Event Horizon Telescope: Was der erste direkte Nachweis eines Schwarzen Lochs bedeutet

Mit dem Event Horizon Telescope ist historisches gelungen: Der erste direkte Nachweis eines Schwarzen Lochs. Eine Erklärung der Hintergründe.

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EHT Das schärfste Teleskop aller Zeiten und die Abbildung eines Schwarzen Lochs

Die elliptische Riesengalaxie M87 hat etwa die 200fache Masse der Milchstraße, 100mal mehr sie begleitende Kugelsternhaufen als unsere Heimatgalaxie und enthält ein supermassereiches Schwarzes Loch mit rund 6,5 Milliarden Sonnenmassen, das einen gigantischen Jet ausstößt.

(Bild: NASA, ESA and the Hubble Heritage Team (STScI/AURA))

Lesezeit: 19 Min.
Von
  • Alderamin
Inhaltsverzeichnis

Am Mittwoch war ein historischer Tag für die Astrophysik: Zum ersten Mal hat die Menschheit die Silhouette eines Schwarzen Lochs erblickt! Natürlich waren sich die Astrophysiker schon lange ziemlich sicher, dass es Schwarze Löcher geben müsse, aber Naturwissenschaften müssen sich stets mit der Wirklichkeit abgleichen, sie sind empirisch. Nur so kann zwischen verschiedenen Modellen das richtige ausgewählt werden. Es spiele keine Rolle, wie schön eine Theorie sei und wie klug ihr Erfinder, hat der große Physiker Richard Feynman einst angemerkt – wenn die Theorie nicht mit den Beobachtungen übereinstimmt, dann ist sie falsch.

Deswegen kann die am 10. April auf sechs parallelen Pressekonferenzen gezeigte Aufnahme eines schwarzen Lochs in ihrer Bedeutung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden – vergleichbar mit dem ersten Nachweis der Allgemeinen Relativitätstheorie anhand der Ablenkung von Sternenlicht 1919 oder dem Nachweis von Gravitationswellen durch das Gravitationswellenteleskop LIGO im Jahr 2015.

Seit Newtons Gravitationsgesetz war schon bekannt, dass es einer bestimmten Geschwindigkeit bedarf, der Gravitation einer Masse antriebslos zu entkommen, der Fluchtgeschwindigkeit. Schon im Jahre 1783 hatte John Michell erkannt, dass die Fluchtgeschwindigkeit einer hinreichend großen Masse – Michell sprach von 500 Sonnendurchmessern bei gleicher Dichte wie derjenigen der Sonne, das wären 125 Millionen Sonnenmassen – die Lichtgeschwindigkeit überschreiten würde, so dass ein Lichtkorpuskel ihr nicht würde entkommen können. Ein dunkler Stern.

Das Schwarze Loch von M87

(Bild: 

EHT Collaboration)

Wenn eine Masse im Radius rS=2GM/c² (mit der Gravitationskonstanten G, der Masse M und der Lichtgeschwindigkeit c) eingeschlossen ist, dann erreicht die Fluchtgeschwindigkeit bei diesem Radius die Lichtgeschwindigkeit. rS heißt nach dem Physiker Karl Schwarzschild Schwarzschildradius. Seit Einsteins Relativitätstheorien wissen wir, dass die Lichtgeschwindigkeit nicht nur irgendeine Ausbreitungsgeschwindigkeit von Photonen ist, sondern eine ganz fundamentale Konstante der Raumzeit. Nichts kann sich schneller bewegen. Und deswegen entkommt nicht nur kein Licht Schwarzen Löchern, sondern gar nichts – sie sind ultimative Einbahnstraßen. Sie sind allerdings nicht notwendigerweise 500 Mal so groß wie die Sonne. Sie können viel dichter und kleiner sein. Oder auch viel größer.

Schwarze Löcher gibt es in 2 Geschmäckern: Da sind zunächst die stellaren, die aus dem Kernkollaps von Sternen mit mehr als rund 20 bis 25 Sonnenmassen entstehen. Ihr Schwarzschildradius beträgt etwa 3 Kilometer multipliziert mit ihrer Masse in Sonnenmassen. Da nur der Kern des Sterns kollabiert, liegen stellare Schwarze Löcher bei 3 bis 10 Sonnenmassen, also Schwarzschildradien von 10 bis 30 km. Gegen die viele Millionen Kilometer durchmessenden Vorläufersterne, die in ihrer Phase als Riesenstern sogar Milliarden Kilometer durchmessen können, sind sie Winzlinge.

Deswegen ist ihre Gravitation so enorm: Man hätte der gesamten Masse des ursprünglichen Sterns nirgends nahe genug kommen können, um so einer Gravitation ausgesetzt zu sein, weil selbst an seiner Oberfläche der größte Teil des Sterns hunderttausende Kilometer entfernt gewesen wäre und die Schwerkraft mit dem Quadrat der Entfernung abnimmt. Am Schwarzschildradius ist die gesamte Masse hingegen nur ein paar Kilometer entfernt, deswegen ist die Schwerkraft dort so gewaltig.

Teleskope des Event Horizon Telescopes (18 Bilder)

Das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) der Europäischen Südsternwarte in Chile
(Bild: ESO/C. Malin)

Schwarze Löcher sind daher auch keine kosmischen Staubsauger: Wenn man ihnen so nahe kommt, dass ihre Schwerkraft größer als die ihres Vorläufersterns wird, dann befände man sich schon längst tief im Inneren eines Sterns mit der gleichen Masse und wäre längst tot. Auf größerem Abstand wie zu einem gewöhnlichen Stern gleicher Masse ist ihre Schwerkraft genau so groß wie bei einem solchen. Und nur jeder 10.000te Stern bringt genug Masse auf, um am Ende seines Lebens zum Schwarzen Loch zu werden. Man muss sich nicht sorgen, dass eines von ihnen bei uns zu Besuch kommen könnte.

Neben den stellaren Schwarzen Löchern finden wir in den Zentren fast aller Galaxien große Massekonzentrationen, die sich durch um sie herum rasende Sterne und Gas verraten, und die oft auch Quellen von Radio-, Licht- oder Röntgenstrahlung sind. Bei diesen handelt es sich um supermassereiche Schwarze Löcher. Diese bringen es auf Millionen bis zu Milliarden Sonnenmassen, und auf Schwarzschildradien von einigen Millionen bis Milliarden Kilometern. Ihre Größe korreliert anscheinend mit dem sie umgebenden Galaxienkern, so dass Galaxie und Schwarzes Loch sich in irgendeiner Weise beeinflusst zu haben scheinen.

Ihre Entstehung ist noch unklar. Die wahrscheinlichste Theorie besagt, dass bei der Entstehung der Galaxien so viel Gas in deren Zentrum floss, dass dort Schwarze Löcher ohne den Umweg über Sterne und Supernovae entstanden. Dafür spricht, dass sie sehr früh entstanden und in noch in der Entstehung begriffenen Galaxien als Quasare leuchten, in die noch große Mengen Gas hinein stürzen.

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Nicht die Schwarzen Löcher selbst, aber die von ihnen angezogene Materie leuchtet. Sie kann wegen der Impulserhaltung nicht einfach geradewegs hineinstürzen, sondern sammelt sich zunächst in einer um das Schwarze Loch kreisenden Akkretionsscheibe, in der sie sich durch Kollisionen und Verdichtung erhitzt und zum Plasma wird, das von Radio- bis Röntgenstrahlung in allen elektromagnetischen Frequenzen leuchtet. Diese Quasare sind tatsächlich die hellsten Objekte des Universums – bis zu hundertmal heller als die Galaxien, die sie umgeben, deswegen erschienen die zuerst entdeckten in Teleskopen punktförmig wie Sterne, ohne dass man ihre viel schwächer leuchtende Galaxien wahrnahm – quasistellare Radioquellen.

Im heutigen Universum gibt es keine Quasare mehr, es entstehen keine neuen Galaxien, aber es gibt aktive Galaxienkerne, in denen supermassereiche Schwarze Löcher noch aktiv Materie verschlucken. Eine nahe aktive Galaxie ist elliptische Riesengalaxie Messier 87 (M87), 55 Millionen Lichtjahre entfernt und das dominierende Objekt im benachbarten Virgo-Galaxienhaufen, an dessen Peripherie sich unsere lokale Gruppe aus Milchstraße, Andromeda-Galaxie und einer zweistelligen Anzahl von Zwerggalaxien befindet.

M87 enthält ein supermassereiches Schwarzes Loch von 6,5 Milliarden Sonnenmassen und mit einem Durchmesser von 39 Milliarden Kilometern – 260 Mal der Abstand Erde-Sonne oder gut viermal der Durchmesser der Neptunbahn. Das Schwarze Loch in M87 verschluckt pro Tag 90 Erdmassen und feuert einen 5000 Lichtjahre langen Jet ins All, ein Materiestrahl aus geladenen Teilchen der Akkretionsscheibe, die von deren Magnetfeldern auf fast Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden, ein Prozess der noch nicht vollständig verstanden ist.

Auch im Zentrum der Milchstraße verbirgt sich ein Schwarzes Loch, die Radioquelle Sagittarius A* im Schützen (lat. Sagittarius). Aus der Beobachtung von es umkreisenden Sternen wissen wir, dass es 4,1 Millionen Sonnenmassen aufbringt. Es hat zwar auch eine Akkretionsscheibe, welche die eigentliche Radioquelle Sgr A* bildet, die jedoch nur dünn gefüllt ist und daher ist sie derzeit friedlich und ohne Jet. Neuere Beobachtung deuteten darauf hin, dass die Achse der Akkretionsscheibe in etwa auf uns ausgerichtet sein könnte.

Wie es im Inneren von Schwarzen Löchern aussieht, wissen wir nicht mit Bestimmtheit. Die Allgemeine Relativitätstheorie kennt zwei Lösungen für nicht geladene Schwarze Löcher: die Schwarzschildlösung für nichtrotierende und die Kerr-Lösung für rotierende Schwarze Löcher. Bei der Schwarzschildlösung kollabiert die Masse theoretisch zu einem dimensionslosen Punkt, der Singularität, die von einem kugelförmigen Ereignishorizont mit dem Schwarzschildradius 2GM/c² umgeben ist.

Alles, was den Ereignishorizont überschreitet, endet unvermeidlicherweise in der Singularität und wird vorher durch die Gezeitenkraft, die Kraftdifferenz zwischen den der Singularität nahen und fernen Enden, zerrissen oder "spaghettifiziert", wie man in Fachkreisen sagt. Bei einem stellaren Schwarzen Loch passiert dies sogar schon außerhalb des Ereignishorizonts, bei einem supermassereichen erst innerhalb, aber doch unausweichlich, denn innerhalb des Ereignishorizonts muss jede Bahn zur Singularität hin verlaufen.

Schwarzschild-Löcher dürften allerdings kaum in der Realität vorkommen, da sich alles im Universum dreht und die Erhaltung des Drehimpulses dafür sorgt, dass sich die Materie bei einem Kollaps umso schneller dreht, je weniger Raum sie einnimmt, wie eine Pirouetten drehende Eisläuferin, wenn sie Arme und Beine näher an ihre Drehachse heranzieht. Bei der Kerr-Lösung für rotierende Schwarze Löcher bildet die Singularität einen Ring. Rotierende Schwarze Löcher zerren die umgebende Raumzeit mit sich im Kreis herum (Lense-Thirring-Effekt).

Je schneller ein Schwarzes Loch rotiert, desto größer wird die Ringsingularität und desto kleiner der Ereignishorizont, bis sie bei einer maximalen Rotationsrate den Ereignishorizont innen berührt, an welchem die Raumzeit dann mit Lichtgeschwindigkeit rotieren würde – ein Lichtstrahl, der das Schwarze Loch gegen die Rotationsrichtung umkreiste, würde somit auf der Stelle stehen bleiben. Die rotierende Raumzeit und ihr Drehsinn wirken sich auf die Größe der Öffnung in der umgebenden Akkretionsscheibe aus. Durch die Ermittlung des inneren Radius von Akkretionsscheiben lässt sich die Rotationsrate eines Schwarzen Lochs bestimmen und viele supermassereiche drehen sich demnach mit 40 bis 80 Prozent der Lichtgeschwindigkeit.

Dies alles behauptet jedenfalls die Allgemeine Relativitätstheorie, die bisher alle Tests mit Bravour bestanden hat. Sie versagt allerdings an der Singularität und liefert dort unsinnige Ergebnisse, die mit der ebenso erfolgreichen Quantenphysik nicht vereinbar sind, denn diese kennt keine scharf lokalisierten Punktmassen. Es wird eine bessere Theorie benötigt, die beide enthält und zusammenführt, und die notwendigerweise irgendwo von der Allgemeinen Relativitätstheorie abweichen muss. Solche Abweichungen sucht man und hofft sie in der extremen Umgebung eines Schwarzen Lochs zu finden.

Dies war einer der Gründe, warum man den Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs direkt beobachten wollte. Sieht die Silhouette aus, wie die Allgemeine Relativitätstheorie sie vorhersagt? Wie lenkt der Ereignishorizont das Licht der Akkretionsscheibe um sich herum? Entspringt der Jet der Ergosphäre genannten Zone um das Schwarze Loch, wo Materie nicht mehr ruhen könnte, oder der Akkretionsscheibe selbst? Wie genau verliert die Materie Drehimpuls, bevor sie in das Schwarze Loch stürzen kann? Wie ist die Akkretionsscheibe orientiert, relativ zu uns und zur Drehachse des Schwarzen Lochs? Diese Fragen standen am Beginn der Idee des Event-Horizon-Teleskops (EHT).

Der Vorschlag, ein Schwarzes Loch aufzunehmen, stammt schon aus dem Jahr 2000, aber die Umsetzung wurde erst mit der heutigen Technik möglich: mit Radioteleskopen von mehr als 10 Metern Durchmesser für den Millimeterwellenbereich mit Oberflächen, die nur Zehntelmillimeter von der Idealform abweichen dürfen, im Hochgebirge und in Wüsten stationiert, wo möglichst wenig absorbierender Wasserdampf in der Atmosphäre vorhanden ist, mit Datenaufzeichnung auf Terabyte-Festplatten und modernsten Superrechnern, die die unglaublichen Datenmengen verarbeiten konnten. Und so das schärfste Teleskop aller Zeiten synthetisierten.

Das EHT ist kein einzelnes Teleskop, sondern ein weltweiter Verbund aus acht Radioteleskopen, die für das Projekt temporär zu einem virtuellen Teleskop von der Größe der Erde verbunden wurden. Die Technik nennt sich VLBI, "Very Long Baseline Interferometry", also Interferometrie mit sehr langen Basislinien. Basislinien sind hierbei die Abstände jedes Paares von Radioteleskopen. Eine unter einem kleinen Winkel zur Senkrechten der Basislinie einfallende ebene Radiowelle erreicht eines der Teleskope ein wenig früher als das andere. Der Laufzeitunterschied zeigt den Einfallswinkel zur Senkrechten an. Je länger die Basislinie, desto größer wird der Laufzeitunterschied für einen bestimmten Winkel und umso kleinere Winkeldifferenzen kann man unterscheiden. Allerdings nur für Winkel entlang der Richtung der Basislinie.

Prinzip der VLBI. Eine zur Basislinie geneigt einfallende Wellenfront erreicht eines der Teleskope um einen kleinen Laufzeitunterschied t früher als das andere. Der Laufzeitunterschied ist ein Maß für den Winkelunterschied zur Senkrechten. Er wird größer, wenn man die Basislinie vergrößert – somit kann man kleinere Winkeldifferenzen messen und schärfer abbilden.

(Bild: Kamil Teke et al., DOI:10.9733/jgg.120512.1)

Man braucht mindestens eine weitere, kreuzende Basislinie, um Winkel in beiden Himmelskoordinaten unterscheiden zu können. Dann kann die Intensität der Radiostrahlung für alle Sichtwinkel in einer Ebene abgebildet werden und ein "Radiobild" daraus erzeugt werden. Je mehr Basislinien man verwendet, desto präziser lassen sich die Winkel bestimmen und je länger die Basislinien, desto größer ist das Auflösungsvermögen, das heißt umso feinere Details lassen sich abbilden. Bei den Laufzeitunterschieden reden wir übrigens von Bruchteilen einer Wellenlänge, und diese ist daher ebenfalls von Bedeutung: Je kleiner die Wellenlänge, desto schärfer wird das Bild. Das EHT arbeitet bei einer Wellenlänge von 1,3 mm (230 GHz) und erreicht damit eine Winkelauflösung von mindestens 20 µas (micro arc seconds = millionstel Bogensekunden – eine Bogensekunde ist der 3600te Teil eines Winkelgrades).

Eine solche Auflösung ist auch nötig, denn die Silhouette von Sagittarius A* (Schwarzschildradius rund 12,5 Millionen Kilometer) hat einen Winkeldurchmesser von nur 37 µas, das entspricht etwa dem Sehwinkel eines Tennisballs – auf dem Mond! Kein optisches Teleskop auf der Erde kann auf dem Mond Objekte erkennen, die kleiner als 200 m sind. Das EHT "sieht" 5000-mal schärfer als das Hubble-Teleskop. Ein optisches Teleskop müsste 10 Kilometer durchmessen, um die Auflösung des EHT zu erreichen.

Optische Teleskope lassen sich zwar auch zu Interferometern kombinieren, aber nur lokal durch analoge Überlagerung ihrer Strahlengänge, was ihre möglichen Basislinien und damit die Auflösung begrenzt. Das Interferometer des Very Large Telescopes in Chile, das die vier großen 8,2-m-Hauptgeräte sowie 4 bewegliche Hilfsteleskope mit 1,8 m Öffnung einsetzt, erreicht 4 Millibogensekunden Auflösung, das Äquivalent eines 130 m durchmessenden Teleskops. Es hätte nicht den Hauch einer Chance, Sagittarius A* aufzulösen.

VLBI funktioniert nur mit Radioteleskopen. Statt die Signale wie beim optischen Interferometer analog zu überlagern, werden sie mit Atomuhr-gestützter Zeitnahme digital abgetastet und auf Platte gespeichert. Die Aufzeichnung der zwischen dem 4. und 14. April 2017 durchgeführten EHT-Beobachtungen produzierte 4 Petabyte an Daten, die 6 Kubikmeter Festplattenkapazität beanspruchten – mehr als irgendein Experiment je an Daten in einem vergleichbaren Zeitraum produziert hat.

Die Radioteleskope des EHT zeichneten die empfangenen Signale nach deren digitaler Abtastung mit hochpräzisen Zeitmarken von Atomuhren auf Festplatten auf, die als Fracht zu den bei Korrelator-Superrechnern in Haystack (Massachusetts, USA) und Bonn reisten, wo aus ihnen Bilder synthetisiert wurden.

(Bild: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), J.Pinto & N.Lira.)

Man bringt die Aufzeichnungen danach in einem Supercomputer, dem Korrelator, zur virtuellen Überlagerung. Das EHT hat deren gleich zwei: einer steht im Haystack-Observatorium beim MIT in Massachusetts, ein anderer beim Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. Zur exakten phasentreuen Überlagerung wäre eigentlich eine exakte Lokalisierung aller Teleskope auf Submillimetergenauigkeit nötig, die auch die Drehung der Erde mit berücksichtigt, was allerdings selbst mit GPS nicht gelingt. So muss der Korrelator nach dem besten "Fit" für die Signale suchen, ein Grund dafür, dass die Erstellung der Bilder fast zwei Jahre benötigte. Ein anderer war, dass die wichtigen Aufzeichnungen des Südpol-Teleskops erst im antarktischen Sommer ausgeflogen werden konnten.

Eigentlich hatte man mit einem Bild von Sagittarius A* gerechnet, aber die Daten des Primärziels der Beobachtungskampagne waren nicht gut genug, und das um das relativ kleine Schwarze Loch kreisende Plasma habe während der mehrtägigen Beobachtung wie ein unruhiges Kleinkind in seinem Stuhl hin und her gewackelt, veranschaulichte es Heino Falcke, der die Ergebnisse in Brüssel präsentierte. Sagittarius A* wolle man sich daher in der Zukunft widmen.

So konzentrierte man sich stattdessen auf ein Bild des Schwarzen Lochs in M87, in Anlehnung an Sgr A* auf den vorläufigen Namen M87* getauft. Zwar ist es rund 2000-mal weiter entfernt als Sgr A*, 500 Milliarden Milliarden Kilometer, wie Falcke betonte, aber auch 1600-fach massereicher und größer und damit von vergleichbarem Winkeldurchmesser. M87* verhielt sich während der Aufnahme ruhig und behäbig, 4 an verschiedenen Tagen von ihm aufgenommene Bilder unterschieden sich nur minimal.

Links das am 6. April 2017 aufgenommene Bild von M87*, in der Mitte eine Simulation auf der Basis eines magneto-hydrodynamischen Modells unter Berücksichtigung der Allgemeinen Relativitätstheorie (general relativistic magnetohydrodynamic model GRMHD) und rechts eine auf die Auflösung des EHT von 20 µas weichgezeichnete Version des Bildes in der Mitte. Die Übereinstimmung von Beobachtung und Theorie ist überzeugend.

(Bild: The Event Horizon Telescope Collaboration, ESO.)

Auf dem präsentierten Bild, das Falcke als einen "Blick auf die Pforten der Hölle" bezeichnete, ist eine ringförmige Struktur zu erkennen, die eine kreisförmige Verdunklung einrahmt, häufig als Schatten des Schwarzen Lochs bezeichnet. Es ist nicht etwa der Ereignishorizont selbst, sondern das Innere des Photonenrings, eine 2,5-mal größere Zone, in der das Licht stark abgelenkt wird (starke Gravitationslinsenwirkung) und somit nicht auf geradlinigem Weg von der dahinter liegenden Akkretionsscheibe zu uns gelangen kann. Der Ring könne der innere Teil der Akkretionsscheibe oder die Basis des Jets sein, erläutert Falcke. Er durchmisst etwa 42 µas.

Bei dem abgebildeten "Licht" handelt es sich vor allem um Synchrotronstrahlung, die von im Kreis beschleunigten Elektronen im heißen kreisenden Plasma abgestrahlt wird. Die Aufhellung auf der Unterseite des Rings deutet auf eine Rotation im Uhrzeigersinn aus unserer Perspektive hin und wird durch den Dopplereffekt verursacht, der nicht nur auf der sich in unsere Richtung drehenden Seite die Wellenlänge verkürzt, sondern auch die Intensität der Strahlung erhöht. Ob sich da die Akkretionsscheibe selbst dreht oder das rotierende Schwarze Loch die Raumzeit mitzieht und somit dem Licht einen zusätzlichen Kick verpasst, können die Forscher noch nicht mit Bestimmtheit sagen.

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Die Auflösung des Bildes ist doch sehr begrenzt im Vergleich zur Größe des Objekts, und die für verschiedene Situationen vorab produzierten Zehntausende von Simulationen sahen sich größtenteils sehr ähnlich, weil die Lichtablenkung im Schwerefeld alle anderen Effekte dominierte. Das reale Bild gleicht diesen auf der Basis der Allgemeinen Relativitätstheorie erstellten Simulationen aufs Haar, eine Abweichung von der Vorhersage durch neue Physik hat sich leider noch nicht gezeigt. Albert hat mal wieder Recht behalten.

Die Vermessung der 100 Milliarden Kilometer durchmessenden dunklen Silhouette ergab eine Masse von 6,5 Milliarden Sonnenmassen, in Übereinstimmung mit der Masse, die zuvor aus den Umlaufgeschwindigkeiten von Fixsternen ermittelt worden war. Diese gewaltige Masse ist hier also auf einen dunklen Raum in der Größenordnung unseres Sonnensystems zusammengepfercht, sodass Bosonensterne als alternative Erklärung ausgeschlossen werden können. Ein Wurmloch komme ebenfalls nicht infrage. Damit haben die Forscher den bisher stärksten Beleg für die Existenz von Schwarzen Löchern vorgelegt.

Dieses Bild sei aber erst der Anfang. Man werde zum Beispiel noch Daten über die Polarisation der Radiostrahlung auswerten und somit auf die Magnetfelder rückschließen können, die maßgeblich für die Entstehung des Teilchen-Jets sein sollen. Man möchte Animationen erstellen, die Veränderungen der Akkretionsscheibe sichtbar machen. Die Beobachtungen mit dem EHT gehen indes weiter und es wächst: im vergangenen Jahr schloss sich ein Teleskop in den französischen Alpen dem Verbund an und eines auf Grönland soll noch folgen. Sogar von Teleskopen im Weltraum ist die Rede, um noch größere Basislinien zu ermöglichen und noch kleinere Schwarze Löcher in anderen Galaxien aufzulösen.

Mehrfach nahmen die in Brüssel Vortragenden Bezug auf eine Äußerung von Michael Kramer, amtierender Direktor des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn, dass das gezeigte Bild eine Zäsur sein, die eine Zeit trenne, bevor die Menschheit ein Schwarzes Loch erblickt hat, von einer Zeit danach. Wir befinden uns gerade am Beginn eines Zeitalters, in dem Schwarze Löcher durch direkte Beobachtung erforscht werden können und Einsteins Relativitätstheorie an einer der denkbar extremsten Umgebungen mit der Wirklichkeit abgeglichen werden kann. (mho)