Ich spüre was, das du nicht spürst

Moderne Prothesen sind voller leistungsfähiger Sensoren und Mikroprozessoren. Sie erlauben es, künstliche Extremitäten wie die natürlichen zu bewegen. Neue Modelle könnten den Trägern sogar die Fähigkeit zu fühlen zurückgeben.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 17 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler
Inhaltsverzeichnis

Moderne Prothesen sind voller leistungsfähiger Sensoren und Mikroprozessoren. Sie erlauben es, künstliche Extremitäten wie die natürlichen zu bewegen. Neue Modelle könnten den Trägern sogar die Fähigkeit zu fühlen zurückgeben.

Die Hand ist pechschwarz und sieht aus, als stammte sie vom galaktischen Oberfiesling Darth Vader aus dem Weltraumepos "Krieg der Sterne". Tatsächlich gehört sie aber dem 13-jährigen Schüler Patrick Kane aus London, und der ist von seiner schwarzen Prothese richtig begeistert. Auch viele Gesunde sind von der Kunsthand fasziniert. Patrick drückt es so aus: "Wenn die Leute meine frühere Prothese sahen, sagten sie: 'Oh!' Aber wenn sie die neue sehen, sagen sie: 'Ooooh!'"

Die hautfarbene Hülle, die der Hersteller mitliefert, findet Patrick langweilig. Auch ohne sie sieht die Unterarm-Prothese einer natürlichen Hand enorm ähnlich. Doch das ist nicht alles: Das elektromechanische Greiforgan mit dem modischen Namen i-Limb Pulse kann viele Funktionen seines biologischen Vorbilds mit einer bisher nicht da gewesenen Genauigkeit übernehmen. "Es sind die kleinen Dinge, die wichtig sind", sagt Patrick. "Ich kann jetzt zum Beispiel ein Glas halten, während jemand etwas hineingießt, oder mein Essen selbst klein schneiden, ohne dass mir jemand dabei helfen muss."

Dies sind selbstverständliche Handgriffe für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Technik. Denn die Prothesenbauer müssen dazu ein von der Evolution in Jahrmillionen optimiertes System exakt nachbilden. Jedes Mal, wenn jemand etwa einen Schlüssel ins Schloss steckt, spielt sich zwischen Hand und Hirn ein fein austariertes Wechselspiel aus Sinneseindrücken und Steuerbefehlen ab, das in einer präzise orchestrierten Aktivität der Muskeln mündet. Was Maschinen in dieser Hinsicht bisher zustande gebracht haben, war im Vergleich dazu grobschlächtig. Doch das hat sich geändert.

Seit Patrick im Alter von neun Monaten seine Hand verlor, haben Sensoren und Prozessoren so große Fortschritte gemacht, dass Prothesen nun erstmals tatsächlich auf Augenhöhe mit natürlichen Gliedmaßen agieren. Damals weitete sich bei Patrick eine besonders bösartige Form einer Hirnhautentzündung zu einer Blutvergiftung aus. Die Ärzte konnten zwar sein Leben retten, aber nicht verhindern, dass ein Bein, die gesamte linke Hand und Teile der rechten amputiert werden mussten.

Nun sorgt bei ihm eine Elektronik an der künstlichen Hand für den richtigen Griff. Im Prothesenschaft, der den Armstumpf umhüllt, sind zwei sogenannte Elektromyogramm-Elektroden eingelassen. Sie messen über die Haut tausendmal pro Sekunde elektrische Signale, die entstehen, wenn Patrick bestimmte Unterarm-Muskeln anspannt. Eingebaute Prozessoren filtern unerwünschte Störsignale benachbarter Muskelgruppen heraus, ermitteln daraus Zahl und Stärke der Muskelsignale und übersetzen sie in Steuerbefehle für die Finger und das Handgelenk der Prothese. Patricks i-Limb Pulse, das Flaggschiff des Herstellers Touch Bionics, ist noch mit einer weiteren Raffinesse ausgestattet: Mit ihr lässt sich die Griffstärke nachträglich noch über ein bestimmtes Muskel- signal verändern. Das kann beim Pinzettengriff fürs Schuhe-zubinden ebenso nützlich sein wie beim Tragen einer schweren Tasche.

Dass sich auf diese Weise wirklich eine flüssige und runde Bewegung ergibt, ist einer rasanten Entwicklung der technischen Komponenten zu verdanken. "Da hat sich in den letzten zehn Jahren viel getan", sagt Hildur Einarsdottìr, Produktmanagerin des isländischen Herstellers Össur, der sich auf Beinprothesen spezialisiert hat. "Das Messen und Auswerten der Signale ist viel schneller geworden." Früher wurden Prothesen meist durch mangelnde Rechenleistung ausgebremst. "Außerdem sind die Sensoren viel robuster geworden. Das heißt, die Prothesen können tagtäglich stundenlang im Einsatz sein." Beschleunigungs- oder Drehsensoren seien zudem mittlerweile so winzig, dass sie auf nur wenige Quadratmillimeter kleine Chips passen. Sie lassen sich also auf kleinerem Raum unterbringen, sodass heutige Prothesen nicht mehr klobig und schwer sind, sondern genauso leicht wie ihre natürlichen Pendants. Mitunter seien die Sensoren allerdings immer noch zu empfindlich gegenüber Feuchtigkeit und Staub, räumt Einarsdottìr ein.

Trotz aller eingebauten Prothesen-Intelligenz kommt auf den Träger noch einiges an Arbeit zu, wenn er sein Körperersatzteil in Betrieb nimmt. Die Stärke des Ruhe- und des Aktivitätssignals der Muskeln etwa ist von Mensch zu Mensch verschieden. Deshalb muss jeder Träger seine Prothese erst einmal individuell anpassen. Dabei kann er auch einstellen, welche Signale – etwa das gleichzeitige Anspannen beider Muskeln, das mehrmalige Aktivieren eines Muskels oder eine mehrere Sekunden dauernde Muskelkontraktion – eine bestimmte Bewegung der Prothese auslösen soll. Will Patrick zum Beispiel, dass sich Zeigefinger und Daumen der Prothese zum Pinzettengriff berühren, spannt er beide Armmuskeln in einem bestimmten Muster an. Auch die Greifgeschwindigkeit steuert er über die Kontraktion der Muskeln – bei einem starken Signal schließt sich die Hand schneller, bei einem schwachen langsamer.

Die Patienten müssen dazu lernen, die normalerweise unbewussten Steuersignale vom Gehirn an die Muskeln bewusst hervorzurufen. Dabei hilft eine eigens entwickelte Software von Touch Bionics: Sie macht die produzierten Muskelsignale am Bildschirm sichtbar. Dieses optische Feedback hilft, gezielt die gewünschten Signale zu erzeugen. Nach wenigen Wochen Training, manchmal sogar schon nach einigen Tagen, beherrschen die Träger dann die verschiedenen Handgriffe. Noch einen Schritt weiter geht das Vorhaben, Prothesen nicht nur agieren, sondern auch fühlen zu lassen. Das US-amerikanische Start-up SynTouch in Los Angeles zum Beispiel arbeitet daran, Prothesen und Roboter mit Tastsinn und Reflexen auszustatten. Basis dafür sind Finger aus Kunststoff, die von einer elastischen Silikonhaut umhüllt sind. Zwischen Haut und Finger befindet sich eine zähe Flüssigkeit. Am Finger sind drei unterschiedliche Sensorenarten angebracht.

Der erste Sensor ist ein sogenannter Thermistor, der Temperaturunterschiede misst. Damit die Kunstfinger wie die einer echten Hand wärmer als die Umgebung sind, werden sie über die Abwärme der Elektronik beheizt. So lassen sich verschiedene Materialien auseinanderhalten: Metall fühlt sich beispielsweise kälter an als Kunststoff, weil es Wärme besser leitet und die Flüssigkeit unter der Fingerhülle somit stärker abkühlt. Der zweite Messfühler besteht aus einem Drucksensor, der – ähnlich wie ein Unterwassermikrofon – Schallwellen in der Flüssigkeit detektiert. Er hilft, unterschiedlich raue Stoffe zu unterscheiden: Streicht man mit der Prothese über eine Oberfläche, unterscheiden sich die dabei in der Flüssigkeit erzeugten Schwingungen, je nachdem, wie glatt oder rau das Material ist.

Der dritte Sensor besteht aus Elektroden, die verraten, wie fest ein Objekt gehalten wird. Beim Zugreifen dellt sich die Haut ein und die leitfähige Flüssigkeit wird komprimiert. Durch den erhöhten Druck ändert sich der Widerstand der Elektroden und erlaubt Rückschlüsse auf die Kraft. Drucksensor und Elektroden können nun auch gemeinsam melden, ob ein Gegenstand zu rutschen beginnt. Entgleitet ein Glas den Fingern, erzeugt die dabei entstehende Reibung charakteristische Vibrationen und Widerstandsschwankungen, die von den beiden Sensoren erfasst werden. Die Steuerelektronik kann daraus berechnen, ob und wie fest die Prothese nachfassen muss – ohne Zutun des Trägers.

"Mit einer Prothese mussten Sie bisher immer durch Hinschauen kontrollieren, ob alles in Ordnung ist", sagt Matt Borzage, Leiter der Geschäftsentwicklung bei SynTouch. Das ist nicht nur lästig, sondern oft auch zu langsam, um ein fallendes Glas noch rechtzeitig festzuhalten. Bis das Gehirn die optische Information verarbeitet und einen Greifbefehl an die Prothese geschickt hat, können mehr als 200 Millisekunden vergehen. SynTouch will diese Reaktionszeit auf 60 bis 70 Millisekunden verkürzen – Werte wie bei einer echten Hand. Wenn das gelingt, sagt Borzage, müssten sich Prothesenträger nicht mehr pausenlos auf das Festhalten von Objekten konzentrieren.

Doch wie können die haptischen Eindrücke an den Träger übermittelt werden? In dieser Frage steht die Forschung noch ganz am Anfang. SynTouch schwebt vor, dem Nutzer die Informationen über Temperatur, Vibrationen und Krafteinwirkung über die Haut mitzuteilen – mit separaten elektronischen Komponenten für alle drei Sinneseindrücke. Die Entwickler testen dafür bereits im Handel erhältliche Signalgeber, um herauszufinden, welche die Empfindungen am genauesten übertragen.

Vor drei Jahren hatten die Forscher um Gerald Loeb, Mitgründer von SynTouch und Professor für biomedizinisches Ingenieurwesen an der University of Southern California, die ersten Sensor-Prototypen vorgestellt. Inzwischen vermarktet das Unternehmen den fertigen Kombi-Sensor BioTac zusammen mit einem Adapter für das Andocken an künstliche Finger und einer Kontroll-Software bereits – vorerst allerdings nur für Forschungszwecke. Für den Einsatz an echten Prothesenhänden sind noch weitere Anpassungen notwendig. Die ersten Versuche mit Patienten, die eine Armprothese der US-Firma Motion Control tragen, könnten laut SynTouch aber bereits nächstes Jahr starten. Motion Control forscht ebenfalls daran, seine künstlichen Arme mit einem Tastsinn auszustatten. Später soll der Kombi-Sensor von SynTouch auch mit den Prothesen anderer Anbieter kompatibel sein.

Das gemeinsame Forschungsprojekt "SmartHand" schwedischer und italienischer Forscher hat einem ersten Probanden mit Armprothese bereits tatsächlich zu einem rudimentären Tastsinn verholfen. Der Schwede Robin af Ekenstam verlor seine rechte Hand, als Ärzte sie wegen eines aggressiven Tumors amputieren mussten. Danach erhielt er den Prototyp einer Prothese, die er – wie beim i-Limb – per Muskelsensoren öffnen und schließen konnte. Darüber hinaus haben die Wissenschaftlern der Lunds Universitet und der Scuola Superiore Sant'Anna in Pisa die Kunsthand mit insgesamt 40 Kraft-, Druck- und Lagesensoren ausgestattet. Sogenannte Aktuatoren – kleine Motoren, die elektronische Signale in mechanische Bewegung umsetzen – übertragen die "Sinneseindrücke" der Sensoren in Form von Druckmustern auf die Haut. So wird auf dem Armstumpf abgebildet, was Finger und Handfläche der Kunsthand spüren, und von den unter der Haut liegenden Nerven weiter an das Gehirn gemeldet. Im Jahr 2009 erzählte af Ekenstam freudestrahlend in einer BBC-Fernsehreportage, wie das SmartHand-Projekt sein Leben verändert habe: "Es ist großartig, ich habe wieder ein Gefühl in der Hand. Wenn ich etwas fest greife, kann ich es in den Fingerspitzen fühlen – was sonderbar ist, weil ich keine mehr habe."

Während es bei der Entwicklung von fühlenden Armprothesen bereits vielversprechende Ergebnisse gibt, ist das gleiche Ziel bei künstlichen Beinen noch weiter entfernt. Schon das störungsfreie Detektieren der Muskelaktivität für Steuerungszwecke ist schwierig, da die verbliebenen Muskeln der Beinstümpfe bei jedem Schritt mit dem vollen Körpergewicht in den Prothesenschaft gedrückt werden, was die Signale massiv verfälscht. Trotzdem existieren inzwischen leistungsfähige Hightech-Beinprothesen – etwa das seit Jahren bewährte C-Leg des deutschen Herstellers Otto Bock oder das Rheo Knee des isländischen Prothesenbauers Össur.

Bei ihnen verrichtet jeweils ein ganzer Zoo verschiedenster Sensoren, Mikroprozessoren und Elektronikbauteile seinen Dienst. Das C-Leg zum Beispiel passt sich eigenständig verschiedenen Gehgeschwindigkeiten und Terrains an, indem es rund 50-mal pro Sekunde die Belastung im Knöchel und den Kniewinkel misst. Daraus berechnet eine Elektronik die erforderliche Dämpfung im hydraulischen Kniegelenk und sorgt dafür, dass servogesteuerte Ventile das Knie zum richtigen Zeitpunkt beugen und strecken – ohne dass der Träger darüber nachdenken muss. Selbst wenn er ausrutscht oder stolpert, kann ihn die Prothese vor einem Sturz bewahren, weil sie die außerplanmäßige Bewegung erkennt und beim nächsten Auftreten das Knie versteift und stabilisiert – genau wie es das natürliche Knie per Reflex tun würde. Auch Rampen sind kein Problem, obwohl der Kunstfuß am C-Leg nicht elektronisch gesteuert wird. Es reicht, dass er über Sensoren meldet, wann Ferse und Ballen Bodenkontakt haben; beim Auftreten und Abrollen beugt und streckt sich das Fußgelenk passiv.

Im Juli brachte Otto Bock ein neues C-Leg-Modell mit verbesserter Regelungstechnik auf den Markt. Es soll Stolperer noch besser abfangen können als bisher und verfügt sogar über drei frei programmierbare Betriebsmodi – etwa für sportliche Aktivitäten wie Fahrrad oder Ski fahren, bei denen die Kniehydraulik anders gedämpft werden muss als beim Gehen. Sensoren überwachen dabei unter anderem die Temperatur des Hydrauliköls. Wenn dieses bei starken Belastungen zu warm und dünnflüssig oder im Winter durch die Kälte zu zähflüssig wird, hält die Dämpfungssteuerung automatisch dagegen. So wirkt der Gang von C-Leg-Trägern sehr natürlich, egal ob sie ebenerdig oder auf schrägem Gelände unterwegs sind. Sie können beim Treppensteigen auch beidbeinig Stufe um Stufe nehmen und müssen nicht mehr – wie mit rein mechanischen Prothesen – mit dem gesunden Bein vorangehen und das künstliche nachziehen.

Der US-Amerikaner Curtis Grimsley verdankt dieser Funktion seines C-Legs sogar sein Leben – er konnte am 11. September 2001 aus dem siebzigsten Stock eines der getroffenen World-Trade-Center-Türme aus eigener Kraft durch das Treppenhaus entkommen und beim Hinabhasten mit seinen gesunden Kollegen problemlos mithalten.

Einen anderen Weg zum möglichst natürlichen Gang verfolgt der Bock-Konkurrent Össur. Anders als beim C-Leg mit seinem passiven Fußgelenk setzen die Isländer auf die Verbindung von zwei eigenständigen Prothesen für Knie und Fuß. Im September dieses Jahres soll die Doppelprothese für Patienten, deren Bein über dem Knie amputiert wurde, auf den Markt kommen. Dahinter steckt weit mehr als nur das Zusammenschrauben von zwei bestehenden Produkten. Damit die Oberschenkelprothese Rheo Knee und der Proprio Foot miteinander harmonieren, brauchen sie eine gemeinsame Steuerung. Die Össur-Entwickler ließen dazu Verfahren aus der künstlichen Intelligenz in die Regelungssoftware einfließen. Dadurch passt sich die Prothese in Echtzeit an ein verändertes Terrain an. Im elektronisch gesteuerten Sprunggelenk des Proprio Foot sorgt ein Motor aktiv dafür, dass der Fuß angezogen und gestreckt wird.

"Ich kann die Probanden aus meinem Fenster sehen, die gerade mit der neuen integrierten Prothese üben", berichtet Össur-Ingenieurin Einarsdottìr am Telefon. "Sie haben mir erzählt, dass sie endlich Rampen besser hinauf- und hinabgehen können." Das sei mit dem Rheo Knee allein problematisch gewesen, sagt die Entwicklerin, weil die damit kombinierbaren Fußprothesen fest im 90-Grad-Winkel vom Unterschenkel abstanden und nicht anwinkelbar waren. Also mussten die Patienten ständig auf ihren Fuß schauen, um nicht mit der Fußspitze hängen zu bleiben und zu stolpern. Um das zu vermeiden, wurden bisher die Zehen des Kunstfußes gekürzt, damit er ohne Hängenbleiben durchschwingen konnte. Doch das sorgte für neue Probleme, weil die Patienten dadurch hinkten und Rückenschmerzen bekamen. Der Proprio Foot agiert wie ein natürlicher Fuß, der in der Schwungphase aktiv die Zehen anzieht. C-Leg-Träger müssen den Oberschenkel hoch genug schwingen, damit der Fuß nicht hängen bleibt.

Obwohl schon die bisherige Sensorausstattung eine gute Beweglichkeit ermöglicht, träumen die Prothesenentwickler von einer noch innigeren Verbindung von Körper und Technik. Erik Albrecht-Laatsch, Leiter der Elektronikentwicklung bei Otto Bock, hat weitere, verbesserte Fühler auf dem Wunschzettel stehen. Dazu gehört eine Art Gleichgewichtsorgan, das jederzeit die genaue Lage des Beins im Raum kennt – so wie jeder mit geschlossenen Augen weiß, welche Haltung er gerade einnimmt. Damit könnte das C-Leg noch schneller und sicherer auf unerwartete Hindernisse reagieren.

Noch weiter in der Zukunft liegt die Vision von Entwicklern, dass künstliche Hände nicht nur die wichtigsten Griffe beherrschen, sondern über das gleiche Bewegungsspektrum verfügen wie eine natürliche Hand. Doch dafür müssten die Forscher noch einen Schritt weiter gehen – die Kontraktionen weniger Armmuskeln reichen nicht aus, um komplexere Fingerbewegungen zu steuern. Der Königsweg zu den bestmöglichen Steuersignalen führt ins Hirn. Dort platzierte Elektroden könnten die Aktivität der für die Motorik zuständigen Bereiche belauschen, und leistungsfähige künstliche neuronale Netze nebst einer Mustererkennungssoftware daraus die Bewegungsbefehle errechnen. Dass diese Methode funktioniert, wurde schon gezeigt – bisher jedoch nur bei vollständig gelähmten Patienten wie Cathy Hutchinson und dem inzwischen verstorbenen Matthew Nagle. Beide lernten, über implantierte Elektroden einen Bildschirm-Cursor und einen Roboterarm zu bewegen.

Ob solche folgenreichen Eingriffe ins Gehirn ethisch und wirtschaftlich zu rechtfertigen sind, nur um ansonsten gesunden Prothesenträgern eine etwas bessere Kontrolle über ihre künstlichen Gliedmaßen zu verleihen, ist fraglich. Doch die Wissenschaftler des Smart-Hand-Projektes arbeiten bereits an einem Mittelweg – der direkten Verbindung von Elektroden mit den Nerven des Arm- oder Beinstumpfs. Auf diese Weise können zwar keine so hochwertigen Steuersignale gewonnen werden wie direkt aus dem Gehirn. Aber das Verfahren ist schonender, und differenziertere Daten als die Sensoren auf der Hautoberfläche liefern solche Mensch-Prothese-Schnittstellen allemal.

Sollte die Entwicklung in den nächsten Jahren so weit voranschreiten, wird Patrick Kane als Erwachsener dann vielleicht eine Prothese tragen, die nicht nur nach "Krieg der Sterne" aussieht, sondern auch funktioniert wie im Film: Dessen Protagonist Luke Skywalker bekommt nämlich – nach dem Verlust seiner linken Hand im Kampf mit Darth Vader – eine Prothese, die direkt auf die Steuersignale seiner Armnerven reagiert. Lukes Mienenspiel, als er durch eine offene Klappe im Unterarm zum ersten Mal die Bewegung der künstlichen Muskeln und das spielerische Wackeln der Finger beobachtet, ist eine der bewegendsten Szenen im Film. (vsz)