Mikroorganismen erzeugen Strom für die Dritte Welt

Ein soziales Start-up will spezielle Bio-Brennstoffzellen nach Afrika holen, mit denen sich kostengünstig Energie produzieren lässt - genug, um den Lebensstandard etwas zu heben.

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Von
  • Kristina Grifantini

Mikrobielle Brennstoffzellen, bei denen Elektroden, die einfach in Schlamm oder andere Abwässer gesteckt werden, einen kleinen Motor antreiben, waren bislang kaum mehr als eine Show-Laborvorführung. Weil die dabei erzeugbare Energiemenge so gering ist, lohnt es sich nicht, die Technik beispielsweise zum Laden von Batterien zu verwenden. Das gilt jedenfalls für Regionen der Erde, in denen genügend Elektrizität vorhanden ist. Lebone Solutions, ein soziales Start-up aus dem amerikanischen Cambridge, glaubt aber, dass sich die Technologie in der Dritten Welt nutzen lässt. In Afrika, meint die Gruppe, sind in Regionen ohne Strom auch ein paar Stunden Lampenlicht in der Nacht nützlich, um den Lebensstandard zu heben – oder die Möglichkeit, mit einem solchen Minigenerator ein Handy aufzuladen. "Heute laufen die Leute bis zu fünf Stunden, um an Strom zu gelangen", meint Aviva Presser von Lebone. Das Projekt besteht vor allem aus Harvard-Alumni und Harvard-Studenten aus afrikanischen Ländern, die dem schwarzen Kontinent etwas zurückgeben wollen.

Mit einer Anschubfinanzierung des Harvard-Instituts für globale Gesundheit konnte Lebone vor kurzem eine erste Pilotstudie in Tansania abschließen. Dort brachten Teammitglieder sechs einfache mikrobielle Brennstoffzellen mit und brachten Bewohnern mehrerer Dörfer bei, wie man sie verwendet. Außerdem wurden Treffen organisiert, in denen Lebone-Mitarbeiter der Bevölkerung zusammen mit örtlichen Helfern erklärten, wie man sich einen solchen Energiegenerator selbst bauen kann.

Das kam äußerst gut an: Die simpel zu nutzende Energiequelle wurde schnell zum Laden von Mobiltelefonen, Radios und für mehr Licht in den Dörfern genutzt. "In Afrika wollen die Leute vor allem kleine Gleichstromgeräte betreiben", meint Lebone-Mitbegründer Hugo Van Vuuren aus Südafrika. Dort betreibe man keine Wechselstrom-Kühlschränke. Das Team hofft, die Technologie weiterzuentwickeln, um sie schnell wettbewerbsfähig zu anderen erneuerbaren Energiequellen zu machen. Mikrobielle Brennstoffzellen haben dabei einen entscheidenden Vorteil: Sie sind billiger zu bauen als eine Windmühle und leichter zu installieren als Solarzellen. Laut Lebone-Teammitglied David Sengeh halten sie zudem bis zu zehn Jahre durch.

Statt Wasserstoff als Treibmittel zu verwenden, wie das in herkömmlichen Brennstoffzellen der Fall ist, werden hier natürlich vorkommende Mikroorganismen genutzt. Bakterien leben in der Anode, wo sie Glukose, Klärschlamm und andere Abwässer aufnehmen und sie dann in Elektronen und Protonen umwandeln. Die Bakterien übertragen die Elektronen an einen Schaltkreis, wo dann eine kleine Energiemenge entnommen werden kann.

Die Technik ist schnell umgesetzt: Um seine mikrobiellen Brennstoffzellen zu bauen, legte das Lebone-Team ein Graphitgewebe als Anode auf den Boden eines Eimers. Ergänzt wurde Hühnerdraht, die Kathode. Material voller Mikroorganismen, etwa Schlamm, Kuhdung oder Abfall von Kaffeepflanzen wurde dann hineingegeben. Eine Sandschicht dient schließlich als Ionen-Barriere, Salzwasser half, dass die Protonen leichter wandern können. Hinzu kam dann noch eine Power Management-Platine (die als einziges importiert werden müsste), um die Energie zu regulieren und an eine Batterie weiterzugeben. Eine solche Zelle kann dann eine billige und effiziente Leuchtdiode antreiben, die vier bis fünf Stunden durchhält. "Wir hoffen, dass das ganze System nicht mehr als 10 Dollar kostet, wenn wir fertig sind", sagt Presser.

"Das Schöne daran ist, dass es sich dabei um ein sich selbst erhaltendes System handelt", meint Derek Lovley, Professor an der University of Massachusetts Amherst, der die Arbeit kennt und sich seit 2002 mit mikrobiellen Brennstoffzellen beschäftigt. LED-Lichter seien dafür sehr gut geeignet, weil sie billig und einfach sind. "Das ist, soweit ich das sagen kann, die bislang einzige praktische Anwendung der mikrobiellen Brennstoffzelle." Die meiste Arbeit an der Technik erfolge derzeit noch im Forschungsstadium. Allerdings sei auch schon daran gedacht worden, gleich noch Abwässer mitzureinigen.

Wie viel Strom die mikrobielle Brennstoffzelle erzeugen kann, hängt von der Fläche der Graphitschicht ab. Ein Quadratmeter Brennstoffzelle leistet ungefähr ein Watt, was für ein Handy reichen würde, meint Van Vuuren. Vier Quadratmeter könnten zudem ein tragbares Stereogerät, einen Ventilator oder ein kleines Licht antreiben.

Als nächstes wollen die Lebone-Macher die Technik in Namibia ausprobieren, im Rahmen eines Projektes mit der Weltbank. Dort sollen einige neue Versionen mit konventionellen Hocheffizienz-LED-Lichtern kombiniert werden. Dazu sollen 100 Brennstoffzellen gebaut werden. Lebone will aber noch mehr: Bald sollen es mehrere Tausend sein. (bsc)