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Elektrisch auf dem Campingplatz: Die Energiewende bei Wohnmobilen

Christoph M. Schwarzer
VW ID.Buzz

Volkswagen kündigt einen California auf Basis des ID.Buzz für das Jahr 2025 an. Der ID.Buzz wird in der Pkw- und Cargo-Version aber schon ab Sommer 2022 ausgeliefert. Die Umrüstbetriebe der Campingbranche werden sich darauf stürzen. Vorteil aller Elektroautos: Die Standheizung ist serienmäßig, und theoretisch lässt sich der Strom aus der Batterie auch zum Kochen und für den Kühlschrank nutzen.

(Bild: VW)

Die Verbindung aus Batterie und Camping-Anforderungen bietet sich an, und doch steht dieses Thema erst am Anfang. Das könnte sich bald ändern.

Das Camping auf Rädern erlebt einen beispiellosen Boom. Die Zulassungszahlen sind beeindruckend: Die Statistik des Kraftfahrtbundesamts [1] (KBA) weist für das vergangene Jahr 79.594 erstmals zugelassene Wohnmobile aus. Dazu kommen 24.369 neue Wohnwagen. Die Ursachen für den Erfolg sind vielfältig: Es gibt mehr Menschen, die Kaufkraft und Freizeit haben. Die Pandemie befördert den Wunsch nach Eskapismus. Die Social-Media-Kanäle spiegeln diese weltweite Entwicklung unter Hashtags wie "Vanlife" oder "Bushcraft" als Echokammer wider. Freiheit pur, modern interpretiert. Das Hotel ist démodé. Nur in einem Punkt ist die Community erstaunlich traditionell: Die Energieversorgung ist fast immer fossil. Aber es gibt mehr als nur versteckte Hinweise, dass das nicht so bleibt.

Schauen wir zuerst auf den Ultraklassiker unter den Vans, den VW Bus, der mal im Volksmund Bulli oder nach den Baureihenkürzeln T1 bis T6 heißt. Bei den Bestandsfahrzeugen dominiert der Dieselmotor den Antrieb. Auch bei der Standheizung, die sich Surfer nicht nur im dänischen Klitmöller, dem Cold Hawaii des Nordens wünschen, wird gerne der Kraftstofftank als Energiequelle angezapft. Als Alternative ist LPG (Abkürzung für Liquified Petroleum Gas oder deutsch Flüssiggas) in den bekannten Flaschen zu fünf oder elf Kilogramm am beliebtesten. Die meisten Camper setzen LPG auch fürs Kochfeld ein, und die Kühlschränke sind gerne multi-energiefähig und vertragen 12  Volt, 220 Volt sowie LPG.

Diese Kombination aus Dieselkraftstoff für den Vortrieb und LPG fürs warme Essen sowie einem von beiden für die Standheizung dominiert die Wirklichkeit. Wer Off Grid stehen will, also keinen externen Stromanschluss hat, benötigt außerdem eine ordentliche Batterie für die Steuerung der Bauteile. Um sie zu laden, sind häufig Solarpaneele mit Leistungen von 100 bis 500 Watt auf den Dächern zu finden.

Volkswagen lässt derweil die Pkw-Version (Zulassungsjargon: M1) des T6.2 auslaufen, während die Nutzfahrzeug-Version (N1) in Hannover weitergebaut wird. Die mannigfaltigen und oft erfahrenen Umbaubetriebe, die den T6.2 als Basisfahrzeug benutzen, müssen also vorerst nicht umdenken. Das werden sie, genauso wie die gesamte Branche, mittelfristig trotzdem tun. So hat Volkswagen mit dem T7 Multivan e-Hybrid (ab 57.174 Euro) erstmals einen Plug-in-Hybridantrieb im Bus-Programm. Bei einer ersten Ausfahrt zeigte sich, dass der Fahreindruck sich ganz erheblich vom zuletzt im VW Bus alternativlosen Diesel unterscheidet. Es muss sich erst noch erweisen, ob die Kunden das in der Form mittragen.

Sehr wahrscheinlich bekommt der PHEV-T7 spätestens zum 1. August 2023 eine erheblich größere Batterie (Netto-Kapazität aktuell: 10,4 kWh) bekommen, weil der e-Hybrid nach dem Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung [2] sonst aus jeglicher Förderfähigkeit fällt. Außerdem hält sich hartnäckig das Gerücht, dass mit der technischen Überarbeitung auch eine elektrische Hinterachse optional hinzukommt. Allradantrieb ist eine gute Sache, wenn man auf dem Parkplatz vor dem Skilift, am Sandstrand oder mit dem Wohnwagen anfahren will.

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Bewegung in die Energiewende bringt aber erst der VW ID.Buzz, der am 9. März vorgestellt werden soll. Batterieelektrische Autos haben per se eine Standheizung. Volkswagen baut hoffentlich einen Camp Mode ein, wie er bei allen Teslas serienmäßig ist: Die Klimatisierung läuft, der Rest wie etwa das Tagfahrlicht nicht. Eine wichtige Camping-Funktion wäre so kostenfrei erfüllt.Der ID.Buzz ist von Beginn an als Pkw- und Cargo-Version zu haben. Nach Letzterer ruft vor allem der niederländische Markt, weil Steuervorteile winken. Die Umrüstbetriebe werden sich auf beide stürzen, weil Volkswagen selbst erst für 2025 einen California-Buzz ankündigt.

Klar ist, dass ein Energieinhalt von mindestens 77 kWh in der Batterie auch fürs Kochen mit einem Induktionsherd ausreicht. Ob Volkswagen wie zum Beispiel Hyundai im Ioniq 5 auch eine entsprechende, wenigstens einphasige Steckdose zur Verfügung stellt, wird sich zeigen. Ein Plus des Kochens mit Strom ist, dass lediglich das Wasser im Topf, nicht aber die Verbrennung von LPG Luftfeuchtigkeit erzeugt. Der Wasserdampf ist einer der Gründe, warum viele Wohnwagenfans am liebsten im Vorzelt kochen.

Wohnmobile

Der VW ID.Buzz zeigt das Potenzial, das ein batterieelektrischer Camper hat. Fahren, Heizen, Kochen und Kühlen, ja sogar für das erwärmte Duschwasser kann die Energie aus dem Speicher kommen. Den mit Abstand größten Energiehunger verursacht dabei das Fahren selbst. Anschließend können die Freunde der gepflegten Wildübernachtung Of Grid stehen.

Der in Stellantis aufgegangene PSA-Konzern hat einen Van im Angebot, der unter den Marken Citroën, Fiat, Opel, Peugeot und Toyota baugleich erhältlich ist. Entweder mit Dieselmotor oder elektrisch mit 50 oder 75 kWh Energiegehalt. Darauf basierende Camper wie der Hymer Crosscamp (auf Opel und Toyota) sind aber zurzeit genausowenig ohne Dieselmotor bestellbar wie der Pössl Vanster, und auch beim Mercedes EQV sucht man einen Freizeitstromer vergebens – noch.

Aber nicht alles, was die Energiewende betrifft, kommt erst morgen oder übermorgen. Ein reales Beispiel sind die Wohnwagen von Knaus mit dem Ausstattungspaket E.POWER [13]. Die Knaus Tabbert AG gehört mit rund 3000 Mitarbeitern und diversen Marken von Knaus über Weinsberg bis Morelo zu den Großen im Land. Bei E.POWER, erhältlich für die Traditions-Wohnwagen Sport und Südwind, ersetzt der Stromanschluss das Flüssiggas. In Europa haben schließlich fast alle Campingplätze Stromanschlüsse an jedem Stellplatz.

Die Gasprüfung entfällt ebenso wie das Schleppen der Flaschen. Das Leergewicht sinkt etwas, wodurch die Zuladung steigt. Zusätzlich zur elektrischen Heizung ist eine Klimaanlage serienmäßig, was in Südeuropa ein Segen sein kann. Der Clou: Bei Knaus E.POWER kann die Stromstärke eingestellt werden, die am Stellplatz verfügbar ist. Sechs, zehn oder 16 Ampere. Der Wohnwagen priorisiert automatisch die Geräte. Wenn also gerade viel Strom fürs Kochen gebraucht wird, wird der Kühlschrank kurzzeitig abgestellt.

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Bei den Wohnmobilen sind Kastenwagen zurzeit besonders beliebt, weil sie nicht teurer oder sogar günstiger sind als ein VW Bus, aber in großen Teilen den Komfort echter Wohnmobile bieten: Stehhöhe, Klo, Küche, Festbett. Ab rund 40.000 Euro geht es los. Das beliebteste Basisfahrzeug ist der Fiat Ducato, der baugleich mit dem Citroën Jumper im Bild ist.
(Bild: Pössl)

Der Haken: In Europa variiert der Strompreis sehr stark. Manchmal gibt es eine Flatrate, manchmal kostet die Kilowattstunde 60 Cent, teilweise auch deutlich mehr. Die fossilen Energieträger sind in vielen Fällen momentan einfach billiger. Weil Geld aber nicht immer die größte Rolle spielt – anders sind die eingangs erwähnten Absatzzahlen ohnehin nicht zu erklären – ziehen manche Kunden den Komfort vor. Wer noch mehr investieren möchte, lässt sich eine teure Lithium-Batterie einbauen und ein Solarpaneel installieren. Das dämpft die Kosten des externen Stroms. Allerdings muss dabei klar sein: Der so erzeugte Strom hat erhebliche Anlaufkosten. Batterie, Solarmodule, die nötige Elektronik und Installation verschlingen leicht eine vierstellige Summe.

Mega-Trend ist aber weder der Bulli-Van noch der Wohnwagen. Stattdessen werden die höchsten Stückzahlen bei Kastenwagen und Wohnmobilen auf Basis des Fiat Ducato erreicht. Fiat hat dieses Segment über Jahrzehnte etabliert. Das Unternehmen ist zu einem verlässlichen Zulieferer geworden. Zum Beispiel mit Fahrgestellen, auf denen ein teil- oder vollintegriertes Wohnmobil aufgebaut werden kann. Oder mit Kastenwagen, also vereinfacht gesagt den Transportern, deren Außenwände bestehen bleiben, deren Inneres aber mit Stehhöhe, Querbett (der Ducato ist die entscheidenden Zentimeter breiter als ein Mercedes Sprinter oder VW Crafter), Toilette, Sitzgruppe und Miniküche ausstaffiert ist. Besonders die Kastenwagen laufen den Bulli-artigen Vans den Rang ab, weil sie nicht teurer sind, aber mehr bieten. Allerdings gibt es zum Dieselmotor bisher nur auf dem Papier eine Alternative, und das liegt zuerst am Preis.

Formal und real kann jeder einen Fiat e-Ducato bestellen. Er ist mit 47 oder 79 kWh Energiegehalt zu haben. Bei einem e-Ducato im Format L2H2, also mit Stehhöhe innen, muss selbst bei weniger als 130 km/h auf der Autobahn locker mit 40 kWh/100 km gerechnet werden. Bei zurückhaltender Fahrweise könnten 200 km Reichweite drin sein. Insofern ist die große Batterie das Mindestmaß. Preis des teilverglasten e-Ducato mit ansonsten nacktem Laderaum sowie Auflastung auf 4,25 Tonnen: Ab 93.120 Euro.

Wohlgemerkt, der Campingausbau kommt obendrauf. Auch Selbstverständlichkeiten wie die Schnell-Ladefähigkeit mit nur 50 kW schlagen ins Kontor: 2200 Euro Aufpreis. Bedenkt man nun, dass fertige Camping-Kastenwagen auf Basis des Fiat Ducato mit Dieselmotor ab rund 40.000 Euro erhältlich sind, wird offensichtlich, dass sich absehbar kaum jemand für einen e-Ducato entscheiden wird. Der Unterschied bei Preis und Reichweite ist schlicht zu groß.

Ohnehin könnte bei so großen Fahrzeugen die Stunde der Brennstoffzelle schlagen. Auch hier aber sind Serienanwendungen selten: Hyundai wird den Van Staria, der so etwas Ähnliches ist wie ein VW T6 mit langem Radstand ist, ab 2023 mit brennstoffzellen-elektrischem Antrieb [16] liefern. Renault macht das Gleiche mit dem Master, baut jedoch die Drucktanks aufs Dach, wodurch die Stehhöhe verloren geht – also auch keine Alternative. Der Multi-Marken-Van von Stellantis kommt mit einem Plug-in-Hybrid mit einer Kombination aus extern aufladbarer Batterie sowie Brennstoffzelle. Hier könnte ein interessantes Package entstanden sein. Preis und Verfügbarkeit werden im Lauf des Jahres bekannt.

So beschränkt sich die Lebenswirklichkeit der Energiewende beim Camping auf ein paar werksseitige Vans vom VW ID.Buzz über den Opel Zafira-e Life bis zum Mercedes EQV, bei denen der eigentliche Ausbau vorerst vom Besitzer nachgerüstet werden muss. Die professionellen Umbauer werden sicher bald nachziehen. Dem Beispiel von Knaus mit dem elektrischen Energiepaket werden mutmaßlich einige Wettbewerber folgen. Für die Übergangszeit hilft es vielleicht, dem norwegischen Youtuber Björn Nyland nachzueifern: Er hat es sich zum Sport gemacht, Elektroautos nicht nur zu testen, sondern auch in deren Kofferraum mit umgeklappten Rücksitzen zu übernachten. Ein Tesla Model 3 (Test) [17] im Camp Mode bietet auch am Nordkap Wärme und Wetterschutz. Nur Bequemlichkeit, eine Küche und ein Klo sucht man vergebens.

(mfz [18])


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[1] https://www.kba.de/SharedDocs/Downloads/DE/Statistik/Fahrzeuge/FZ8/fz8_202112.pdf?__blob=publicationFile&v=3
[2] https://www.heise.de/hintergrund/Koalitionsvertrag-zum-Thema-Mobilitaet-Signale-fuer-eine-Verkehrswende-6277748.html
[3] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_6338100.html?back=6338048;back=6338048
[4] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_6338100.html?back=6338048;back=6338048
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Klartext-Glampervans-4154660.html
[6] https://www.heise.de/tests/Fiat-E-Ducato-Teurer-Elektro-Transporter-im-Fahrbericht-6225694.html
[7] https://www.heise.de/autos/artikel/Rundgang-E-Modelle-auf-dem-Caravan-Salon-2019-4502787.html
[8] https://www.heise.de/hintergrund/Erfahrungsbericht-Campingbus-zum-mobilen-Buero-umfunktionieren-4715895.html
[9] https://www.heise.de/hintergrund/Amphibien-Camping-4919642.html
[10] https://www.heise.de/autos/artikel/125-Jahre-Diesel-Patent-Wie-der-Selbstzuender-ins-Auto-kam-3635111.html
[11] https://www.heise.de/tests/Der-Wanderer-Opels-Elektro-Bulli-Zafira-e-Life-Elegance-im-Test-4945127.html
[12] https://www.heise.de/ratgeber/Fuer-den-Wohnwagen-Sat-Fernsehen-ueber-WLAN-fuer-jedes-Familienmitglied-5002808.html
[13] https://www.knaus.com/de-de/wohnwagen/epower/
[14] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_6338110.html?back=6338048
[15] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_6338110.html?back=6338048
[16] https://www.heise.de/hintergrund/Nationale-Wasserstoffstrategie-Wie-funktionieren-Wasserstoffautos-6137253.html
[17] https://www.heise.de/tests/E-Sports-Unterwegs-im-Tesla-Model-3-SR-4711748.html
[18] mailto:mfz@heise.de