Hackings. Das NorthPaw Kit nämlich soll laut den Herstellern dazu führen, dass die Träger des Fußbands durch die Gewöhnung an die Impulse der Vibrationsmotoren einen unfehlbaren Richtungssinn entwickeln. Nach einer gewissen Tragezeit soll dieser neue Sinn auch ohne das angelegte Fußband funktionieren. Entwickelt wurde das NorthPaw auf der Basis eines Projekts am Institut für Kognitionsforschung an der Universität Osnabrück.

Der Neurobiopsychologe Prof. Dr. Peter König untersucht mit einer Forschungsgruppe, wie neue sensorische Eindrücke in das Bewusstsein integriert werden. Zu diesem Zweck arbeitet die Gruppe mit dem feelSpace Belt dessen Funktionsweise der des NorthPaw-Fußbands entspricht.

Der obere Teil des Rocks mit den fertigen Verbindungen

(Bild: Meredith Scheff)

Mithilfe von Langzeit-Studien soll dabei gezeigt werden wie das Gehirn die Impulse des Gürtels verarbeitet. Ein erstes Ergebnis der Studie ist, dass sich bei den Probanden des Forschungsprojekts ein zusätzlicher Sinn ausbildet, der ein verbesserte räumlich Orientierung bewirkt. Auf Nachfrage teilte uns Prof. Dr. Peter König mit, dass sich jedoch noch nicht nachweisen ließ, ob dieser neue Sinn nach Ablegen des Gürtels bestehen bleibt.

Überschneidungen von Hacking und Neurowissenschaften sind übrigens auch in anderen Projekten vorhanden. So gibt es das nicht ganz gewaltfreie Projekt, bei dem sich ein Kakerlakenbein ohne zugehörige Kakerlake zu den Beastie Boys bewegt. Die Seite www.backyardbrains.com bietet Bausätze für die Spikerbox, ein Gerät zur Aufzeichnung von Gehirnströmen, zum Kauf an. Umgekehrt zeigen Suchergebnisse wie die Website der Brainhack Unconference, dass sich auch die Wissenschaft gerne bei den Methoden und Begriffen der Hacker bedient. (esk) (esk)