Nickerchen vs. lange Nachtruhe: Kurzer Schlaf hilft, kreative Lösungen zu finden

Eine neue Studie zeigt, dass Schlaf beim Denken helfen kann, wirft aber auch viele neue Fragen auf.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 18 Kommentare lesen

(Bild: Sharon McCutcheon / Unsplash)

Lesezeit: 4 Min.

Von Thomas Edison wird berichtet, dass er es als "absolute Zeitverschwendung" angesehen haben soll, pro Nacht mehr als vier Stunden zu schlafen. Dafür legte der Erfinder tagsüber mehrere Schläfchen ein, hielt aber dabei immer einen Ball in der Hand, der herunterfiel und ihn weckte, sobald er ernsthaft einschlief.

Laut einer neuen Studie in Science Advances könnte Edison mit dieser Methode tatsächlich einen Weg gefunden haben, seine Kreativität zu optimieren. Denn Célia Lacaux von der Sorbonne in Paris und Kollegen konnten zeigen, dass Probanden ihrer Studie, die nur kurz in die Einschlafphase eintraten, dreimal häufiger mathematische Rätsel lösen konnten als die Kontrollgruppe. Dieser Effekt verschwand jedoch, wenn die Probanden in einen tieferen Schlaf fielen.

Ob Schlafen dabei helfen kann, Probleme auf eine kreative Art und Weise zu lösen, ist Gegenstand intensiver Forschung und wissenschaftlicher Debatte. 2018 veröffentlichten Penny Lewis von der Cardiff University und Kollegen eine Hypothese dazu: Der Hippocampus ist für das Gedächtnis und für das Lernen zuständig. Während des Tiefschlafs werden frische Erinnerungen dort erneut aufgerufen und so konsolidiert. In der REM-Schlafphase aktiviert der Neokortex zufällig Gedächtnisinhalte im Hippocampus – dabei werden auch Gedächtnisinhalte aktiviert, die oberflächlich nichts miteinander zu tun haben, aber konzeptionell ähnlich sind. Das hilft dem Neokortex, auf einer abstrakteren Ebene Wissen neu zu gruppieren.

Allerdings gelang es Lewis und ihren Kollegen nicht, diese These zweifelsfrei zu belegen. Dafür gab es andere Befunde, die eine Verbesserung der Problemlösungsfähigkeit bereits nach zehn Minuten stummer Pause feststellten – ganz ohne Schlaf – oder gar, dass Schlafen nicht zu plötzlichen Einsichten führt.

Célia Lacaux und Kollegen konzentrierten sich bei ihrer Studie auf die Phase des Einschlafens, insbesondere den N1-Schlaf. Auch in diesem Stadium ist die Kontrolle des Neokortex über den Hippocampus gelockert. Sie legten ihren 103 Teilnehmern jeweils zwei Ziffernfolgen vor: Eine achtstellige Ziffernfolge, und eine, bei der die letzte Zahl fehlte. Die zweite Folge kann durch zwei nacheinander angewandte logische Regeln aus der ersten konstruiert werden. Die Aufgabe bestand darin, die letzte Ziffer der zweiten Reihe so schnell wie möglich zu finden. Was die Probanden nicht wussten: Es gab jeweils eine versteckte, dritte Regel, die eine Abkürzung der Lösung ermöglichte.

Nach 30 Durchgängen machten die Probanden, die in den Nächten vor dem Versuch 30 Prozent weniger schlafen sollten als sonst, in einem abgedunkelten Raum auf einer Liege eine Pause. Dabei sollten sie – wie Edison – einen Gegenstand in der Hand halten. Wenn der herunterfiel, sollten sie beschreiben, was sie gerade gedacht hatten. Anschließend sollten sie erneut 30 Aufgaben lösen. Das Ergebnis: Personen, die sich mindestens 15 Sekunden lang im N1-Schlaf befanden (der ersten Nicht-REM-Schlafphase) hatten eine um 83 Prozent höhere Chance, die versteckte Regel zu finden.

Allerdings trat der "Heureka-Moment" nicht unmittelbar nach dem Aufwachen auf, sondern erst 30 Minuten danach. Unklar ist auch, warum die Verbesserung bei Probanden nicht zu sehen ist, die länger und tiefer schliefen. Außerdem müsse man untersuchen, ob der Effekt auch bei anderen Problemstellungen auftrete, die eine kreative Lösung erforderten, schreiben die Forschenden.

Anders als beispielsweise bei Adam Horowitz vom MIT, der ein Wearable zur Schlafforschung und Traum-Beeinflussung entwickelt hat, erfordere ihre Methode aber keine aufwendige Apparatur. "Die Methode kann von jedem angewandt werden, der Inspiration finden will – zu Hause oder bei der Arbeit".

(wst)