Einflussreicher Start-up-Brutkasten eröffnet Forschungslabor

Y Combinator gehört zu den bekanntesten Inkubatoren im Silicon Valley. Nun sollen dort auch Wissenschaftler tätig werden – und sich den ganz großen Problemen widmen.

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Von
  • Tom Simonite

Y Combinator gehört zu den bekanntesten Inkubatoren im Silicon Valley. Nun sollen dort auch Wissenschaftler tätig werden – und sich den ganz großen Problemen widmen.

Dropbox, Airbnb und Reddit sind nur drei von vielen bekannten Internet-Firmen, die bei der Start-up-Fabrik Y Combinator ihren Ausgang nahmen. Die Unternehmensbrutstätte aus dem Silicon Valley ist zur Institution geworden – und sie will nun ihren Einfluss weiter ausbauen.

Viele der fast 1000 Start-ups, die das drei Monate dauernde Y Combinator Boot Camp durchliefen, wurden zu Internet-Marken – und mehr als 40 von ihnen sind mittlerweile mehr wert als 100 Millionen US-Dollar. Inzwischen kümmert sich der Inkubator verstärkt um Hardware- und Biotechnikfirmen, sogar Kernkraft-Start-ups sind dabei.

Doch dabei soll es nicht bleiben: Y Combinator kündigte kürzlich ein eigenes Forschungslabor an. YC Research soll an grundlegenden Problemen in den Bereichen Wissenschaft und Technik arbeiten – und zwar über den Horizont der Start-ups hinaus.

Das Labor wird von Y-Combinator-Präsident Sam Altman zum Start mit 10 Millionen Dollar ausgestattet. Das erste Projekt von YC Research ist noch geheim. Klar ist aber bereits, dass es rund ein Dutzend Forscher beschäftigen wird. Im Interview mit Technology Review spricht Altman über die Pläne.

Technology Review: Warum startet Y Combinator ein eigenes Forschungslabor?

Sam Altman: Wir machen das, weil der Grundlagenforschung immer weniger Geld zur Verfügung steht und sich ihre Bedingungen ständig verschlechtern. Die US-Regierung streicht jedes Jahr Etats zusammen, die universitäre Forschung hat in vielerlei Hinsicht Probleme. Und die Forschung bei Unternehmen ist nicht offen genug und stets darauf ausgerichtet, was eine Firma benötigt.

Wenn Sie ein Weltklasseforscher im Bereich der Künstlichen Intelligenz sind, können sie an der Uni arbeiten oder Google wird versuchen, Sie abzuwerben. Wir werden den Leuten ordentliche Anteile an Y Combinator geben – zusätzlich zu ihrem Gehalt. So müssen sie sich nicht zwischen Geld und unabhängiger Forschung entscheiden. Sie können zu uns kommen und Wissenschaft betreiben, deren Ergebnisse der Welt dann kostenlos zur Verfügung stehen. YC Research Ist von unserer Seite als komplettes Non-Profit-Projekt angelegt. Wir können die Arbeit an Forschung und Technologie über einen Zeitraum von 20 bis 30 Jahren finanzieren.

TR: Wie viele Projekte wird sich Ihr Labor vornehmen?

Altman: Los geht es mit einem. Wenn das gut funktioniert, wird es weitere geben. Wir sagen noch nicht, an was diese erste Gruppe arbeiten wird – das wird noch einige Wochen dauern. Die Forscher erhalten einen direkten Zugang zu Y Combinator, sie können zu allen Veranstaltungen für unsere Firmen kommen und mit diesen sprechen. Viele der Y-Combinator-Start-ups werden auch Daten und andere Ressourcen spenden.

TR: Y Combinator ist bekannt für Gründungen wie Dropbox oder Airbnb, die dank Software schnell gewachsen sind und ganze Märkte geschaffen haben. Nun stecken Sie aber auch Geld in Start-ups, die aus dem Bereich der "harten Technik" kommen, etwa Biotechnologie oder Kernfusion.

Altman: Die Technik hinter Dropbox ist ziemlich komplex. Es stimmt natürlich, dass Y Combinator eine ganze Menge Thin-Software-Firmen finanziert hat – ich glaube aber nicht, dass Dropbox dazugehört.

Wir stecken Geld in werthaltige Innovationen, weil sie wichtig für den Planeten sind und für uns gleichzeitig hervorragende Gewinne abwerfen. Airbnb verändert die Welt und Kernfusion ändern die Welt – ich denke nicht, dass das eine besser oder schlechter als das andere ist.

TR: Als Organisation liegt die Expertise von Y Combinator vor allem im Internet- und IT-Bereich. Wie können Sie Firmen helfen, die sich mit Kernfusion oder Biotechnologie beschäftigen?

Altman: Y Combinator sagt den Start-ups nicht, wie sie ingenieurtechnisch vorzugehen haben – es geht darum, ein großartiges Unternehmen aufzubauen. Wenn man einer Softwarefirma erzählen muss, wie sie zu programmieren hat, war's das schon. Wenn wir einem Kernfusions-Start-up etwas über theoretische Physik zu lehren haben, wäre das quatsch.. Von uns kommt folgender Ratschlag: "Du willst eine gigantische Firma aufbauen – wir sagen Dir, was Du an Tag 1, Tag 80 und Tag 200 machen musst."

Fehlende Expertise in neuen Märkten soll uns nicht beschränken. Auf Prozentbasis gerechnet dürften wir bislang das beste Ergebnis aller Investoren im Silicon Valley geliefert haben. Ich denke, das liegt daran, dass wir Langzeitwetten abschließen, die anfangs auch mal risikoreich aussehen.

TR: Sind sie lange genug im Geschäft mit solchen Risikoinvestments, um das zu wissen?

Altman: Ich würde Dropbox als gutes Beispiel nennen. Jeder dachte anfangs, dass das eine lächerliche Idee ist. Jeder dachte, dass Y Combinator selbst ein lächerliches Modell ist und das wir solchen Firmen von Anfang an Geld geben.

TR: Der Investor Peter Thiel, der zu den frühen Facebook-Geldgebern gehört, meint, dass Internet- und Social-Networking-Firmen die Technologie an sich nicht sonderlich weit vorangebracht haben.

Altman: Peter ist einer meiner engsten Freunde und ich glaube, dass er in diesem Punkt vollkommen falsch liegt. Es ist einfach, auf 1939 bis 1970 zurückzuschauen und zu sagen: "Schau', was wir für Fortschritte gemacht haben" – und dann zu denken, das waren unglaubliche 31 Jahre. Schaut man sich die Phase von 1970 bis 2015 an, werden die Leute sagen, die Software-Revolution und die Internet-Revolution waren einige der größten Revolutionen in der Geschichte der Menschheit – zusammen vielleicht mit der Agrarrevolution und der industriellen Revolution.

TR: Wie sieht es in Bereichen außerdem der IT aus, bei Energie und Gesundheit? Thiel sagt, dass es hier keine grundlegenden Durchbrüche gab.

Altman: Talente und Kapital gehen immer dort hin, wo am meisten Gewinn erwartet wird. Wir werden noch unglaubliche Fortschritte im Softwarebereich machen und die werden dann viele Bereiche antreiben. SpaceX konnte seine Raketen viel billiger und schneller bauen, weil es passende Software gab. Die beiden Kernforschungsfirmen, die wir finanzieren, erledigen große Teile ihrer Arbeit in Software.

TR: Wird die Zahl der Pleiten in diesen Bereichen höher ausfallen?

Altman: Ja, natürlich. Wenn man sich an harten Problemen versucht, wird man auch oft scheitern. Mich stört das nicht – 177 Y-Combinator-Start-ups haben bislang zugemacht. Das ist okay, die Zahl sollte vermutlich größer sein. Doch es gibt da auch eine Marktkapitalisierung von 65 Milliarden Dollar für die Firmen, die durch das Y-Combinator-Programm gegangen sind. Die meisten würden ohne uns wohl nicht existieren.

TR: Einige Risikokapitalgeber befürchten, dass Start-ups im Silicon Valley überbewertet sind und insgesamt zu viel Geld ausgegeben wird. Ist das so?

Altman: Das ist definitiv richtig, mein Gefühl ist, dass die Bewertungen schon seit 2011 sehr hoch sind. Ich verstehe nicht, wie manche dieser Start-ups ihr Geld ausgeben. Die Burnrate vieler dieser Firmen ist schlicht verrückt.

Das Geld, das in das ganze System geflossen ist, hat die Start-ups auch nicht besser gemacht. Wir versuchen stets, unseren Firmen einzutrichtern, dass man sein eigenes Schicksal nur dann kontrolliert, wenn die Profitabilität kurz bevorsteht und man dabei seine Kosten niedrig hält. Wer externes Kapital braucht, hat keine Kontrolle. (bsc)