Eiskalt getestet

Menschen reagieren auf denselben Schmerzreiz sehr unterschiedlich. Das Gentest-Unternehmen will jetzt mit einer Massenstudie unter seinen Kunden die genetischen Ursachen dahinter erkunden.

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Von
  • Emily Mullin
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Vor kurzem hat Brian Pardy ein kleines Experiment gemacht: Er tauchte seine Hände in Eiswasser und ließ sie zweieinhalb Minuten darin. Anlass dafür war eine Bitte des Gentest-Unternehmens 23andMe. Als früher Interessent für solche Tests hatte Pardy seinen ersten schon im Jahr 2012 gekauft.

"Es war unangenehm und etwas schmerzhaft, aber längst nicht so schlimm, wie eine Stunde lang bei minus zehn Grad und mit nassen Handschuhen Schnee wegzuschaufeln", sagt Pardy, der im Nordwesten des US-Bundesstaats Vermont lebt. Laut 23andMe sind die meisten Menschen in der Lage, ihre Hände mindestens 100 Sekunden lang in eiskaltes Wasser zu tauchen.

Das Experiment, das Pardy gemacht hat, wird auch als Kältedrucktest bezeichnet und ist eine von mehreren Möglichkeiten, die Schmerztoleranz von Menschen zu überprüfen. Für 23AndMe ist es Teil einer Anfang Mai angekündigten Studie, bei der es um die genetischen Faktoren im Zusammenhang mit Schmerztoleranz geht – der erste Vorstoß des Unternehmen in den Bereich Forschung zuhause.

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Schon zuvor hat 23andMe Studien über Krankheiten wie Depression, Fruchtbarkeitsprobleme und Reizdarmsyndrom gemacht, bei denen die Teilnehmer nach ihrer Krankengeschichte, ihrem Lebensstil und ihre Ernährung gefragt wurden. Auch bei der neuen Studie gibt es zwei Befragungen, über Schmerztoleranz und Schmerzgeschichte. Gleichzeitig aber bittet das Unternehmen erstmals Privatleute, ein eigenes Experiment vorzunehmen und die Ergebnisse anzugeben.

Das Ziel der Studie ist, "die genetischen Faktoren zu verstehen, die mit dem Schmerzempfinden und der Reaktion auf Medikamente gegen Schmerzen zusammenhängen", sagt Carrie Northover, Leiterin Forschungsdienste bei 23andMe. Frühere Untersuchungen sprechen dafür, dass bei chronischen Schmerzen mehrere genetische Faktoren im Spiel sind und dass manche Gruppen von Menschen mehr über Schmerzen klagen als andere.

23andMe hat rund zwei Millionen Kunden, die zwischen 99 Dollar und 199 Dollar bezahlt haben, um anhand einer Spucke-Probe einen Teil ihres Genoms analysieren zu lassen. Ungefähr 85 Prozent davon haben laut dem Unternehmen zugestimmt, dass ihre Daten für Forschungszwecke verwendet werden dürfen, so dass es große Studien über die genetischen Grundlagen von bestimmten Eigenschaften und Krankheiten vornehmen kann. Wer an der Schmerzstudie teilnehmen möchte, muss eine weitere Zustimmungserklärung unterschreiben. Pardy hat das getan, weil er unter Rückenschmerzen leidet, wie er sagt. Viel lieber als ein Medikament zur Linderung hätte er eine echte Heilung.

Laut Northover ist geplant, 20.000 Amerikaner dazu zu bringen, die beiden Schmerzbefragungen mitzumachen; jeder zweite davon soll im Lauf eines Jahres auch den Kältedrucktest machen. Genauere Angaben zur geplanten Verwendung der Daten macht sie nicht. Sie "könnten dabei helfen, einen stärker personalisierten Ansatz für die Schmerztherapie zu entwickeln", sagt Northover nur. Partner für die Studie ist das deutsche Pharmaunternehmen Grünenthal.

Ajay Wasan ist Vice Chairman für Schmerzmedizin am Medical Center der Unversity of Pittsburgh. Nach seiner Aussage ist der Kältedrucktest nur eine von vielen Möglichkeiten zur Messung von Schmerz. Es gibt eine Reihe weiterer Tests, darunter solche zur Messung der Empfindlichkeit bei Hitze, Nadelstichen und Druck.

"Das Problem ist, dass kein experimenteller Einzeltest richtig gut die Schmerzempfindlichkeit allgemein erkennen lässt und dass es dabei keine hohe Korrelation zu chronischen Schmerzen oder der Reaktion auf Medikamente dagegen gibt", erklärt Wasan.

Für die Studie von 23andMe melden sich die Teilnehmer online für die Zeitmessung während ihres Eiswasser-Tests an. Der "Timer" zeigt jedoch nur einen Puls statt einer Zeit, damit die Teilnehmer nicht versuchen, "die Uhr zu schlagen", wie Northover sagt. Allerdings kann das nicht verhindern, dass sie möglicherweise falsche Daten berichten.

Wie ehrlich die Teilnehmer sind, wird sich aber feststellen lassen, wenn einige Personen den Tests gemacht haben. Die Daten werden dann zwischendurch analysiert, um zu prüfen, ob die Ergebnisse valide sind. "Wir müssten ähnliche Verteilungen bei den Reaktionen wie in der publizierten Literatur sehen", erklärt Northover.

(sma)