zurück zum Artikel

Microsofts TechEd Europe 2009 in Berlin

Dr. Holger Schwichtenberg, Alexander Neumann

Microsofts letzte Woche tagende Kundenkonferenz "TechEd" war traditionell ein Sammelplatz für Infrastrukturexperten und Entwickler. Dieses Jahr hatte die TechEd für Programmierer aber vergleichsweise wenig zu bieten.

Microsofts große, letzte Woche tagende Kundenkonferenz "TechEd [1]" war traditionell ein Sammelplatz für Infrastrukturexperten und Entwickler. Dieses Jahr hatte die TechEd für Programmierer aber vergleichsweise wenig zu bieten: im Schnitt nur drei von bis zu 20 parallelen Vorträgen beschäftigten sich mit Entwicklerthemen.

Die TechEd hat in den letzten vier Jahren einige Veränderungen erlebt. 2006 wurde das Microsoft IT Forum mit der TechEd zusammengelegt und die traditionelle Koexistenz von Entwickler- und Infrastrukturthemen durch eine Trennung in zwei aufeinanderfolgende Wochen ("TechEd: Developers" und "TechEd: IT Forum") beendet. Mit Hinblick auf die schlechte wirtschaftliche Lage kam es letzte Woche zur Ehe der beiden Teilveranstaltungen. "IT Forum" wurde zwar als Name aufgegeben, inhaltlich gab es aber keine Gleichberechtigung, denn die Entwickler haben zumindest dieses Mal eindeutig den Kürzeren gezogen.

Schwerpunkt der Entwicklervorträge waren die kommenden .NET 4.0 und Visual Studio 2010, und insbesondere die neuen Sprachenversionen einschließlich F#, ausgewählte Bibliotheken wie WCF 4.0, Entity Framework 4.0, Parallelprogrammierung, ASP.NET 4.0 und WPF 4.0. Darüber hinaus gab es Vorträge zum Entwickeln mit Windows 7, Office 2010, XNA 3.1 und Silverlight 3. Das hört sich nach großer Vielfalt an, es gab zu jedem der Themen jedoch meist nur einen Vortrag. Das einzige sich immer wieder im Programm findende Thema waren Microsofts Team-Entwicklungswerkzeuge, sowohl die Clientseite (bisher "Visual Studio Team"-Editionen, in Zukunft Visual Studio Ultimate) und der Team Foundation Server (TFS) als auch allgemeine Themen des Application Lifecycle Management (ALM) wie agiles Entwickeln und Best Practices für das Unit Testing.

Früher gab es auf der TechEd neben Vorträgen zu aktuellen Beta-Versionen auch Tipps, Tricks und "Deep Dives" zu aktuellen Techniken. In der diesjährigen Auflage waren jedoch .NET 3.5 und Visual Studio 2010 kein Thema mehr. Einzig bei den Entwicklervorträgen zu Silverlight 3 und Windows 7 hörten die Teilnehmer mehr zu marktreifen Techniken.

Für viele Teilnehmer war die intensive Auseinandersetzung mit der kürzlich erschienenen Beta-2-Version von .NET 4.0 und Visual Studio 2010 sicherlich neu. Echte Neuigkeiten, die Microsoft bisher nicht der Öffentlichkeit mitgeteilt hatte, gab es aber kaum. Die einzige wirkliche Überraschung der europäischen TechEd verkündete Jason Zander, General Manager für Visual Studio in seiner "Developer General Session" am Montagnachmittag. Microsoft übernimmt die TeamPrise-Produktpalette der Firma SourceGear, die plattformunabhängige Clients und Eclipse-Plug-ins für den Team Foundation Server (TFS) umfasst. Microsofts Produkt für Quellcodeverwaltung, Projektmanagement und Continous Integration ist zwar keineswegs an die .NET-Entwicklungsplattform gebunden, bisher lieferte Microsoft aber nur Clients in seinen eigenen Produkten, wie Visual Studio und Expression, sowie ein Plug-in für den Windows Explorer. Mit TeamPrise (das in Kürze einen neuen Namen erhalten wird) will Microsoft neue Märkte erobern.

Auch im eigenen Lager hat sich TFS noch nicht so durchgesetzt, wie Microsoft es sich wünscht. Viele .NET-Entwickler arbeiten noch mit Visual Source Safe (VSS), Open Source-Werkzeugen wie CVS und Subversion oder mit den kommerziellen Lösungen der Konkurrenz. "Mit dem kommenden TFS 2010 gibt es daher entscheidende Änderungen in drei Punkten: 1. Anforderungen, 2. Konfigurationsaufwand und 3. Preis", sagte Brian Harry, der den herausgehobenen Status eines "Technical Fellow" bei Microsoft für TFS besitzt.

Das Schlüsselwort für die ersten beiden Punkte ist der neue TFS-Installationsassistent mit den Optionen "Basic", "Standard" und "Advanced". Eine Basisinstallation benötigt als Betriebssystem keinen Windows-Server, vielmehr reicht ein aktuelles Client-Betriebssystem (Vista oder Windows 7). Als Datenbank kommt SQL Server Express zum Einsatz. Die Basisinstallation richtet sich an Einzelentwickler oder kleine Teams. Bei den Funktionen werden Quellcodeverwaltung, Aufgabenverwaltung und Continous Integration angeboten, nicht verfügbar sind hingegen Reporting-Funktionen. "Standard" und "Advanced" unterscheiden sich nicht mehr hinsichtlich der Funktionen, sondern in der Individualität der Konfiguration.

In jedem Fall versprach Harry eine einfachere und flexiblere Installation als bisher. Nun lässt sich TFS 2010, anders als zuvor, auch auf einem Domänen-Controller installieren – eine Option für kleine Unternehmen, die nur einen Server besitzen. "Es gibt aber nur eine TFS-Codebasis. Man kann später eine Basisinstallation selbst aufrüsten", sagte Harry.

Bemerkenswert ist, dass eine TFS-Lizenz viel günstiger werden soll. "Wir haben den endgültigen Preis noch nicht festgelegt, aber 500 Dollar könnten es werden", so Harry. Das wäre nur noch rund ein Fünftel des heutigen Preises. Die TFS-Lizenz soll fünf Client-Zugriffslizenzen enthalten. Erst ab dem sechsten Teammitglied wären wieder weitere 500 Dollar pro Person fällig – dieser Preis soll gegenüber heute unverändert bleiben. Als Schmankerl enthalten einige MSDN-Abonnements zukünftig neben der Client Zugriffslizenz noch eine Serverlizenz; theoretisch könnte jeder Entwickler seinen eigenen TFS auf einem Notebook betreiben. Das ist aber insofern noch unsinnig, weil TFS 2010 die Replikation zwischen unterschiedlichen TFS-Instanzen noch nicht unterstützt. Mit den Vereinfachungen und dem Preisrückgang will Microsoft TFS vom Nischen- zum Massenprodukt machen.

Ein Stück Microsoft-Software, das bisher noch nicht der Öffentlichkeit zugänglich ist, zeigte Stephen Walther, Senior Programm Manager für ASP.NET bei Microsoft: die Beta 2 des ASP.NET Model View Controller 2.0. ASP.NET MVC ist eine Anfang 2009 erschienene Alternative zur HTML-Abstraktion in ASP.NET WebForms. MVC kommt in Frage, wenn genaue Schichtentrennung und Kontrolle über die HTML-Ausgabe wichtiger sind als die Produktivität der Entwickler. Die gezeigten neuen Funktionen im Bereich Zusammensetzbarkeit, Validierung und Vorlagenunterstützung steigern zwar die Produktivität, ein mit ASP.NET-Serversteuerelementen vergleichbares Arbeiten ist aber weiterhin in ASP.NET MVC nicht möglich. Die Benutzeroberfläche muss der Entwickler auch in Version 2.0 auf HTML-Tag-Ebene mit eingestreuten Code-Fragmenten im Codeeditor zusammenbauen.

Beim ADO.NET Entity Framework unternimmt Microsoft nach der Erstversion aus dem August 2008 (als Teil von .NET 3.5 Service Pack 1) nun direkt den Sprung auf die Versionsnummer "4" analog zum .NET Framework, mit dem die neue Version von Microsofts objektrelationalen Mapper im März 2010 erscheinen soll. Programm-Manager Mike Flasko präsentierte insbesondere die Anpassbarkeit der Codegenerierung in der neuen Version. Die Visual-Studio-Werkzeuge für ADO.NET Entity Framework verarbeiten sogenannte "T4"-Vorlagen, die den zu generierenden Code beschreiben. "Zukünftig werden wir immer mal wieder neue Vorlagen liefern", sagte Flasko, der gleichzeitig die Hoffnung begrub, dass es mehr als eine Vorlage direkt mit dem Erscheinen von Visual Studio 2010 geben wird.

Gut gefüllter Keynote-Saal auf der TechEd

(Bild: Microsoft)

Die erste TechEd auf deutschem Boden seit vierzehn Jahren ist für Entwickler mager ausgefallen. Von vielen Microsoft-Mitarbeitern war aber zu hören, dass man im nächsten Jahr für mehr Entwicklerinhalte kämpfen werde. Die Konferenzorganisation wird sich bei der Themenauswahl allerdings sicherlich bewusst überlegt haben, eher die Administratoren und Infrastrukturexperten zu locken. Die mit 7200 Teilnehmern ausverkaufte Veranstaltung gibt ihnen Recht.

Entwickler können sich hingegen auf diese Woche freuen, denn Microsoft entzündet auf der Professional Developer Conference (PDC) wieder ein Feuerwerk neuer Programmierschnittstellen und Entwicklungswerkzeuge. Zu erwarten ist, dass Microsofts aktuelles Lieblingsthema Cloud Computing eines der zentralen Themen sein wird. heise Online wird mit zwei Journalisten vor Ort aus Los Angeles berichten [2].

Dr. Holger Schwichtenberg
bietet mit seinem Unternehmen www.IT-Visions.de [3] Beratung und Schulungen im .NET-Umfeld. Er hält Vorträge auf Fachkonferenzen und ist Autor zahlreicher Fachbücher.
(ane [4])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-861105

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.microsoft.com/europe/TechEd/
[2] https://www.heise.de/news/Microsoft-PDC-2009-beginnt-in-Los-Angeles-861003.html
[3] http://www.it-visions.de/start.aspx
[4] mailto:ane@heise.de