ChatGPT erst ab 13? "Die Realität sieht anders aus"

Die Unesco fordert ein Mindestalter von 13 Jahren für den KI-Einsatz an Schulen. Die Gründerin der Plattform Fobizz glaubt nicht, dass das gelingen kann.

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(Bild: AePatt Journey/ Shutterstock.com)

Lesezeit: 8 Min.

Die UN-Kulturorganisation Unesco hat Anfang September einen Leitfaden für die Nutzung generativer KI in Schulen vorgelegt. In diesem hat sie eine Altersgrenze von mindestens 13 Jahren für den Einsatz von KI-Tools in Klassenzimmern gefordert. Auch empfiehlt sie allgemeine Standards für den Schutz von Daten und Privatsphäre.

Dr. Diana Knodel, Gründerin von Fobizz, erklärte im Juli, weshalb Künstliche Intelligenz aus ihrer Sicht Lerninhalt und auch Lerntechnologie in Schulen sein sollte. Den Leitfaden der Unesco kritisiert sie entsprechend gegenüber heise online.

Dr. Diana Knodel, Gründerin von Fobizz

(Bild: 

Rebecca Marshall

)

Dr. Diana Knodel ist Gründerin und Geschäftsführerin von Fobizz. Fobizz bietet Online-Fortbildungen, digitale Tools und KI-Anwendungen für Lehrkräfte an. Die studierte Informatikerin (mit Schwerpunkt Psychologie) arbeitete u.a. als Software-Entwicklerin, Produkt Managerin und Professorin (TU Berlin).

Frau Knodel, was stört Sie an der von der Unesco gezogenen Altersgrenze von 13 Jahren in Bezug auf die Nutzung von beispielsweise ChatGPT in Schulen?

Grundsätzlich sind einheitliche Standards in Form von Leitlinien für den Einsatz von KI an Schulen begrüßenswert. Ich gebe jedoch zu Bedenken, dass Kinder durch Snapchat, Roblox und andere Social-Media-Apps oft auch schon vor 13 Jahren Zugang zu KI-Tools haben. Deshalb ist es wichtig, diese Themen frühzeitig auch in der Schule zu besprechen. Unter Anleitung und Begleitung von Lehrkräften erhalten Kinder die Möglichkeit zu verstehen, was es mit der KI auf sich hat und wie sie sie sinnvoll nutzen können. Es wird nicht gelingen, Kinder vor 13 Jahren vor der KI zu "beschützen", indem wir sie fernhalten. Die Realität sieht hier anders aus.

Die Unesco begründet die Altersgrenze von 13 Jahren auch damit, dass Heranwachsende unter 13 Jahren Social-Media-Apps ohne Einwilligung der Eltern nicht nutzen dürfen. Dies gehe auch auf den Children’s Online Privacy Protection Act der USA von 1998 zurück. Mittlerweile sprechen sich laut Unesco Kritiker aber sogar für eine Anhebung dieser Altersgrenze aus, da es vor 1998 noch keine weit verbreiteten Social-Media-Angebote wie heute gab. Dementsprechend habe man die Risiken noch nicht richtig einschätzen können. Die Unesco würde also vielleicht sogar eine Anhebung befürworten. Was denken Sie darüber?

Wenn die vorgegebenen Altersgrenzen dazu führen würden, dass die Kinder die Apps auch nicht nutzen, dann würde ich das auch befürworten. Allerdings sehen wir ja, dass das in der Realität nicht gelebt wird. Wenn man die KIM- und JIM-Studien anschaut, sieht man, dass viele Kinder bereits früher mit Social Media in Berührung gekommen sind. Daher halte ich von Verboten wenig, sondern bin für Aufklärung und Begleitung.

Hat die Unesco aus Ihrer Sicht klar genug gemacht, wie Kinder und Jugendliche trotzdem auf ein Leben mit KI in ihrem Alltag vorbereitet werden können?

Die Unesco hat sicherlich erste Schritte unternommen, darauf hinzuweisen, wie Kinder und Jugendliche auf ein Leben mit KI in ihren Alltag vorbereitet werden können. Der Leitfaden bietet politischen Entscheidungsträgern und Lehrkräften Orientierung und Richtlinien, um einen menschenzentrierten und ethischen Ansatz für den Einsatz von generativer KI in der Bildung zu verfolgen.

Neben der Altersgrenze von 13 Jahren wird im Leitfaden auch die Lehrerfortbildung gefordert. Durch Schulungen sollen Lehrkräfte selbst die Technologie verstehen, um sie in ihren Unterricht integrieren zu können. Der Leitfaden legt außerdem Wert auf die Einhaltung von Datenschutz und Privatsphäre, um die Rechte der Lernenden zu schützen. Genau diese Aspekte, Lehrkräftefortbildungen und DSGVO-konforme KI-Tools für Schulen, haben wir im Blick und machen hierzu bereits heute passende Angebote für Lehrkräfte und Schulen.

Welchen Gefahren sehen Sie hauptsächlich für jüngere Kinder, wenn diese ChatGPT nutzen?

KI-Systeme können fehlerhafte, stereotype oder diskriminierende Ergebnisse liefern. Das liegt daran, dass die zugrundeliegenden Daten, mit denen die Sprachmodelle trainiert wurden, ebenfalls Stereotype enthalten. So kann es passieren, dass Vorurteile in den Ergebnissen widergespiegelt werden. Hier brauchen gerade jüngere Kinder die Aufklärung und Begleitung durch Lehrkräfte, um zu verstehen, dass nicht alles korrekt ist, was die KI ausspuckt – auch, wenn es oft so gut klingt. Die KI ist gekommen, um zu bleiben. Insofern sollte der Umgang mit der Technologie früh gelernt werden, so wie früher das Rechnen mit dem Taschenrechner.

Wie definieren Sie Medienkompetenz im Hinblick auf KI?

Kritisches Denken und Hinterfragen wird in Zeiten von KI noch viel wichtiger. Hier geht es unter anderem auch darum, Inhalte kritisch zu prüfen und echte Nachrichten von Fake News zu unterscheiden. Denn mithilfe von KI lassen sich leider auch Fake News einfacher, günstiger und schneller erstellen und verbreiten. Kinder müssen das verstehen und Lehrkräfte haben die Möglichkeit, mit den Kindern darüber zu sprechen und zu reflektieren – anders, als es zu Hause den Eltern oft möglich ist.

Wenn Kinder selbst einmal ausprobieren, wie einfach sie Bilder mit einem KI-Tool erstellen können, dann hinterfragen sie eventuell auch Bilder stärker, mit denen sie in den Medien oder bei Social Media konfrontiert werden. Durch praktische Anwendung und Ausprobieren, begleitet durch die Lehrkraft, erlangen sie einen konstruktiven, kritischen Umgang mit Informationen und Bildern und merken: Die KI hat nicht immer recht.

Welche Grundkompetenzen zu Technik und Software sollten schon Grundschulkinder durch den Schulunterricht erlangen?

Grundkompetenzen zu Technik und Software sollten generell altersgerecht und spielerisch durch Lehrkräfte vermittelt werden, um das Interesse der Kinder zu wecken und ihre Fähigkeiten aufzubauen. Durch den DigitalPakt sind mittlerweile in den meisten Schulen Tablets oder Laptops verfügbar, das ist schon mal eine gute Voraussetzung. Jetzt braucht es passende Fortbildungen und Apps für die Lehrkräfte, damit die Geräte auch eingesetzt werden. Natürlich ist es wichtig, dass Kinder die Bedienung wichtiger Anwendungen lernen, wie Textverarbeitung oder Präsentationen.

Als Informatikerin wünsche ich mir natürlich auch, dass Kinder in der Grundschule schon die Chance bekommen, erste Schritte in Richtung Programmierung zu gehen. Da gibt es heute tolle grafische Programmiersprachen wie Scratch oder den programmierbaren Mini-Computer Calliope. Das fördert zum Beispiel logisches Denken und die Problemlösefähigkeit.

Neben der Nutzung und Anwendung sollten Kinder aber auch ein Gefühl dafür entwickeln, wie man Technologie verantwortungsbewusst und angemessen verwendet und dazu gehört zum Beispiel auch die Begrenzung der Bildschirmzeit.

Welche Zeiten schweben Ihnen da vor? Wie sieht das für Grundschulkinder, wie für Kinder der Sekundarstufe I aus?

Feste Zeiten zu definieren ist schwierig, das ist Aufgabe der Eltern. Geräte können zum einen zum Lernen, Recherchieren oder Programmieren genutzt werden, aber eben auch zum "Daddeln". Wichtig ist, dass man mit dem Kind im Austausch ist, weiß, was das Kind mit dem Gerät macht und es dabei begleitet. Eine pauschale Zeit für ein bestimmtes Alter kann man da nicht vorgeben.

Haben Sie Beispielprojekte für Kinder unter 13 Jahren, um den Umgang mit KI zu erlernen oder um zu verstehen, was eine KI ist?

Ja, wir haben zum Beispiel einen Online-Kurs für Kinder der 3. und 4. Klasse konzipiert, um ihnen das Thema KI näherzubringen.

Die Kinder sollten unter anderem kollaborativ ein Märchen schreiben. Anhand des Wissens und der Ideen der Kinder entstand ein Text, den es so noch nicht gab. Im Anschluss daran haben die Kinder ein Märchen von der KI erstellen lassen. Auch sie hat gelernt, was ein Märchen ist und anhand dessen einen Text geschrieben, der bisher nicht existierte. Anschließend haben die Kinder beide Texte miteinander verglichen. Beide enthielten die typischen Merkmale von Märchen und fingen an mit "Es war einmal…". Dann haben die Kinder mit eigenen "Prompts" das Märchen individuell angepasst. So konnten die teilnehmenden Kinder einen ersten Einblick erhalten, wie die Text-KI arbeitet.

Artikelserie "Schule digital II"

Wie sollte die Digitalisierung in unseren Schulen umgesetzt werden? Wie beeinflusst die Coronavirus-Pandemie das Geschehen? Was wurde im Schuljahr 2020/2021 erreicht - wie ging es 2021/2022 weiter? Das möchte unsere Artikelserie beleuchten.

Artikelserie "Schule digital"

(kbe)