Kernel-Log: Entwicklungstempo der Stable-Series steigt, X-Server 1.6 in Kürze

2.6.27.18 und 2.6.28.6 bringen diverse Bugfixes, werden aber in Kürze durch Versionen mit Korrekturen für Ext4 abgelöst; Diskussionen rund um bessre Unterstützung moderner Stromspartechniken; neuer Radeon-Treiber; X-Server 1.6 kommt.

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Von
  • Thorsten Leemhuis

Das Entwicklungstempo der Linux-Stable-Series und die Zahl der dort integrierten Änderungen ist in den letzten Wochen gestiegen. Allein im Februar haben die Betreuer der Stable-Kernel-Series vier neue 2.6.28.x-Versionen und fünf neue 2.6.27.x-Kernel herausgegeben, die jeweils zahlreiche Fehler ihren Vorgänger korrigieren und darüber hinaus zahlreiche kleinere Verbesserungen mitbringen. In den Freigabe-Mails raten die Betreuer der Stable-Kernel-Series allen Anwendern von Kernel.org-Kernel wie immer nachdrücklich zum Wechsel auf die neusten Versionen, ohne explizit hervorzuheben, ob die neuen Versionen auch Sicherheitslücken korrigieren.

So auch bei den derzeit aktuellen Versionen 2.6.27.18 und 2.6.28.6, die eine mit CVE-Eintrag versehene Sicherheitslücke auf Sparc-Systemen stopfen. 2.6.27.19 und 2.6.28.7 sind derweil bereits in Vorbereitung. Die Zeit zum Einreichen von Kommentaren zu den vorgesehenen Änderungen läuft am Abend des heutigen Freitags ab; wenig später dürften die zwei neuen Versionen dann erscheinen. Sie werden nach derzeitigem Stand eine ganze Reihe von Korrekturen für das Ext4-Dateisystem erhalten, dessen Hauptentwicklungsphase die Kernel-Entwickler mit 2.6.28 beendet haben.

Die Entwicklung von Linux 2.6.29 schreitet derzeit ohne besondere Vorkommnisse voran; nach der vor einen Woche erfolgten Freigabe von 2.6.29-rc5 dürfte Linus Torvalds vermutlich in Kürze die sechste Vorabversion veröffentlichten. Die Liste der neuen Fehler ("Regressions") im Hauptentwicklungszweig umfasste Ende vergangener Woche zirka 25 bekannte Probleme.

Schlafen

In der Freigabe-Mail zu 2.6.29-rc3 hatte Torvalds indes größere Änderungen bei der Infrastruktur zum Wechsel in die und aus den Suspend-Modi hervorgehoben, über die das Kernel-Log im Rahmen der "Was 2.6.29 bringt"-Mini-Serie bereits ausführlich berichtet hat. Wenig später entbrannte eine längere Diskussion, in der Torvalds die neue Funktionsweise in einigen Bereichen – speziell bei der Behandlung von PCI-Bridges – nachhaltig in Frage stellte. Einige der kritisierten Schwachpunkte haben die Kernel-Hacker mittlerweile beseitigt.

In einem längeren Thread diskutieren die Entwickler derzeit ausführlich darüber, wie sie die komponenten-spezifischen und systemweiten Stromsparmechanismen und Schlafzustände moderner Hardware besser nutzen können. Dabei kommen zahlreiche verschiedene Bereiche zur Sprache; so diskutieren sie unter anderem darüber, das komplette System bei Arbeitspausen automatisch schlafen zu legen, wie es etwa bei Android-Handys der Fall ist. Auf x86-Desktop-Hardware würde der S3-Modus (Suspend-to-RAM) dazu aber noch nicht zuverlässig genug arbeiten; zudem sei die zum Aufwachen aus dem S3-Modus benötigte Zeit vielfach zu lang, um den Systemschlafzustand für sehr kurze Arbeitspausen zu nutzen.

Rund um X.org

Auf der Zielgeraden findet sich die Entwicklung des X-Servers 1.6 des X.org-Projekts – das allerdings schon seit zwei Wochen, denn schon Ende Januar sah es bei der Freigabe des als RC2 betitelten X-Server 1.5.99.902 noch so aus, als würde die ursprünglich für Anfang dieses Jahres geplante X-Server-Version am 2. Februar erscheinen. Daraus wurde dann aber nichts; vielmehr veröffentlichte Intel-Entwickler Keith Packard statt dessen am Mittwoch einen RC3 und will diesen bald als X-Server 1.6 freigeben, so denn keine größeren Probleme mehr auftauchen ("Here's what I'm hoping will be the server 1.6 release. Unless someone finds a brown-paper-bag bug in the next few days, I'll tag this as 1.6 and push it out soon.").

Die X.org-Entwickler haben zahlreiche neue Treiber freigegeben, etwa die Version 6.11.0 des Treiberpakets xf86-video-ati mit dem kurz "radeon" genannten Grafiktreiber, die zahlreiche Fehler der erst kürzlich veröffentlichte Version 6.10 beseitigt. Für 6.12 planen die Entwickler bessere Unterstützung für einige Beschleunigungsfunktionen von R6xx- und R7xx-GPUs. Neue Versionen gab es auch von den Grafiktreibern vesa und geode.

Nach mehren Vorabversionen hat Peter Hutterer Anfang des Monats die Version 1.0.0 des kurz Treibers xf86-input-synaptics veröffentlicht. Er eignet sich für die in vielen Notebooks verbauten Touchpads von Alps und Synaptics und bietet Unterstützung für die noch jungen Input Device Properties, die die Konfiguration des Touchpads zur Laufzeit ermöglichen. Bisher war das mit Tools wie das dem Treiber beiliegende Programm synclient allenfalls möglich, wenn man einen geteilten Speicherbereich (Shared Memory) über die Option "SHMConfig" in der xorg.conf aktivierte – in der Standard-Konfiguration mancher Distributionen ist das auf Sicherheitsgründen nicht der Fall.

Der kürzlich von Mandriva zu Red Hat gewechselte Entwickler Adam Williamson hat sich Anfang des Monats näher mit der Linux-Unterstützung für den Grafikkern des Intel-Chipsatz US15W (Poulsbo) auseinander gesetzt, der sich für Atom-CPUs eignet und unter anderem im Dell Mini 12 zum Einsatz kommt. Trotz einem Tag Arbeit und intensiver Recherche hat er die verschiedenen, unter anderem bei Moblin und Ubuntu gefundenen Treiber nicht auf einer aktuellen Fedora-Version zum Laufen bringen können; die bei den Versuchen gewonnen Erfahrungen hat er in seinem Blog detailliert niedergeschrieben. Um die Linux-Unterstützung für den von Intel zugekauften PowerVR-Grafikkern scheint es demnach deutlich schlechter bestellt zu sein als bei andere Grafikchips von Intel, für die der Prozessorherstller selbst Treiber entwickelt. Linux-Anwender, die nicht das von Dell angebotene Ubuntu nutzen wollen, sollten Hardware mit dem Poulsbo daher vorerst wohl besser meiden sollten.

Kernel-Log-Staccato

  • Ogawa Hirofumi, Verwalter des FAT-Dateisystem-Unterstützung des Linux-Kernels, hat rudimentären Code zur Unterstützung des auch FAT64 genannten Dateisystems exFAT veröffentlicht; diesen entwickle er derzeit aber nicht aktiv weiter.
  • Die experimentelle Version des maßgeblich von Daniel Phillips vorangetriebene Dateisystems Tux3 soll sich laut seinem neusten Bericht als Root-Dateisystem nutzen lassen. Die Entwickler des als Next Generation Linux File System auserkorenen Btrfs haben derweil zahlreiche Korrekturen und Verbesserungen an dem zu Beginn der 2.6.29-Entwicklung in den Hauptentwicklungszweig von Linux integrierten Dateisystem vorgenommen (1, 2) – darunter auch Optimierungen für SSDs (Solid State Drives).
  • Nahezu parallel zur kürzlich erfolgten Freigabe des Realtime-Kernel-Zweigs 2.6.26-rt zum produktiven Einsatz haben die Kernel-Hacker Thomas Gleixner und Ingo Molnar die experimentelle Kernel-Version 2.6.29-rc4-rt1 veröffentlicht. Nach längerer Abstinenz vom Preempt-RT wollen die beiden mit Hilfe dieses Kernel-Zweigs nun wieder verstärkt darauf hinarbeiten, die Realtime-Erweiterungen des RT-Trees für die Aufnahme in den Hauptentwicklungszweig von Linux aufzuarbeiten.
  • Jeremy Fitzhardinge hat einige Patches veröffentlicht, die den Kernel um Unterstützung zum Betrieb als federführende Xen-Domäne (Dom0) erweitern; er plant derzeit, die Dom0-Unterstützung zur Aufnahme in Linux 2.6.30 einzusenden.
  • Neil Brown hat Patches für Linux 2.6.30 zahlreiche Patches vorbereitet, mit deren Hilfe sich ein mit dem Software-RAID-Code von Linux verwaltetes RAID 1 in ein RAID 5 umwandeln lässt; ferner soll der Kernel mit Hilfe des Code auch ein RAID 5 in ein RAID 6 überführen können.

Weitere Hintergründe und Informationen rund um Entwicklungen im Linux-Kernel und dessen Umfeld finden sich auch in den vorangegangen Ausgaben des Kernel-Logs auf heise open:

Ältere Kernel-Logs finden sich über das Archiv oder die Suchfunktion von heise open. (thl/c't) (thl)