Hüte deine Ohren!

Ein neuer Kopfhörer soll mit Hilfe eines eigenen Schaltkreises die Lautstärke von Musik-Playern begrenzen, ohne die Dynamik von lauten und leisen Passagen zu beeinträchtigen.

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Von
  • Stephen Cass

Ein neuer Kopfhörer soll mit Hilfe eines eigenen Schaltkreises die Lautstärke von Musik-Playern begrenzen, ohne die Dynamik von lauten und leisen Passagen zu beeinträchtigen.

Millionen Menschen laufen täglich mit einem kräftigen Beat im Ohr durch den Alltag. An der Kreuzung oder in der U-Bahn sieht man sie mit Kopfhörern, an denen – voll aufgedreht – ein MP3-Player oder ein Smartphone hängen. Die meisten verdrängen, dass sie damit Hörschäden riskieren. Die US-Firma dB Logic aus Indianapolis hat deshalb einen Kopfhörer entwickelt, der die maximale Lautstärke selbständig begrenzt – ohne den Hörgenuss bei intensiven, lauten Stellen zu schmälern oder sanfte Passagen unhörbar zu machen.

Seit den Tagen des ersten Walkman 1979 hat die Dauer der Unterwegsmusik ständig zugenommen. „Zu Zeiten tragbarer CD-Spieler haben die Leute an die sieben Stunden pro Woche gehört“, sagt Brian Fligor, Direktor für Audiologie am Children’s Hospital Boston. Er untersucht seit Jahren Hörschäden von tragbaren Musik-Playern. Bei Untersuchungen in New York stellte er kürzlich fest, dass sich die Menschen inzwischen durchschnittlich 18 Stunden in der Woche aus dem Kopfhörer beschallen lassen. „Bei einigen liefen die Geräte sogar über 70 Stunden in der Woche“, wundert sich Fligor.

Laut einer Studie im Auftrag der EU-Kommission reichen die maximal erzielbaren Lautstärken von tragbaren Musik-Playern von 88 bis 113 Dezibel, wobei der Kopfhörer noch mal einige Extra-Dezibel herausholen kann. Zum Vergleich: Ein normales Gespräch bringt es auf 60 Dezibel. 120 Dezibel beträgt der Lärm eines startenden Flugzeugs, wenn man in der Nähe steht. Die EU-Studie schätzt, dass derzeit bis zu zehn Millionen Dauerhörer in Europa ernsthafte Hörschäden riskieren.

In dem neuen Kopfhörer von dB Logic regelt nun ein Schaltkreis die maximale Lautstärke. Strom bezieht er aus dem Audiosignal, so dass eigene Batterien überflüssig sind. Herzstück des Schaltkreises ist ein winziger Wandler. Er setzt die Spannung aus dem Audiosignal auf einen Wert herauf, mit dem die Transistoren der Lautstärkeregelung gesteuert werden können. Die Lautstärke wird dabei nicht einfach bei einem Maximalwert abgeschnitten, sondern auf einen Durchschnittswert von 85 Dezibel eingestellt. Kurze lautere Passagen bleiben dadurch erhalten.

Andere bisher verwendete Verfahren können dies nicht. Eines schwächt beispielsweise mit Hilfe eines Widerstands das Audiosignal durchgängig, unabhängig von der momentanen Lautstärke ab. Bei einem anderen schneiden Dioden alle Audiosignale an einer bestimmten Dezibel-Schwelle ab.

Die Durchschnittstlautstärke von 85 Dezibel habe man gewählt, weil die US-Behörde für Arbeitssicherheit ab diesem Wert am Arbeitsplatz das Tragen von Ohrenschützern vorschreibe, erläutert Med Dwyer, Mitgründer und CEO von dB Logic. „Nur wenige Leuten werden dieses Niveau als nicht laut genug empfinden, vor allem nicht unserer Zielgruppe jüngerer Menschen“, so Dwyer.

Fligor glaubt jedoch nicht, dass sich das Problem mit solchen technischen Tricks allein lösen lässt. „85 Dezibel sind keine magische Zahl, unterhalb der alles in Ordnung ist“, betont der Mediziner. Ein ebenso wichtiger Faktor für eine mögliche Schädigung sei die Hördauer. Fligor, der selbst laute Musik liebt, gönnt sich über Kopfhörer maximal 89 Dezibel für höchstens 90 Minuten am Tag. Beide Werte seien noch im unkritischen Bereich, hat er berechnet.

Ideal wäre, wenn digitale Musik-Player aufzeichnen würden, wieviel Zeit jemand mit welcher Lautstärke hört. Dann könnten Hörer selbst überprüfen, ob sie sich gefährden. „Die Rechenkapazität haben die Geräte auf jeden Fall“, meint Fligor, „es fehlt einfach der Aufschrei, diese Funktion einzuführen.“ Und die Hersteller hätten von sich aus kein Interesse an einer Aufzeichnung, solange nicht klar sei, dass ein Hörer sie nicht rechtlich belangen könne, sollte er herausfinden, dass er zu lange zu laut gehört hat.

Auch Dwyer stimmt zu, dass die Hördauer nicht unerheblich sei. DB Logic habe erwogen, ein Gerät mit einer Aufzeichnungsfunktion über die jeweiligen Lautstärken zu entwickeln. „Aber es entpuppte sich als zu kompliziert in der Benutzung“, sagt Dwyer. In Tests hätten Hörer eine festgelegte Begrenzung vorgezogen.

Solange diese Technologie nicht realisiert ist, empfiehlt Fligor Schallschutz-Kopfhörer, die den Umgebungslärm dämpfen. Damit würden die Leute automatisch leiser hören. Laut Dwyer filtert auch die Ohrstöpsel-Variante des neuen Kopfhörers bis zu einem gewissen Grad Hintergrundgeräusche heraus – die Ohrstöpsel für iPod oder iPhones könnten das nicht. Für Fligor sind Lautstärke begrenzende Kopfhörer denn auch eine erste vernünftige Entscheidung. (nbo)