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AMD sticht Intel aus: Von Prozessoren, Grafikkarten und erneuerter Konkurrenz im Jahr 2019

Mark Mantel
Jahresrückblick PC-Hardware 2019: AMD stichtIntel aus

(Bild: Mark Mantel / heise online)

Das Highlight des Jahres waren die Ryzen-3000-Prozessoren mit bis zu 16 Rechenkernen, aber auch bei Grafikkarten ging es vorwärts.

AMDs Prozessorsparte hat 2019 endgültig seine Rückkehr geschafft. Mit der CPU-Architektur Bulldozer geriet AMD 2011 ins Hintertreffen und hatte es selbst in der Mittelklasse schwierig. Mit Ryzen 1000 und Ryzen 2000 zeigte AMD, dass ein Bruchteil des Entwicklungsbudgets reicht, um zu Intel aufschließen zu können. Intel hat sich zu lange auf seinen Lorbeeren ausgeruht und ließ sich 2019 schließlich ausstechen. Bei Grafikkarten hat AMD mit der neuen RDNA-Architektur den Grundstein für ein High-End-Comeback gelegt.

AMDs Erfolgsrezept bei Prozessoren heißt Multi-Chip-Package. Sämtliche CPUs mit Zen-2-Architektur bestehen aus mindestens zwei Siliziumchips auf einem Träger: Ein I/O-Die integriert Speicher-Controller, PCI Express 4.0, SATA und USB. Dieses I/O-Die füttert bis zu acht CPU-Chiplets mit Daten. Durch die Aufteilung der Rechenkerne auf mehrere Dies konnte AMD sehr früh auf TSMCs neuen 7-Nanometer-Prozess setzen und trotzdem viele funktionstüchtige Chips produzieren lassen. Unter anderem durch vergrößerte Level-3-Caches fallen die längeren Signalwege und damit höheren Latenzen nicht auf – im Gegenteil: Die Leistung pro Takt (IPC) der Ryzen-3000-Prozessoren stieg verglichen mit Ryzen 2000 [1].

Das Design eines einzelnes CPU-Chiplets genügt, um beinahe die komplette Produktpalette abzudecken, vom Sechskerner Ryzen 5 3600 bis zum 64-Kerner Epyc 7742 für Server [2]. Lediglich das I/O-Die hat AMD in zwei Versionen mit unterschiedlich vielen Anschlüssen aufgelegt. Der Hersteller hat damit eine Not zur Tugend gemacht, denn das Design jedes zusätzlichen Siliziumchips würde Dutzende Millionen Euro verschlingen – Geld, das AMD wegen der jahrelangen Durststrecke schlichtweg nicht hat.

AMD-CEO Lisa Su mit einem Epyc-7002-Prozessor; der 64-Kerner besteht aus insgesamt neun Siliziumchips mit einer Gesamtfläche von rund 1000 mm².

AMD-CEO Lisa Su mit einem Epyc-7002-Prozessor; der 64-Kerner besteht aus insgesamt neun Siliziumchips mit einer Gesamtfläche von rund 1000 mm².

(Bild: Carsten Spille / c't)

Intels einstige Stärken wurden 2019 zur Falle: die komplett eigene Chipfertigung und die monolithischen Riesen-CPUs. Während sich AMD die besten Prozesse von Globalfoundries, Samsung und TSMC aussuchen kann, ist Intel an seine eigene Chipfertigung gebunden. Jedoch bekommt Intel den Prozess mit Strukturbreiten von 10 nm seit Jahren nicht richtig zum Laufen. Neue Prozessoren verspäten sich, stattdessen gibt es nur weitere Aufgüsse alter Architekturen in 14 nm [3]. AMD setzt derweil schon auf 7 nm und vergleicht den Einsatz einer besseren Fertigung als Intel mit dem Bruch von Naturgesetzen [4].

Ohne den Verbund mehrerer Chiplets benötigt Intel für jedes Marktsegment einen eigenen Siliziumchip. Allein für Server und High-End-Desktop-PCs (HEDT) gibt es in der aktuellen Generation drei Dies mit 28, 18 und 10 Rechenkernen. Für die CPU-Fassung LGA1151v2 produziert Intel drei weitere Dies mit 8, 6 und 4 Rechenkernen. Mit jedem zusätzlichen Quadratmillimeter Chipfläche steigt die Wahrscheinlichkeit auf Defekte. Vollfunktionstüchtige 28-Kerner sind deswegen in der Produktion teuer.

Zudem rächen sich die Verzögerungen neuer CPU-Architekturen. Für Server und Desktop-PCs bietet AMD mit wenigen Ausnahmen die besseren Prozessoren an: Der 64-Kerner Epyc 7742 deklassiert Intels Xeon Platinum 8280 bei Leistung und Effizienz, ebenso der Ryzen Threadripper 3970X den Core i9-10980XE [5]. Unterm Strich wurden 2019 mehr Supercomputer mit AMDs Epyc als mit Intels Xeon angekündigt. In Desktop-PCs ist Intels Core i9-9900KS in manchen 3D-Spielen etwas schneller als AMDs Ryzen-3000-CPUs, von der einstigen Intel-Domäne ist aber nicht mehr viel übrig. Spätestens in Anwendungen schneidet ein Ryzen 9 deutlich besser ab als der Core i9-9900KS. Nicht nur das: Der Ryzen 9 3950X mit AM4-Fassung nimmt es mit der kompletten Core-X-Serie auf.

Mark Mantel / heise online

Intel stellt den Core i9-10980XE gegen AMDs Ryzen Threadripper 3970X – und sieht kein Land.

(Bild: Mark Mantel / heise online)

Einen Lichtblick bietet Intel bei Notebooks. Für kleine Vierkern-Prozessoren reicht die Ausbeute des 10-nm-Prozesses inzwischen. Die Rechenkerne in den sogenannten Ice-Lake-U-Modellen [6] sind pro Takt deutlich schneller als die bisherigen Intel-CPUs. Auch die integrierte Grafikeinheit reicht an AMDs Ryzen-Kombiprozessoren heran. AMD kontert 2020 mit Zen-2-APUs.

Ende 2011 brachte AMD mit der Radeon HD 7970 seine erste Grafikkarte mit der GPU-Architektur Graphics Core Next (GCN). Anfang 2019 folgte der letzte Aufguss für Desktop-PCs: Die Radeon VII war eine leicht angepasste Workstation-Grafikkarte [7], die AMD zur Überbrückung bis zur Radeon RX 5700 XT brachte und inzwischen schon wieder eingestellt hat.

Acht Jahre nach der Einführung hat GCN ausgedient. Im Juli 2019 stellte AMD mit der Radeon RX 5700 XT [8] seine erste Grafikkarte mit RDNA-Architektur vor. Die Leistung pro Shader-Rechenkern steigt erheblich – ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Bemerkenswert ist die Ähnlichkeit zu Nvidias Turing-Architektur: So haben die Radeon RX 5700 und GeForce RTX 2070 zum Beispiel beide 2304 Shader-Rechenkerne, 144 Textureinheiten, 64 Rasterendstufen, 8 GByte GDDR6-Speicher an 256 Datenleitungen und erreichen in Spielen rund 1800 MHz GPU-Takt.

AMDs Referenzdesign der Radeon RX 5700 XT war ein Brüllhals; inzwischen gibt es leisere Modelle von den Boardpartnern.

AMDs Referenzdesign der Radeon RX 5700 XT war ein Brüllhals; inzwischen gibt es leisere Modelle von den Boardpartnern.

(Bild: Carsten Spille / c't)

Bei der Effizienz hat AMD allerdings noch Nachholbedarf, denn trotz einer vollen Fertigungsgeneration Vorsprung schlucken die Radeon-GPUs ähnlich viel Strom wie Nvidias aktuelle GeForce-Grafikkarten. Immerhin steht der Forschungsabteilung dank guter Ryzen-Verkäufe mehr Budget zur Verfügung.

Nvidia hat das Jahr 2019 gemächlich angehen lassen. Die High-End-Grafikkarten RTX 2000 erschienen bereits Ende 2018. Dieses Jahr folgten lediglich die günstigere GTX-1600-Serie und etwas schnellere Neuauflagen mit SUPER-Anhängsel [9]. Modelle mit spürbar mehr Leistung kommen wohl 2020.

Bei Gaming-Monitoren fror 2019 die sprichwörtliche Hölle zu: Grafikkartenhersteller Nvidia, der jahrelang die Überlegenheit des proprietären G-Sync-Standards gegenüber AMDs FreeSync anpries, erlaubt jetzt die gleiche Technik über den offenen Adaptive-Sync-Standard [10]. Nicht nur das, Radeon-GPUs könnten in Zukunft sogar mit den G-Sync-Modulen von Oberklasse-Monitoren umgehen [11]. HDR blieb ein Thema für große Fernseher und fand bei PC-Displays kaum Beachtung.

Wer es noch eine Stufe immersiver mag, kann inzwischen die erste Virtual-Reality-Brille von Valve kaufen: die Index. Während es bei den zwei größten Anbietern Oculus VR und HTC nur langsam voranging, möchte Valve den Massen VR mit Half-Life: Alyx schmackhaft machen [12] – ob das die "Killer-App" ist, die VR für eine größere Verbreitung braucht?

AMDs Ryzen (Threadripper) 3000 brachten PCI Express 4.0 erstmalig in Desktop-PCs. Speicherhersteller nutzten die Gelegenheit, um erste NVMe-SSDs mit PCIe 4.0 in den Handel zu bringen. Das Standardisierungsgremium hinter PCIe, die PCI-SIG, denkt derweil schon weiter und hat die Spezifikationsziele von PCIe 6.0 kundgegeben [13]. Eine PCIe-6.0-Lane soll 2021 so viele Daten übertragen wie acht PCIe-3.0-Lanes.

Das USB-Forum stellte 2019 abermals die Nutzerfreundlichkeit des gängigsten universellen Anschlussstandards unter Beweis. USB 3.2 Gen 2x2 [14] schleust 20 Gigabit pro Sekunde (Gbps) über seine Datenleitungen. USB 3.1 Gen 2 (10 Gbps) wurde zu USB 3.2 Gen 2 umbenannt und USB 3.0 (5 Gbps) zum zweiten Mal von USB 3.1 Gen 1 zu USB 3.2 Gen 1. Das angekündigte USB 4.0 [15] bringt wohl kaum Ordnung in das Namenschaos.

Mark Mantel / heise online

Western Digitals WD Black P50 Game Drive unterstützt als erste externe SSD USB 3.2 Gen 2x2.

(Bild: Mark Mantel / heise online)

Die entgegengesetzte Richtung hat die Wi-Fi Alliance eingeschlagen. Schlicht Wi-Fi 6 heißt der neueste drahtlose Verbindungsstandard WLAN 802.11ax. Das ältere WLAN 802.11ac kürzen Hersteller jetzt mit Wi-Fi 5 ab. Die sechste Wi-Fi-Generation läuft bisher jedoch alles andere als geschmeidig [16], vor allem die neuen Funkfunktionen reizt bisher noch kein Router aus.

Intel bringt im Frühling 2020 wohl erst einmal den fünften Skylake-Aufguss als Core i-10000 alias Comet Lake-S für Desktop-PCs [17] – nächstes Jahr voraussichtlich mit zehn Rechenkernen. AMD plant mit den Ryzen-4000-Prozessoren hingegen eine größere Überarbeitung seiner Zen-Architektur [18] mit mehr Leistung pro Takt.

Bei Grafikkarten sieht es vielversprechend aus: Nvidia dürfte nach über 1,5 Jahren eine neue GPU-Generation vorstellen. Im Fall von AMD wiesen Linux-Patches bereits auf neue High-End-GPUs mit weiterentwickelter RDNA-2-Architektur hin. Und da alle guten Dinge 3 sind: Intel wagt sich 2020 mal wieder an den Grafikkartenmarkt.

Die neue Konsolengeneration mit Microsofts Xbox Series X [19] und Sonys Playstation 5 [20] wird das PC-Gaming beeinflussen. Mit mehr Leistung auf den Spielekonsolen kreieren Entwicklerstudios hübschere Grafikeffekte, die es schließlich auch in die PC-Versionen schaffen. Die Xbox Series X und Playstation 5 können zudem Raytracing-Effekte mit speziellen GPU-Funktionsblöcken beschleunigen – womöglich der Grundstein, um die Render-Technik in 3D-Spielen populärer zu machen.

(mma [21])


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[1] https://www.heise.de/news/Ryzen-9-3950X-im-Test-AMDs-16-Kerner-stellt-Intel-in-den-Schatten-4585377.html
[2] https://www.heise.de/news/AMD-Server-CPUs-Epyc-7002-Mit-Zen-2-an-Intel-vorbei-4489732.html
[3] https://www.heise.de/tests/Core-i9-9900KS-im-Test-Intels-Gaming-Topmodell-hat-s-schwierig-gegen-AMDs-Ryzen-4571851.html
[4] https://www.heise.de/news/AMD-ueber-Prozessoren-Wir-sind-in-allen-Bereichen-fuehrend-4616632.html
[5] https://www.heise.de/tests/Prozessor-Test-AMD-Ryzen-Threadripper-3970X-vs-Intel-Core-i9-10980XE-4595002.html
[6] https://www.heise.de/tests/Intel-Ice-Lake-CPUs-Benchmarks-jetzt-Notebooks-zu-Weihnachten-4485307.html
[7] https://www.heise.de/tests/High-End-Grafikkarte-Radeon-VII-RTX-2080-Konter-fuer-730-Euro-4301109.html
[8] https://www.heise.de/news/Radeon-RX-5700-XT-RTX-Performance-ab-369-Euro-4464272.html
[9] https://www.heise.de/news/GeForce-RTX-2080-Super-Highend-Grafikkarte-fuer-740-Euro-4477180.html
[10] https://www.heise.de/news/Nvidia-erlaubt-G-Sync-mit-FreeSync-Displays-4266776.html
[11] https://www.heise.de/news/Nvidia-oeffnet-G-Sync-fuer-AMD-Karten-4596261.html
[12] https://www.heise.de/news/Half-Life-Alyx-Mit-der-Brechstange-gegen-VR-Langeweile-4596724.html
[13] https://www.heise.de/news/PCIe-6-0-verdoppelt-Datendurchsatz-erneut-4450314.html
[14] https://www.heise.de/news/WD-Black-P50-Erste-externe-SSD-mit-USB-3-2-Gen-2x2-4502888.html
[15] https://www.heise.de/news/Frisch-verabschiedete-USB-4-Spezifikation-bringt-Ueberraschungen-4512916.html
[16] https://www.heise.de/news/Kommentar-Wi-Fi-6-ist-da-Eher-Wi-Fi-5-9-4544792.html
[17] https://www.heise.de/news/Comet-Lake-S-Intels-Ryzen-3000-Konter-soll-erst-im-April-2020-erscheinen-4610431.html
[18] https://www.heise.de/news/Prozessoren-AMD-nennt-erste-Architekturdetails-zu-Zen-3-4546942.html
[19] https://www.heise.de/news/Xbox-Series-X-Neue-Microsoft-Konsole-sieht-aus-wie-ein-Mini-PC-4614273.html
[20] https://www.heise.de/news/Playstation-5-kommt-Ende-2020-mit-ueberarbeitetem-Controller-4549261.html
[21] mailto:mma@heise.de