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Mittelstand: Wege zum Geld

Gerhard Samulat

Großkonzerne beschäftigen oft ganze Abteilungen, um die Töpfe der Innovationsförderung auszuschöpfen. Doch für kleinere Unternehmen gibt es ebenfalls spezielle Mittel. Berater helfen, sie erfolgreich zu beantragen.

Großkonzerne beschäftigen oft ganze Abteilungen, um die Töpfe der Innovationsförderung auszuschöpfen. Doch für kleinere Unternehmen gibt es ebenfalls spezielle Mittel. Berater helfen, sie erfolgreich zu beantragen.

Etwa ein Drittel des Wirtschaftswachstums in Deutschland geht auf Innovationen zurück, schätzt das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Die über drei Millionen kleinen oder mittelständischen Unternehmen (KMU) spielen dabei eine maßgebliche Rolle. Sie gelten als besonders flexibel bei der Erschließung neuer Märkte.

Um die Innovationskraft dieser Unternehmen zu stärken, flossen von Mitte 2008 bis jetzt mehr als zwei Milliarden Euro öffentliche Fördergelder in über 16000 Forschungs- und Entwicklungsprojekte kleiner und mittlerer Firmen. Und auch im laufenden Jahr stehen wieder mehr als 500 Millionen Euro speziell für KMU zur Verfügung. Die tragenden Säulen bilden dabei zwei Programme der Bundesregierung: das vom Bundeswirtschaftsministerium aufgelegte "Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand" (ZIM) und das Forschungsförderprogramm "KMU-innovativ" des Bundesforschungsministeriums. Sie richten sich an Unternehmen, die einen Umsatz von unter 50 Millionen Euro erzielen und weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen.

"Unterstützt werden von uns Projekte, deren Ziel es ist, innovative Produkte, Verfahren oder technische Dienstleistungen zu entwickeln oder an innovativen Netzwerken teilzunehmen", beschreibt Klaus-Rüdiger Sprung die Aufgaben des ZIM. Sprung ist Geschäftsführer der AiF Projekt GmbH in Berlin, die als Projektträger des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie für das ZIM-Fördermodul "Kooperationsprojekte" eingehende Anträge begutachtet und bewilligt. Damit ist sie eine der ersten Anlaufstellen für all jene KMU, die ihre Forschungs- oder Entwicklungsprojekte zusammen mit anderen Unternehmen oder Forschungseinrichtungen planen. "Wichtig ist dabei, dass jeder der Partner einen eigenen Antrag stellt, in dem er darlegt, welche Leistungen er in das Projekt einbringt", erläutert Sprung.

Wer ganz auf die eigene Forschung setzt, wendet sich da- gegen an das Programm ZIM-Solo. Und für ausgesprochene Netzwerker gibt es ZIM-Nemo. Geld erhält hier aber nur der – externe – Dienstleister, der das Netzwerk aufbaut und managt. Für alle drei Programme gingen im Jahr 2011 monatlich durchschnittlich über 450 Anträge ein. Beabsichtigt sei, so Sprung, die Programme auch für Mittelständler mit bis zu 500 Beschäftigten zu öffnen.

Ein Betrieb, der sich noch nie um eine Forschungsförderung bemüht hat, wird sich in in der Regel nicht gleich mit den Bundesprogrammen beschäftigen. Der erste Schritt ist meist der Gang zu regionalen Organisationen der Wirtschaftsförderung oder den Industrie- und Handelskammern. "Für KMU, die wenig Erfahrung mit Forschungsprogrammen haben, bieten sich unsere Informationsveranstaltungen zu aktuellen Entwicklungen der Forschungsförderung an", sagt stellvertretend für viele lokale Anlaufstellen Nina Gibbert von der Hessen-Agentur in Wiesbaden, einer Gesellschaft des Landes. Auf den Veranstaltungen treffen die Novizen auch erfahrenere Unternehmer. So haben sie die Chance, in ein bereits bestehendes Konsortium einzusteigen und das Prozedere kennenzulernen, statt den Papierkram mit den Förderanträgen allein bewältigen zu müssen.

Die Hessen-Agentur ist zugleich eine von zwölf über das Bundesgebiet verteilten Anlaufstellen des sogenannten Enterprise Europe Network – ein europaweites Netzwerk aus insgesamt 500 Beratungsstellen. Sie alle helfen im Auftrag der Länder und der EU kleinen und mittleren Unternehmen bei der Auswahl der geeigneten Förderprogramme. "Dabei sind die EU-Förderanträge die Königsdisziplin der Forschungsförderung", sagt Gibbert. Der administrative Aufwand sei dort deutlich höher als bei regionalen oder bundesweiten Programmen, und die Vorbereitung des Antrags dauere deutlich länger.

Doch hält das mittlerweile siebte Forschungsrahmenprogramm der EU, an das sich 2014 das Sechsjahresprogramm "Horizon 2020" anschließen soll, auch die fettesten Töpfe bereit: Insgesamt ist es mit über 50 Milliarden Euro ausgestattet. Sieben Milliarden davon werden noch in diesem Jahr ausgeschüttet, nächstes Jahr sind es sogar acht Milliarden.

In seinem Programmteil "Kapazitäten" enthält das EU-Forschungsförderungsprogramm die Kategorie "Forschung für KMU", die mit 1,3 Milliarden Euro ausgestattet ist. Kleine und mittlere Unternehmen erhalten hier für ihre Forschung und Entwicklung (F&E) Zuschüsse von bis zu 75 Prozent. Das ist mehr, als große Unternehmen erwarten dürfen. Die Firmen können sich obendrein 20 bis 60 Prozent ihrer indirekten Kosten für F+E finanzieren lassen – beispielsweise für Verwaltung, Dienstreisen oder in Ausnahmefällen sogar für notwendige Investitionen.

Für besonders innovative KMU gibt es in der EU zudem die Forschungsinitiative Eurostars. Sie richtet sich an besonders innovative KMU-Kooperationen, die mindestens zehn Prozent ihres Umsatzes oder ihres Personals im Forschungs- und Entwicklungsbereich nachweisen. Das jeweils geförderte Projekt soll besonders anwendungsnah und das angestrebte Produkt nach spätestens zwei Jahren auf dem Markt sein. Die im Enterprise Europe Network zusammengeschlossenen Agenturen bieten sogar die Beratung zur europaweiten Vermarktung der neuen Technologie an. Weil es für kleine Unternehmen nicht einfach ist, das passende Programm für sich herauszufinden, können externe Berater eine Hilfe sein. Der Beratermarkt in Deutschland ist jedoch unübersichtlich. Immerhin: Der Deutsche Verband für Technologietransfer und Innovation e.V. (DTI) bündelt zumindest gut 40 auf die Beratung von Innovationen und neuen Technologien spezialisierte Mitgliedsorganisationen mit über 800 Mitarbeitern, und die Industrie- und Handelskammern zählen rund 140 Innovations- und Technologieberaterinnen und -berater in ihren Reihen. Ferner gibt es in dem auf KMU spezialisierten Verband "Die KMU-Berater" freiberufliche Experten, die sich intensiv mit der Fördermittel-Beratung befassen.

"Für meine Mandanten übernehme ich alle Arbeiten, die mit der Förderung zu tun haben", sagt beispielsweise Johannes Drosdol von der DWHS Innovationsberater GmbH aus Lichtenwald. Er entwirft Schreiben, stellt Anträge, erinnert an Termine und bereitet Berichte vor, die vor allem zum Ende der Projekte anfallen. Bevor er sich selbstständig machte, arbeitete er 30 Jahre bei Daimler in der Forschung. Das kann Andreas Oelsner von der Mainzer Surface Concept GmbH (siehe Fallbeispiel rechts) nur bestätigen: "Die Berater kennen oft noch ein paar Kniffe und nehmen sich meist viel Zeit, um sich mit dem Antragsteller sowie den Gutachtern zusammenzusetzen." Oelsner hat dieses Angebot gern angenommen: "Das ist für jemanden, der die Arbeit mit den Formularen scheut, kein schlechtes Modell."

Seine Mandanten findet Drosdol vorwiegend durch Empfehlungen. Wie viele seiner Kollegen arbeitet er erfolgsabhängig: Je nach Projektzuschnitt berechnet er für seine Arbeit zwischen 10 und 14,5 Prozent des Förderzuschusses, zahlbar nach Eingang der jeweiligen Rate. Branchenüblich sind bis zu 25 Prozent. Vielfach wird zudem eine Grundvergütung oder Kaution vereinbart, die mit dem Honorar verrechnet wird.

Über Drosdol oder eines der rund 80 weiteren durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie autorisierten Beratungsunternehmen erhalten Betriebe auch sogenannte Innovationsgutscheine. Sie sind besonders für kleine Unternehmen mit weniger als 100 Beschäftigten gedacht und decken die Hälfte der Ausgaben für externe Beratungsleistungen. Das hilft, Machbarkeitsstudien durchzuführen, das richtige Förderprogramm zu finden sowie Teile des Antrags zu formulieren. Drosdol hat die Erfahrung gemacht, dass Unternehmen mit einer Bilanzsumme von über zehn Millionen Euro eher eine Bewilligung erhalten als Kleinstunternehmen mit nur einer Handvoll Angestellten und einem Umsatz von weniger als eine Million Euro. Der Grund: Die Fachgutachter befürchten oft, dass ein antragstellendes Kleinunternehmen während der Förderphase insolvent gehen könnte. Ein zu geringes Eigenkapital für die Finanzierung des Eigenanteils ist daher einer der häufigsten Gründe, weswegen eine Förderung abgelehnt wird, bestätigt auch AiF-Mann Sprung.

Und Drosdol gibt einen weiteren Tipp: "Antragsteller sollen in ihren Antrag unbedingt hineinschreiben, welches technische Risiko die geplante Entwicklung für sie bedeutet." Denn nur wenn dieses erheblich sei, erhalte ein Unternehmen überhaupt Förderung. "Sie glauben nicht, wie oft mir dies von den Mandanten herausgestrichen wird mit der Begründung: Wir sind gut, wir schaffen das!", berichtet der Förderberater. Oft sind die Antragsteller dann erstaunt, wenn der Berater ihnen erklärt, dass sie dann aber wohl keine Förderung erhalten würden. Wenn aber tatsächlich die erste Förderrate auf dem Konto einginge, kämen die Unternehmen meist so richtig in Fahrt: "Sagen Sie mal, ich habe da noch diese oder jene Entwicklung geplant..." Tatsächlich könnten mehrere Projekte parallel gefördert werden, klärt Drosdol seine Kunden dann auf, sofern die Innovationskraft des Unternehmens das hergibt.

Zwei Drittel aller Anträge werden bewilligt. "Die hohe Erfolgsquote ist nicht nur auf die Qualität der innovativen Ideen zurückzuführen, sondern auch auf eine intensive Beratung", sagt Klaus-Rüdiger Sprung von der AiF Projekt GmbH. Umgekehrt ausgedrückt: Je professioneller ein Unternehmen sich bei seinem F&E-Projekt beraten lässt, desto größer die Chancen, dass der Antrag auf Förderung auch genehmigt wird. ()


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