Neues Recycling-Verfahren: Gold aus Schrott – dank Molke

Ein Aerogel aus Abfällen der Milchindustrie hilft beim Gold-Recycling aus Elektroschrott. Ein veganes Verfahren ist in Arbeit.

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Aus einem zerschredderten Motherboard konnten die Forschenden der ETH Zürich ein halbes Gramm Gold extrahieren.

(Bild: Raffaele Mezzenga)

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Beim Gedanken an alte Milch wird vielen Menschen vermutlich einfach nur übel. Im Team von Raffaele Mezzenga an der ETH Zürich hingegen sorgt das vergorene Weiß für Visionen. Schon vor einigen Jahren haben die Forschenden aus Molke, einem Abfallprodukt der Milchindustrie, unter anderem Filter für radioaktive Abfälle und Schwermetall im Abwasser hergestellt. Ihre jüngste Erfindung: ein Aerogel, mit dem sie Gold aus Elektroschrott wieder gewinnen können.

Aus einem Computer-Motherboard holten sie mit dem Aerogel aus Molke 90 Prozent des Edelmetalls heraus, wie sie im Fachblatt "Advanced Materials" berichten. Sie ernteten ein halbes Gramm Gold mit 21 bis 22 Karat. Das entspricht etwa der Reinheit von Münzgold. Es sei eine "Win-Win-Strategie" heißt es in der Studie. " Zwei wichtige Abfallquellen werden nachhaltig beseitigt: Elektronikschrott und Lebensmittelabfälle. Das verkleinert ihren ökologischen Fußabdruck und verleiht ihnen über die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft einen neuen Wert".

Gold ist ein stark nachgefragtes Edelmetall, das nicht nur als Geldanlage oder für Schmuck genutzt wird. Das Metall ist ein sehr guter elektrischer Leiter, es lässt sich gut formen und kann chemische Reaktionen als Katalysator beschleunigen. Die Gewinnung allerdings ist oft mit menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen verbunden, mit Kinderarbeit und sie ist in der Regel Gift für die Umwelt. Schon allein deshalb ist Recycling angeraten.

Doch während Zahn- oder Schmuckgold leicht durch Einschmelzen wieder als Rohstoff genutzt werden kann, ist die Rückgewinnung aus Elektroschrott ungleich komplizierter. In Handys, oder anderen Elektronikgeräten stecken oft nur relativ kleine Mengen, zudem viele weitere Metalle und Halbleiter, die alle abgetrennt werden müssen. Schätzungen zufolge werden weltweit mittlerweile mehr als 60 Millionen Tonnen im Jahr aus Elektroschrott recycelt. Klingt viel, ist aber nur rund 20 Prozent der möglichen Menge.

Bisher wird in der Regel Aktivkohle zur Extraktion des Edelmetalls genutzt, die aber laut Studie mit einem großen Ressourceneinsatz verbunden ist. Alternativen werden auch von anderen Forschungsgruppen untersucht. Sie setzen unter anderem auf metall-organische Gerüstverbindungen, andere nanoporöse Strukturen oder einen besonderen Graphen-Typ. Ihre Praxistauglichkeit allerdings müssen sie alle noch beweisen.

Der Trick von Mezzengas Team: Es stellt aus Molkeproteinen unter Einsatz von Säure und bei hohen Temperaturen sogenannte Amyloid-Nanofibrillen her. Das sind nanometerdünne und ein paar Mikrometer lange faserartige Proteinbruchteile. Durch Gefriertrocknen und chemische Zusätze fertigten die Forschenden aus den Fasern das Aerogel, also ein Gel mit luftgefüllten Poren.

Sie testeten die Fähigkeit des Gels zur Goldextraktion zunächst an in Wasser gelösten Metallsalzen – eine Mischung verschiedener Metallionen, darunter Blei, Kupfer und Mangan – und stellten fest, dass im Aerogel vor allem Gold hängen bliebt. Es zeigte sich, dass das Aerogel dabei nicht nur die Ionen einfing, sondern diese auch zu elementarem Gold umwandelte.

Anschließend wagte sich das Team an das Motherboard eines Computers. Es zerschredderte das Board und löste die Metalle mithilfe eines aggressiven Säuregemisch heraus. Dann gab es das Aerogel in die Säure. Es sei stabil geblieben und hätte schon im ersten Anlauf über 60 Prozent des enthaltenen Goldes aus der Lösung gezogen – insgesamt ein halbes Gramm, berichten die Forschenden. Die anderen Metalle fanden sie in deutlich kleineren Anteilen im Aerogel. Die Reinheit des geernteten Goldes lag laut Studie zwischen 21 und 22 Karat.

Auch in der Ökobilanz kann das Aerogel offenbar gegenüber dem gängigen Extraktionsverfahren mit Aktivkohle punkten. Es braucht deutlich weniger Material und ist für weniger Treibhausgasemissionen verantwortlich, vor allem weil Aktivkohle überwiegend aus fossilen Rohstoffen gewonnen wird. Allerdings hat die mit der Milchproduktion verbundene Tierhaltung einen schlechten ökologischen Fußabdruck. Daher liegt das Aerogel aus Molke in diesem Kriterium hinter der Aktivkohle.

Mezzenga ficht das nicht an – und hat schon eine Lösung parat. "Unser Konzept kann auch auf andere Abfallproteine übertragen werden, aus denen sich Nanofibrillen herstellen lassen", sagt Mezzenga. Auch pflanzliche Proteine seien als Adsorptionsmittel geeignet. Wie gut sie für das Gold-Recycling funktionieren, will sein Team als Nächstes genauer untersuchen.

(anh)