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Google Base bietet Spielraum für Spekulationen

Eric Hellweg

Googles neuer Datenbankdienst "Google Base" ermöglicht es Benutzern, ihre Inhalte leichter im Netz auffindbar zu machen, in dem sie sie direkt bei der Suchmaschine hochladen können.

Ich hatte in der vergangenen Woche die Gelegenheit, mich näher mit Googles neuem Datenbankdienst "Google Base" zu beschäftigen und mit Nutzern und Internet-Experten zum Thema zu sprechen. Meine vorläufige Bilanz: Es ist ein faszinierender wie fehlerbehafteter Ansatz, der die Nutzerschaft dazu bewegen soll, Google selbst mit Informationen zu versorgen. Statt selbst ihre Spider-Software durchs Web zu schicken, sollen die Inhalte künftig von selbst zur Suchmaschine kommen.

Google Base durchbricht das Muster, das sich aus den jüngsten Produkten der Firma ergab. Es ist kein leicht verständlicher Informationsdienst wie Google Maps oder Gmail. Es geht darum, dass die Firma alle Informationen aufnehmen möchte, die die User mit ihr teilen. Im Gegensatz zu den Google Maps, Gmail & Co., die ihre Konkurrenten klar schlugen, wirkt Google Base zumindest aus Nutzersicht eher wie eine Lösung, die noch nach einem Problem sucht. Dementsprechend dürften sie auch anders auf Google Base reagieren als auf die bisherigen Google-Angebote.

Die Arbeitsweise von Google Base, am 16. November gestartet, ist ziemlich trivial: Jeder registrierte Google-Benutzer kann jede Art von Informationen auf die Server der Suchmaschine hochladen. Sie werden dann für andere Benutzer innerhalb von Google Base durchsuchbar gemacht. Egal ob es nun Baby-Fotos, Rezepte, eine Anzeige für einen Gebrauchtwagen oder eine Doktorarbeit ist - alles, was man für andere Menschen auffindbar machen will, lässt sich bei Google Base einstellen.

Zusätzlich lassen sich jedem hochgeladenen Inhalt so genannte Attribute zuweisen -- dieses Feature nutzt den aktuellen US-Web-Hype zum Thema "Tagging", also der Markierung von Inhalten mit Hilfe von Schlüsselbegriffen. Mit Hilfe der Tags (oder, bei Google, Attributen) können die Nutzer ihre Information katalogisieren statt auf komplexe Suchmaschinentechnik oder Schlüsselbegriff-basierte Anzeigen zu vertrauen, um die Relevanz einer Seite zu bestimmen.

Grundsätzlich verlässt sich Google dabei auf seine Nutzer - sie werden zu Torwächtern, die letztlich bestimmen, wie man diese Daten auffinden können wird. Dieser Ansatz ist eine Abkehr von der bisherigen Google-Strategie, automatisierte Suchalgorithmen nahezu alles erledigen zu lassen. Der Google-Base-Ansatz erinnert an das alte Modell von Yahoo, bei dem ein Team von Redakteuren interessante Internet-Adressen von Nutzern zugeschickt bekamen, die dann klassifiziert wurden. "Mit dem Tagging können Google-Base-Nutzer nicht nur Informationen online stellen und der Welt präsentieren, sondern sie auch flüssig organisieren", meint David Weinberger, Autor von "Small Pieces Loosely Joined: A Unified Theory of The Web". Es sei eine Infrastruktur, die die Leute leicht benutzen könnten.

Um Google Base vorab mit Inhalten zu bestücken, setzte die Suchmaschine auf verschiedene ausgewählte Firmen und Organisationen. Eine davon ist das World Resources Institute, ein umweltpolitischer Think Tank in Washington. Amy Cassara, die an dem Institut arbeitet, berichtet, dass man bereits die letzten zwei Jahre damit zugebracht hatte, seine Inhalte von verschiedenen Datenformaten in das Web-Format HTML zu konvertieren. Damit wollte man die Chancen erhöhen, dass das Material des Instituts leichter in Googles Suchergebnissen auftauchen würde. Nun kann Cassara viele dieser Seiten direkt in Google Base hochladen. Google offeriert hierzu eine Funktion namens "Bulk Upload", mit der ähnliche Daten schnell in die Datenbank gelangen.

"Lohnt es sich, all diese Informationen erneut hochzuladen? Ich weiß es nicht. Das werden wir sehen", sagt Cassara. Die bisherigen Ergebnisse seien allerdings sehr erfreulich: Es kam zu 70 Prozent mehr Datenverkehr auf der Seite des Instituts, nachdem Google Base startete. Cassara hofft, dass ihre Informationen in Google Base künftig noch leichter zu finden sein werden: "Bislang ist es ziemlich schwer, an unsere Inhalte zu gelangen, obwohl es bislang nur 25 Inhaltepartner gibt." Cassara wünscht sich außerdem, dass der Besucher-Anstieg der ersten Tage auf der Instituts-Seite weiter anhält und nicht nur Resultat des ersten Medienrummels war.

Solche Erfolge sind schön und gut, doch worum geht es Google überhaupt? Die Homepage der Suchmaschine zeigt sich nach wie vor in ihrer berühmten Zen-mäßigen Strenge, doch hinter den Kulissen wird ein komplexes Netzwerk an Funktionen zusammengebaut, das mehr und mehr Nutzer bringen soll -- und damit noch höhere Werbeumsätze.

Bislang funktioniert das sehr gut: Googles Aktie stieg zwischenzeitlich auf über 400 Dollar. Und trotzdem steht Google Base ein harter Kampf bevor, weil hier Dienste angeboten werden, die es anderswo schon gibt. Sites wie Flickr, YouTube, eBay, Craigslist, MySpace oder Ourmedia lassen die Benutzerschaft längst Inhalte hochladen und einige erlauben es bereits, Tagging zu verwenden.

Natürlich ist es nach kaum mehr als einer Woche noch zu früh, Google Base abschließend zu bewerten. Wie andere junge Beta-Produkte der Suchmaschine hat die Datenbank noch ihre Kanten. Beispielsweise konnte ich selbst kein persönliches Profil anlegen, weil das System ständig behauptete, ich hätte meinen Namen falsch geschrieben.

Bislang halte ich die Spekulationen diverser Medien, Google Base sei der Todesstoß für Angebote wie die Auktionsseite eBay oder den vor allem in den USA populären Anzeigenmarkt Craigslist, für außerordentlich verfrüht. Zwar mag es sein, dass einige Aspekte des Dienstes sich definitiv an Anzeigenmärkten orientieren -- so verschwinden Seiten automatisch nach 31 Tagen, sollte man es nicht explizit anders einstellen. Aber Verkäufer brauchen einen großen Marktplatz an Käufern, die es bei Google Base bislang noch nicht gibt.

"Wir sehen Google Base nicht als Konkurrenten", meint denn auch Craigslist-CEO Jim Buckmaster. Die Philosophie seines Dienstes, sich als öffentliches Angebot zu verstehen, sorge dafür, dass man sich um Wettbewerber keine Gedanken machen müsse. Wirklich interessant wird es für Google Base, sobald die Inhalte auch über Googles Hauptsuche erreichbar sind. Firmensprecher Nathan Tyler sagt, dass das passieren wird, auch wenn man noch keine entsprechenden Pläne bekannt zu geben habe. Einfach wird das allerdings nicht: Laut Tyler nutzt Google Base ein völlig anderes Ranking-System als Googles über google.com erreichbare Hauptsuche.

Trotzdem: Ein neuer Google-Dienst macht immer Schlagzeilen, schließlich hat die Firma dank des erfolgreichen Börsengangs viel Geld in der Kriegskasse und ein Heer an fleißigen Entwicklern. Solange Google Base jedoch nicht einfacher zu nutzen ist und die Vorteile des Hochladens eigener Daten klar erkennbar werden, ist der Dienst kaum mehr als eine Kuriosität in Googles großem Werkzeugkasten.

Von Eric Hellweg; Übersetzung Ben Schwan. (wst [1])


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