Nasen-Impfstoff gegen COVID-19 gescheitert – doch die Versuche gehen weiter

Forscher der University of Alabama arbeiteten zusammen mit einem Pharma-Start-up an einfach anwendbaren Corona-Vakzinen, die sogar sterilisierend sein sollten.

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(Bild: totojang1977/Shutterstock.com)

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Zwei zentrale Probleme gibt es mit den – erstaunlich schnell und erfolgreich entwickelten – Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 und eine COVID-19-Infektion noch. Erstens ist die standardmäßig notwendige intramuskuläre Gabe mit großem logistischen Aufwand verbunden und muss durch Fachkräfte erfolgen, was insbesondere in ärmeren Ländern zum Problem wird. Zweitens sind die Vakzine nicht sterilisierend – das heißt, dass man sich auch nach deren erfolgreicher Gabe immer noch (wenn auch normalerweise mit mildem Verlauf) anstecken und (schlimmer) das Virus potenziell weitergeben kann.

Beide Herausforderungen sollte ein neuer Impfstoff angehen, der an der University of Alabama in Birmingham (UAB) entstanden ist. Das Projekt unter dem Kandidatennamen AdCOVID wurde in Zusammenarbeit mit dem Biopharma-Start-up Altimmune durchgeführt. Die Firma aus Gaithersburg, Maryland, hat sich auf Medikationen gegen Adipositas und Lebererkrankungen spezialisiert, interessiert sich aber auch für intranasal verabreichte Impfstoffe und hat ein immunmodulierendes Medikament gegen COVID-19 in der Pipeline.

AdCOVID, das ähnliche wie die Impfstoffe von AstraZeneca und Johnson & Johnson auf einen Adenovirus-Vektor setzt, verfolgte einen simplen Ansatz: Die Vakzine sollte in nur einer Dose durch die Nase gegeben werden. Dass das funktionieren kann, hatte sich in Tierversuchen gezeigt. Diese ergaben noch einen zweiten Vorteil: Es zeigte sich eine sterilisierende Immunität zumindest in der Lunge der transgenen Labormäuse – also keinen Virenbefall mehr. Die Kontrollgruppe zeigte hingegen eine dichte Infektion in der Lunge und erkrankte dann schwer.

Die Daten legten nahe, dass eine einzelne Dosis von AdCOVID durch die Nase infektiöse Viren neutralisieren könnten, so UAB und Altimmune in einer ersten Zwischenstellungnahme im Mai. Tröpfcheninfektionen erfolgen oft durch die Nase, zudem scheint sich hier manchmal ein mögliches Virenreservoir zu bilden, das Reinfektionen erlaubt. Genau dort sollte eine lokale Immunität (über sogenanntes mukosales Immunglobulin A, also IgA in der Schleimhaut) erzeugt werden – plus T-Zellen und systemischer, neutralisierender IgG-Antwort. "Das Blockieren der Übertragung ist kritisch für die Verhinderung der Verbreitung des Virus", so Altimmune-Forschungschef Scot Roberts. Auch sei so das Auftauchen neuer beunruhigender Virenvarianten vermeidbar, die die Pandemie verlängern.

Die Gabe durch die Nase machte wiederum Hoffnung, die leider mittlerweile wachsende Impfzurückhaltung vieler Bürger zu bekämpfen – wer Spritzen nicht mag, kann so viel einfacher geimpft werden. Zudem war AdCOVID thermostabil und benötigte keine komplexe Kühlkette. AdCOVID ging letztes Frühjahr in einen vorklinischen Test an sechs Instituten der UAB. Doch dann ging alles ganz schnell: Wie Altimmune Ende Juni einräumen musste, ließen sich die Ergebnisse aus dem Tierversuch nicht auf den Menschen übertragen.

Zwar wurde die Vakzine bei 80 gesunden Erwachsenen zwischen 18 und 55 Jahren gegenüber einem Placebo gut angenommen und toleriert. Allerdings ergab sich nach der Überprüfung des Blutes, dass sich nicht genügend Antikörper gebildet hatten. Eine frühere Studie mit einem Grippeimpfstoff durch die Nase war hingegen erfolgreich verlaufen – wohl auch, weil die Menschen bereits zuvor teilimmun gegen Grippe waren. Altimmune hat sich daher entschieden, die Arbeit an AdCOVID einzustellen und will stattdessen an seinem Therapeutikum weiterarbeiten.

Gänzlich aufgegeben hat die Forschung durch die Nase gegebene Impfstoffe gegen COVID-19 allerdings nicht. So laufen aktuell noch mindestens sieben weitere Versuche weltweit. Ein Projekt davon, MV-014-212 von Meissa Vaccines, soll im Tierversuch an Affen gute Effekte gezeigt haben. Es handelt sich um einen rekombinanten Lebendimpfstoff.

(bsc)