Energie sparen: Weniger heizen und sich trotzdem wohl fühlen

Um sich vom russischen Gas unabhängiger zu machen, können private Haushalte zum Beispiel weniger heizen. Doch: Wie viel Einsparung ist möglich?

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(Bild: Olivier Le Moal/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hanns-J. Neubert
Inhaltsverzeichnis

Haushalte sollen Energie sparen. Dazu will das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz auf seiner Website zu einer Effizienzkampagne motivieren. Akut geht es dabei allerdings weniger um den Klimaschutz, als vielmehr um die Einsparung von russischem Gas. Denn davon will sich Deutschland wegen des Ukrainekriegs möglichst schnell lossagen.

Immerhin deckt Erdgas nach wie vor 60 Prozent des Wärmebedarfs deutscher Haushalte. Allein schon durch die Senkung der Raumtemperaturen um ein Grad ließen sich sechs Prozent der Heizenergie einsparen, rechnet das Ministerium vor. Das Umweltbundesamt berechnete, dass sich rund zehn Terawattstunden Gas einsparen ließen, wenn alle Haushalte in Deutschland die Temperatur in den Wohnungen um ein Grad reduzieren. Bei einer Absenkung um zwei Grad wären es sogar rund 21 Terawattstunden – so viel wie der Wärme-Jahresverbrauch von Berlin und Hamburg zusammen.

Ganz nebenbei könnte diese Politik aber auch tatsächlich zu einer Beschleunigung der energetischen Gebäudesanierung führen, die seit Jahren kaum vorankommt. Denn je weniger Energie in Gebäuden verbraucht wird, desto weniger Ersatzerdgas müsste jetzt aus anderen Ländern beschafft und desto weniger Wind-, Solar- und Erdwärmekraftwerke müssten auf die Schnelle gebaut werden.

Eine Kurzstudie des Fraunhofer-Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB legt jedoch nahe, dass zumindest theoretisch noch viel mehr geht. Bis zu 62 Prozent an Gas ließen sich nämlich bereits auf der Ebene der Energielieferanten einsparen. Die Forscher modellierten die Möglichkeit, bei einer Auswahl von Stadtwerken Gas durch Strom zu ersetzen. Stadtwerke gehören zu den wichtigsten Wärmeversorgern. Deren Kosten würden durch einen solchen Umstieg aber um bis zu 35 Prozent steigen – und entsprechend auch die Kosten für die Verbraucher.

Die Studie hat aber einen Haken. Die Forscher nahmen nämlich an, dass sich die benötigte Strommenge am nicht gerade regenerativen Spotmarkt auch beschaffen ließe, berücksichtigen aber nicht, woher sie denn dauerhaft kommen könnte.

Einen Hinweis darauf, in welchen Haushalten die größten Einsparmöglichkeiten liegen könnten, gibt ein umfangreicher Report des Kopernikus-Projekts Ariadne des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Projektforscher befragten im Sommer 2021 rund 15.000 repräsentativ ausgewählte Haushalte nach ihren Ausgaben für Wärmeenergie, also nicht nach ihrem Energieverbrauch.

Erstaunlicherweise zeigte sich, dass Gutverdienende mit einem Monatseinkommen von mehr als 4.700 Euro zumindest finanziell am sparsamsten beim Energiekonsum sind, wohingegen Menschen mit geringerem Einkommen sehr viel mehr Geld für Heizung und Warmwasser ausgeben, vor allem, wenn sie in Hochhäusern wohnen. Erstere zahlen für Wärmeenergie zwischen 11,00 und 14,20 Euro pro Quadratmeter, letztere zwischen 14,40 und 22 Euro. Auch sind Eigentümer von Wohnraum mit 11,10 bis 12,50 Euro pro Quadratmeter sparsamer als Mieter, die zwischen 17,90 und 19,50 zahlen. Ob der Grund aber höhere Investitionen in bessere Wärmedämmung bei reicheren Haushalten und Eigentümern liegt, bleibt unklar.

Laut Umweltbundesamt sollten Wohnbereiche nicht über 20 Grad erwärmt werden, Küchen nicht über 18 Grad und Schlafräume nicht über 17 Grad.

Die Behörde betont aber, dass immer die individuelle Behaglichkeitstemperatur ausschlaggebend sein muss – und die ist sehr unterschiedlich.

So hat beispielsweise auch die Luftfeuchtigkeit einen Einfluss auf die Behaglichkeit. Je feuchter die Luft nämlich ist, desto niedriger kann man die Zimmertemperatur halten. Der körpereigene Kühleffekt durch Schwitzen ist bei höherer Luftfeuchtigkeit geringer, der Körper muss dafür weniger Arbeit aufwenden. Deshalb fühlen sich Menschen bei geringer Temperatur, aber höherer Luftfeuchtigkeit von etwa 40 bis 60 Prozent wohler.

Insgesamt ist Kälte besser zu ertragen als Wärme. Hitzewellen sind deshalb weitaus tödlicher als Kälteperioden. Gegen Kälte hilft Kleidung. Selbst wenn die Kerntemperatur im Körper auf 20 Grad sinkt, können Menschen überleben. Ab 42 Grad dagegen kann es tödlich werden, besonders, wenn gleichzeitig die Luft sehr feucht und der Wärmestau im Körper nicht durch Schwitzen abgeführt werden kann.

Die beiden Forscherinnen Yoshie Yagita und Yumiko Iwafune haben kürzlich die Energienutzung bei älteren Menschen in Japan untersucht, in dem Land, dessen Bevölkerung derzeit am schnellsten altert. "Die Ergebnisse zeigten, dass ältere Haushalte tendenziell ältere und größere Häuser oder Wohnungen, eine ältere Wohnungsausstattung und mehr Haushaltsgeräte besitzen. Außerdem neigen ältere Erwachsene dazu, während des Tages länger in ihren Wohnräumen zu bleiben, und sie sind weniger geneigt, ihren Status quo zu ändern", schreiben sie.

Im Alter sinkt allerdings auch der Energie-Grundumsatz des Körpers, weil alle Stoffwechselvorgänge zunehmend langsamer ablaufen und auch die körperliche Aktivität sinkt. Um das 60. Lebensjahr herum ist der Grundumsatz bereits um 20 Prozent geringer als im Alter von 30 Jahren. Somit brauchen ältere Menschen schon allein aus biologischen Gründen mehr Wärme, um sich wohl zu fühlen. Bei Ruheständlern kommt noch hinzu, dass sie sich eben auch tagsüber länger in ihren Wohnungen aufhalten, sie also auch dann heizen müssen, wenn Berufstätige ihre Heizungen niedriger stellen können.

Dennoch kämen große Veränderungen oder langfristige Investitionen, etwa in bessere Wärmedämmung, für viele ältere Japaner gar nicht erst in Frage, heißt es in der Studie. Die Befragten erklärten dies damit, dass sie ja gar nicht wüssten, wie lange sie noch zu leben hätten, schreiben die Wissenschaftlerinnen.

In Prognosen zum Wärmebedarf alternder Gesellschaften, wie sie typisch sind für reiche Länder, ist dieses Verhalten aber bisher noch kaum eingeflossen.

(jle)