zurück zum Artikel

Fenster hebt Stimmung

Ben Schwan

Fraunhofer-Forscher haben eine neuartige Scheibe entwickelt, die das Wohlbefinden der Menschen, die dahinter leben und arbeiten, steigern soll.

Fraunhofer-Forscher haben eine neuartige Scheibe entwickelt, die das Wohlbefinden der Menschen, die dahinter leben und arbeiten, steigern soll.

Moderne Isolier-Glasscheiben, wie sie in vielen Wohnhäusern und Büros verbaut werden, reflektieren teilweise blaues Licht, das laut Medizinern stimmungsaufhellend wirkt und für den Tag-Nacht-Rhythmus wichtig ist. Forscher am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (ISC) in Würzburg haben mit dem Industriepartner Centrosolar Glas deshalb nun eine neue Beschichtung entwickelt, die die für den Menschen angenehmen Strahlen besser passieren lassen soll.

Die Beschichtung besteht aus einem anorganischen Material, das nur 0,1 Mikrometer dick ist und besonders im Wellenlängenbereich von 450 und 500 nm mehr Licht durchlässt. Laut den ISC-Forschern ist die Schicht optisch kaum wahrnehmbar und reduziert auch die Dämmeigenschaften des Glases nicht. Der Stoff sei zudem langzeitstabil.

Das Fraunhofer-Fenster soll möglichst viel nützliches Lichtspektrum durchlassen.

Das Fraunhofer-Fenster soll möglichst viel nützliches Lichtspektrum durchlassen.

(Bild: Uniglas)

Der Fensterscheibenhersteller Uniglas aus Montabaur, der sich von Fraunhofer und Centrosolar Lizenzen gesichert hat, bringt bereits ein mit dem Material beschichtetes, dreifach isoliertes Fenster namens "Vital Wohlfühlglas" auf den Markt. Es soll den spektralen Lichtdurchgang bei Isolierglas sogar im Bereich von 380 bis 580 nm ordentlich anheben können.

Die meisten Fenster waren bislang darauf optimiert, den Hauptstrahlungsanteil bei 555 nm besonders gut durchzuleiten, weil diese Wellenlänge das Helligkeitsempfinden des menschlichen Auges stark anspricht. Neuere Studien gehen allerdings davon aus, dass eine maximale Durchlässigkeit bei 460 nm besser wäre. Beim "Vital Wohlfühlglas" liegt diese bei 79 Prozent, während herkömmliche Dreifach-Isoliergläser hier nur 66 Prozent erreichen. Als möglicher Grund für die positive Wirkung gilt, dass der mit der Netzhaut in direkter Verbindung stehende Hypothalamus im Gehirn, der für die Kontrolle des Schlaf-Wachzustands zuständig ist, bei 460 nm besser anzusprechen scheint. "Es schafft Lichtverhältnisse, die dem einer Einfachverglasung sehr nahe kommen, sagt Thomas Fiedler, technischer Leiter bei Uniglas.

Uniglas

Wellenlängenvergleich: Fenster ist nicht gleich Fenster, sagen die Forscher.

(Bild: Uniglas)

"Unser Biorhythmus wird nicht von den Wellenlängenbereichen beeinflusst, die für die höchste Helligkeit im Raum verantwortlich sind, sondern von dem Blauanteil des Lichts", sagt der am Projekt beteiligte ISC-Diplomingenieur Walther Glaubitt. "Ein vergleichbares Glas gab es bislang noch nicht. Es vermittelt den Eindruck, als sei das Fenster dauerhaft geöffnet." Das blaue Licht beeinflusse auch die innere Uhr des Menschen, sagt Glaubitts Kollege Jörn Probst, der sonst unter anderem an biohybriden Werkstoffen forscht. Wird es nicht durchgelassen, könne das beispielsweise den Hormonhaushalt beim Melatonin stören. "Unsere Beschichtung bewirkt, dass man sich leistungsfähiger fühlt und seltener krank ist", hofft Probst.

Bei Uniglas wirbt man unter anderem mit einer Verminderung von Ermüdungserscheinungen und einem besseren Schlafrhythmus durch sein "Wohlfühlglas". Zudem könne es die Aufmerksamkeit verbessern und Winterdepressionen reduzieren, weil mehr "gute" Wellenlängen durchgelassen werden. Insgesamt steigere "das Licht mit Wirkung" das Wohlbefinden von Bewohnern oder Büroarbeitern. Das hat allerdings auch seinen Preis: Die zusätzliche Beschichtung sorgt für einen Aufpreis.

Uniglas

Das fertige Produkt lässt sich auch zur Verglasung größerer Flächen nutzen.

(Bild: Uniglas)

Endgültig abgeschlossen ist die Entwicklung zudem noch nicht: Als Nächstes wollen die Fraunhofer-Forscher neben den Glasinnenflächen auch die Seiten zu Straße und Wohnung hin beschichten. Somit steige die Lichtdurchlässigkeit in sinnvollen Bereichen des Spektrums noch stärker, erklären sie. "Bislang haben wir nur die dem Scheibenzwischenraum zugewandten Glasoberflächen mit unserer Spezialbeschichtung ausgestattet", sagt Glaubitt.

Würde die Beschichtung auch auf den bewitterten Oberflächen erfolgen, sei bei 460 Nanometern ein Lichtdurchgang von etwa 95 Prozent zu erreichen. Noch weiter verbessern ließe sich das dann höchstens noch, indem man die Fensterscheiben entspiegelt. Doch das würde für einen deutlichen Preisschub sorgen, der über dem liegt, was die anorganische Beschichtung kostet. (bsc [1])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-1651296

Links in diesem Artikel:
[1] mailto:bsc@heise.de