Kernel-Log: X-Server 1.11, neue Kernel-Pflegestrategie

Neue Intel-Grafiktreiber für X.org unterstützten bereits jetzt die Anfang nächsten Jahres erwartete Prozessorfamilie Ivy Bridge. In Zukunft soll jedes Jahr eine Linux-Version ausgewählt werden, die zwei Jahre als Longterm-Kernel gepflegt wird. Materialien von der Linuxcon 2011 Vancouver liefern Hintergrundinformationen zur Entwicklung von USB-Unterstützung, KVM und WLAN-Treibern.

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Von
  • Thorsten Leemhuis
Inhaltsverzeichnis

Intel-Entwickler und X-Urgestein Keith Packard hat die Version 1.11.0 des X-Servers von X.org freigegeben. Größere Neuerungen bringt sie nicht; die Entwickler haben primär Fehler korrigiert und kleinere Verbesserungen vorgenommen. Wie nahezu jede neue Version des X-Server-Hauptentwicklungszweigs bringt auch diese Änderungen an den Schnittstellen für Treiber. Die neueste Beta-Version der proprietären Nvidia-Treiber sollte die neuen Schnittstellen bereits unterstützen; gelegentlich kann die Xorg.conf-Option "IgnoreABI" nicht kompatible Treiber zur Mitarbeit bewegen.

Einige Tage zuvor hatte Chris Wilson bereits die Version 2.16.0 des X.org-Treibers xf86-video-intel erstellt, das aber nicht öffentlich gemacht. Diese Version gehört zum kurz danach freigegebenen "Intel 2011Q3 Graphics Package". Es bringt "Alpha Support" für die Prozessorfamilie Ivy Bridge, die Intel vermutlich Anfang 2012 unter dem Markennamen "Core" einführen dürfte. Außerdem bringt das neue Paket Unterstützung für H.264-Encoding sowie Verbesserungen für Stabilität und Geschwindigkeit bei den aktuellen Core-Prozessoren der Sandy-Bridge-Generation.

Greg Kroah-Hartman hat Mitte des Monats einige Überlegungen zum weiteren Vorgehen bei der Pflege von Longterm-Kerneln zur Diskussion gestellt. Demnach will er in Zukunft jedes Jahr eine Kernel-Version auswählen und diese als Longterm-Kernel zwei Jahre lang pflegen; er würde dann also immer zwei Longterm-Kernel pflegen. Bei der Stable-Series soll sich nichts ändern: Wie zuletzt soll sie die jeweils neueste Version des Hauptentwicklungszweig mit Korrekturen versorgen; erscheint eine neue (etwa Linux 3.1), wird die Pflege des Vorgängers (3.0) nach einer kurzen Übergangsphase eingestellt.

Die Pflege des Longterm-Kernels 2.6.32 will Kroah-Hartman offenbar in einem halben Jahr einstellen; möglicherweise betreut Willy Tarreau sie danach aber noch weiter.

Welche Kernel-Version Longterm-Pflege erhält, will Kroah-Hartman nicht an einem bestimmten Zeitpunkt festmachen; vielmehr will er jedes Jahr eine auswählen, die sich bewährt hat. Auf die Entscheidung soll auch Einfluss haben, ob irgendwelche Firmen eine bestimmte Kernel-Version einsetzen.

Montag früh hat Linus Torvalds die vierte Vorabversion von Linux 3.1 freigegeben. In der Freigabe-Mail zeigt er sich etwas unzufrieden, dass es zwischen RC3 und RC4 mehr Änderungen gab als zwischen RC2 und RC3; ansonsten scheint er aber mit dem Stand der Entwicklung von Linux 3.1 ziemlich zufrieden zu sein. Beim RC3 bekam der Kernel mit "Divemaster Edition" nach kurzer Zeit erneut einen neuen Namen, nachdem Torvalds kürzlich seine Prüfung zum Divemaster abgelegt hat.

Seit dem letzten regulären Kernel-Log sind die Stable- und Longterm-Kernel 2.6.32.44, 2.6.32.45, 2.6.33.17, 2.6.33.18, 3.0.2 und 3.0.3 erschienen; die Versionen 2.6.32.46, 2.6.33.19 und 3.0.4 sind bereits in Vorbereitung und dürften kurz nach Veröffentlichung dieses Kernel-Logs erscheinen.

Kernel

  • Sarah Sharp hat Diskussionen des "USB Mini-Summit" zusammengefasst, der kürzlich im Rahmen der LinuxCon 2011 in Vancouver stattfand. Eines der Themen war USB-Redirection, mit der sich ein USB-Gerät an ein lokal oder entfernt laufendes Gastsystem weiterreichen lässt. Matt Mooney will demnach die im Staging-Bereich angesiedelten "USB over IP"-Treiber so anpassen, dass sie ein von Hans de Geode entwickeltes Protokoll nutzen, das sich mit dem neuesten Qemu bereits lokal nutzen lässt.
  • Über das Wiki der Wireless-Entwickler finden sich Video-Mitschnitte von drei Vorträgen zu WLAN-Techniken, die auf einem "Wireless Summit" im Rahmen der LinuxCon 2011 gehalten wurden; eine Kurzbeschreibung zu den drei Videos liefert eine Mail von Luis R. Rodriguez.
  • Im Umfeld der LinuxCon 2011 haben sich viele Entwickler des Kernel-eigenen Hypervisors KVM zum KVM Forum 2011 getroffen. Auf der zugehörigen Webseite finden sich über drei Dutzend PDF-Dokumente mit dort gezeigten Vortragsfolien. Einige von ihnen liefern Informationen zu jüngst vorgenommenen Änderungen oder noch in Entwicklung befindlichen Verbesserungen. Avi Kivity nennt in seiner Keynote etwa Transparent Hugepages (THP) und Zero-Copy-Support für Vhost-net als einige der Kernel-seitigen Verbesserungen, die es in letzter Zeit gab; er erwähnt zudem eine in Vorbereitung befindliche Portierung auf A15 ARM, bei dem Gastsysteme dank Virtualisierungsfunktionen gute Performance erzielen sollen. Asias He beschreibt das von ihm Mitentwickelte "Native Linux KVM tool", das die Aufnahme in Linux 3.1 verpasst hat. In "Fixing the USB disaster" beschreibt Gerd Hoffmann Probleme rund um die USB-Unterstützung für Qemu; weitere Details dazu finden sich auch in den zuvor erwähnten Bericht vom USB Mini-Summit.
  • Die Entwickler des open80211s/O11s-Projekts haben die "Meshgate" genannte Version 0.41 von Open80211s freigegeben – einer auf dem WLAN-Stack des Linux-Kernels aufbauenden Referenz-Implementation des 802.11s-Standards zum Aufbau von Mesh-Netzwerken. Die neue Version setzt nun den IEEE-Draft 12.0 von 802.11s um, der vermutlich in den nächsten Monaten ratifiziert werden dürfte. Die neue Version soll bald älteren Open80211s-Code im Kernel ersetzen, der bereits in den Kernel 2.6.26 aufgenommen wurde.
  • Luis R. Rodriguez hat eine Compat-Wireless-Version veröffentlicht, welche die WLAN-Treiber von Linux 3.1-rc1 enthält.
  • Christoph Hellwig hat das XFS Status Update für Juli 2011 publiziert.

Unterstützung für Grafikhardware

  • Nach einer Mailinglisten-Diskussion haben die Mesa-3D-Entwickler eine Reihe älterer, nicht mehr gepflegter DRI-Treiber rausgeworfen; darunter die Treiber i810 (alter Intel-Grafikkerne), MGA (Matrox-GPUs) und Tdfx (3dfx-Voodoo-Chips).
  • AMD hat die Version 11.8 seiner proprietären Linux-Grafiktreiber veröffentlicht; Angaben zu den Neuerungen machte AMD nicht.
  • Ein Intel-Entwickler hat einige Erweiterungen für das VA API vorgeschlagen, um weitere Profile zum Encodieren mit H.264 oder das Post-Processing von Videos zu unterstützen.
  • Matthias Hopf hat eine derzeit noch stark auf Suse zugeschnittene Sammlung von Grafik-Benchmarks erstellt. Sie soll dabei helfen zu erkennen, ob Änderungen an den Grafiktreibern unbeabsichtigt die Performance verschlechtern.

Kernel-Umland ("Plumbing layer"), Userland-Treiber, Entwicklertools, ...

  • Junio C Hamano hat Git 1.7.6.1 freigegeben.
  • In seinem Blog erläutert Jeff Darcy, warum das auf die Belange von Cloud-Computing zugeschnittene "CloudFS" in "HekaFS" umbenannt wurde.
  • Intel-Entwickler Matt Fleming hat Patches ausgearbeitet, durch die EFI-BIOSse den Linux-Kernel direkt (also ohne Boot-Loader) starten können.

LKML-Diskussionen

  • Die Broadcom-Entwickler haben erneut angefragt, ob ihre im Staging-Bereich angesiedelten Brcm80211-WLAN-Treiber für neuere Broadcom-Chips so weit gereift sind, dass sie in das Netzwerk-Subsystem umziehen können. Daraufhin gab es eine längere Diskussion, in der unter anderem auf noch vorhandene Mängel hingewiesen wurde. Außerdem kam wieder das bereits im ersten Teil der Kernel-Log-Mini-Serie "Was 3.1 bringt" angesprochene Problem zur Sprache, dass der schon länger im Kernel enthaltene Treiber B43 mittlerweile zwei der drei WLAN-Bausteine unterstützt, die auch der Brcm80211-Treiber Brcmsmac anspricht; die Unterstützung für den dritten Chip in B43 ist bereits in Arbeit (1, 2). Das war Staging-Betreuer Greg Kroah-Hartman nicht bewusst, der sich in dem Zug dagegen aussprach, zwei Treiber für die gleiche Hardware im Kernel zu haben. Der für die Verbesserungen in B43 hauptverantwortliche Entwickler Rafał Miłecki hat kürzlich bekannt gegeben, dass B43 nun auch den Broadcom-Chip BCM4331 unterstützt, für den es bislang keinen Linux-Treiber gab.
  • Die DRBD-Entwickler wollen den DRBD-Codes des Kernels auf den Stand von DRBD 8.4 heben, mussten sich aber Kritik zum angedachten Vorgehen gefallen lassen – unter anderem, weil sie die Änderungen nicht in kleinen Häppchen zur Begutachtung stellten.
  • Darrick J. Wong arbeitet an Patches, um die Metadaten von Ext4 mit Checksummen abzusichern.

Weitere Hintergründe und Informationen rund um Entwicklungen im Linux-Kernel und dessen Umfeld finden sich in den vorangegangenen Kernel-Logs auf heise open und in c't. Neue Ausgaben des Kernel-Logs werden auf den Identi.ca- und Twitter-Konten "@kernellog" erwähnt; die englischen, bei den Kollegen von "The H" erscheinenden Übersetzungen auf den Identi.ca- und Twitter-Konten "@kernellog2". Gelegentlich zwitschert der Autor des Kernel-Logs unabhängig davon über einige Kernel-Log-Themen bei Identi.ca und Twitter als "@kernellogauthor". (thl). (thl)