Hightech und Lowtech: Wie Seoul und Tokio den Halloween-Horror bekämpfen wollen

Eine Massenpanik in Südkorea hat im vergangenen Jahr die beiden Hotspots ostasiatischer Halloween-Feiern aufgeschreckt. Seoul setzt auf KI, Tokio auf Appelle.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 10 Kommentare lesen
Menschenmenge (Illustration)

(Bild: Thomas Wittwer / shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Kölling

Vor einem Jahr wurde Halloween in Südkorea zum nationalen Horror. Im Ausgehviertel der Hauptstadt Seoul, in Itaewon, wurden mehr als 150 Menschen in einer engen Gasse zu Tode gequetscht. Nun überlegt neben Seoul auch die zweite asiatische Halloween-Hochburg, Tokio, wie sie eine Massenpanik zu dem Festimport aus den USA verhindern können. Die Ansätze sind dabei sehr unterschiedlich.

Seoul setzt auf Hightech: Die Stadt investiert massiv in Hightech-Systeme zur Echtzeit-Überwachung von Menschenmassen. Mittendrin das südkoreanische Start-up Wata. Es hat ein System entwickelt, das mit Hilfe von Licht- und Abstandssensoren (LiDAR) Menschenmengen auch im Dunkeln erkennt.

Die gewonnenen Daten werden zusammen mit Bildern von bestehenden Überwachungskameras mit künstlicher Intelligenz analysiert, um Risiken frühzeitig zu erkennen. Laut der Stadtregierung sendet das System eine Warnung an die Katastrophenschutzeinheiten der Stadtbezirke, die Stadtverwaltung, die Feuerwehr und die Polizei, wenn es große Menschenmengen erkennt.

Im Gegensatz dazu verfolgt der Tokioter Stadtteil, Shibuya, einen Low-Tech-Ansatz. Der dortige Bürgermeister, Hasebe Ken, setzt auf Appelle, gar nicht erst zum Feiern zu kommen. "Ich bin sehr besorgt, dass sich jederzeit ein ähnliches Unglück wie im vergangenen Oktober in Seoul ereignen könnte", erklärte Ken Anfang Oktober im Club der Auslandskorrespondenten (FCCJ).

Die Kreuzung am Bahnhof Shibuya ist ein Wahrzeichen der Stadt: Sie gilt als einer der belebtesten Fußgängerübergänge der Welt. Zu Halloween verwandeln zehntausende Besucher die gesamte Gegend in ein wogendes Menschenmeer – und aus Sicht vieler Japaner in ein Chaos.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

2019, beim letzten Fest vor der Corona-Pandemie, kamen schätzungsweise 40.000 Besucher, darunter viele Ausländer, wie Bürgermeister Hasebe sagt. Bilder von zerstörten Telefonzellen haben in den vergangenen Jahren für einen schlechten Ruf gesorgt. Hasebe nannte auch eine steigende Zahl von Taschendiebstählen, Belästigungen und Schlägereien, die er auch auf den hohen Alkoholkonsum zurückführt.

Die Stadt hat bereits mit neuen Verordnungen reagiert. Doch der Bürgermeister beklagte: "Manche Leute, vor allem die aus dem Ausland, kennen vielleicht die Verordnung des Bezirks Shibuya nicht." Deshalb hat er seine Vorgehensweise geändert.

"Bis letztes Jahr hat der Bezirk erklärt, er wolle, dass die Leute mit gutem Benehmen und Moral Spaß haben", sagt Hasebe. "Dieses Jahr möchte ich der Welt zeigen, dass Shibuya kein Ort für Halloween-Veranstaltungen ist."

Dann wurde er noch deutlicher, um Missverständnisse zu vermeiden: "Wenn ich es drastisch ausdrücken darf, bedeutet das, dass wir nicht wollen, dass die Leute an Halloween zum Bahnhof Shibuya kommen, um Halloween zu feiern. Ein erhöhtes Sicherheitsaufgebot und der freiwillige Verzicht von Unternehmen und Restaurants auf den Verkauf von Alkohol sollen denjenigen, die dennoch kommen, die Feierlaune verderben."

Der Kontrast zeigt unterschiedliche Philosophien im Umgang mit Menschenmassen. Südkorea sieht sich als führende Technologienation, als Vorreiter bei mobilem Internet und künstlicher Intelligenz. Die Regierenden scheinen daher darauf zu vertrauen, dass die Technik die negativen Folgen des ausgelassenen Halloween-Treibens verhindern kann.

In Japan versucht die Regierung radikaler, das Feiern schon im Ansatz zu stören. Die Angst vor einer Katastrophe spielt dabei nur eine Rolle, die andere ist offenbar die Störung der öffentlichen Ordnung. "Wir haben den Eindruck, dass sich die Situation in den letzten Jahren verändert hat und dass sich die öffentliche Sicherheit und die öffentliche Moral verschlechtert haben". Und die Aufrechterhaltung der Harmonie ist in Japan immer wieder ein Grund für härteres Durchgreifen. Es bleibt abzuwarten, ob die technologischen und moralischen Maßnahmen die jeweiligen Ziele der Regierungen erreichen.

(jle)