Patient nach CRISPR-Therapie: "Ich bin für meine Behandlung sehr dankbar"

Ein Patient, der an einer klinischen Studie teilnimmt, berichtet, wie es ihm mit einer neuen Gentherapie gegen die Blutarmut ergangen ist.

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Jimi Olaghere

Jimi Olaghere.

(Bild: Matt Odom)

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Inhaltsverzeichnis

Jimi Olaghere ist selbst von der Sichelzellkrankheit betroffen und engagiert sich seit Jahren als Fürsprecher für Patienten. Im echten Leben arbeitet er als Tech-Unternehmer.

An einem malerischen Herbsttag vor einigen Jahren öffnete ich meinen Briefkasten und nahm einen bibeldicken Umschlag heraus, der mein Leben verändern sollte. Die Sendung kam vom Medikamentenhersteller Vertex Pharmaceuticals und enthielt eine Einverständniserklärung zur Teilnahme an einer klinischen Studie für eine neue Gene-Editing-Therapie zur Behandlung der Sichelzellkrankheit.

Eine Woche zuvor hatten meine Frau und ich mit Haydar Frangoul, einem Onkologen und Hämatologen in Nashville, Tennessee, telefoniert, der die Studie leitete. Er gab uns einen Überblick über deren Ablauf und zu ersten Erfolgen der Teilnehmer. Ehe wir uns versahen, flogen meine Frau und ich zum Studienort in Nashville, um mich einzuschreiben und mit der Behandlung zu beginnen. Zu dieser Zeit war sie mit unserem ersten Kind schwanger. Ich hatte mein ganzes Leben mit der Sichelzellkrankheit gelebt – mit chronischen Schmerzen, Organschäden und echter Hoffnungslosigkeit. Für mich bedeutete die Studie die Chance, endlich die Kontrolle über mein Leben wiederzuerlangen und die Möglichkeit zu haben, ein präsenter Vater für mein Baby zu sein.

Das mir verabreichte Medikament mit dem Namen exa-cel ist seit dem 8. Dezember 2023 die erste CRISPR-basierte Behandlung, die von der US-amerikanischen Medikamentenbehörde Food and Drug Administration (FDA) zugelassen wurde, nachdem sie Mitte November in Großbritannien eine Genehmigung erhalten hat. Ich bin einer von nur einigen Dutzend Patienten, die die Therapie bisher erhalten haben. Ende Oktober habe ich mich vor dem Beratungsgremium der FDA für eine Zulassung ausgesprochen, als diese zur Sichtung der Studienergebnisse zusammentrat.

Ich bin mir bewusst, wie privilegiert ich bin, zu den ersten Empfängern dieses bahnbrechenden neuen Medikaments zu gehören und von dieser Forschung direkt zu profitieren. Menschen mit Sichelzellkrankheit produzieren kein gesundes Hämoglobin, ein Protein, das die roten Blutkörperchen für den Sauerstofftransport im Körper benötigen. Infolgedessen entwickeln sie rote Blutkörperchen mit Missbildungen, die Blutgefäße verstopfen können, was zu starken Schmerzen und manchmal auch Organversagen führt. Die Betroffenen sterben oft Jahrzehnte früher als Menschen ohne diese Krankheit.

Nachdem ich exa-cel erhalten hatte, erlebte ich ein Leben, von dem ich bisher nur geträumt hatte: quasi grenzenlose Energie und die Fähigkeit, mich durch simplen Schlaf zu erholen. Meine körperlichen Symptome – einschließlich einer gelblichen Färbung meiner Augen, die durch den raschen Abbau von fehlerhaft arbeitenden roten Blutkörperchen verursacht wurde – verschwanden praktisch über Nacht. Vor allem aber gewann ich die Zuversicht, dass die Sichelzellkrankheit mich nicht vorzeitig von meiner Familie trennen wird – und das Gefühl, mein Schicksal wieder selbst in die Hand nehmen zu können.

Heute befinden sich mehrere weitere Gentherapien zur Behandlung der Sichelzellkrankheit in der Pipeline von Biotech-Start-ups. Darunter sind Bluebird Bio, Editas Medicine und Beam Therapeutics sowie große Pharmakonzernen wie Pfizer und Novartis. Alle wollen den am schlimmsten Leidenden helfen. In den USA soll es allein 100.000 Patienten geben, von denen die meisten afroamerikanischer Abstammung sind.

Doch viele Menschen, die diese Behandlungen benötigen, werden sie vielleicht nie erhalten. Auch wenn ich sehr von der Gen-Editierung profitiert habe, mache ich mir Sorgen, dass nicht genug andere Personen diese Möglichkeit haben werden. Ich bin für meine Behandlung sehr dankbar. Doch es gibt echte Hindernisse, diese lebensverändernden Medikamente mehr Menschen zugänglich zu machen. Die Behandlung mit exa-cel war eine intensive, monatelange Reise. Die Ärzte entnahmen Stammzellen aus meinem eigenen Knochenmark und veränderten sie mithilfe von CRISPR so, dass sie gesundes Hämoglobin produzieren konnten. Dann injizierten sie mir diese veränderten Stammzellen wieder.

Es war ein mühsamer Prozess, von der Entnahme der Stammzellen über die Vorbehandlung meines Körpers zur Aufnahme der veränderten Stammzellen bis hin zur eigentlichen Transplantation. Allein die Entnahme kann bis zu acht Stunden dauern. Bei jeder Entnahme saß ich neben einer Apherese-Maschine, die mit großem technischen Aufwand meine roten Blutkörperchen von den Stammzellen trennte, was mich sehr schwächte. In meinem Fall brauchte ich nach jeder Entnahme auch Bluttransfusionen – und es waren insgesamt vier Entnahmen, um schließlich genug Stammzellen zu gewinnen, damit das Studienteam sie bearbeiten konnte.

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Die Vorbereitungskur, die meinen Körper für die Aufnahme der bearbeiteten Zellen bereit machte, war eine weitere große Herausforderung. Ich unterzog mich einer wochenlangen Chemotherapie, um alte Stammzellen, die das fehlerhafte Hämoglobin produzierten, aus meinem Körper zu schwemmen und Platz für die CRISPR-bearbeiteten Stammzellen zu schaffen. Das bedeutete, dass ich mit Übelkeit, Schwäche, Haarausfall, äußerst störenden Wunden am Mund und dem Risiko einer Verschlimmerung der Grunderkrankung zu kämpfen hatte. Mein Transplantationstag war im September 2020. Innerhalb weniger Minuten übertrug mir ein Arzt die bearbeiteten Stammzellen mit drei kleinen Spritzen, die mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt waren. Das Pflegeteam hat viel getan, um diesen Tag zu einem besonderen Tag für mich zu machen, ich selbst fand den Termin aber etwas ernüchternd – auch weil der Prozess bis dahin so schwer war.

Die Tage und Monate danach waren jedoch sehr bereichernd. Nicht mehr jeden Tag zu fürchten, jedes Symptom könnte zu meinem Lebensende führen, war sehr befreiend. Spiellärm und das Lachen meiner zweijährigen Zwillingstöchter und meines vierjährigen Sohnes hallen durch mein Haus, und ich habe durch das Erreichen meines Ziels, Vater zu werden, enorm an Selbstvertrauen gewonnen.

Aus meiner Erfahrung weiß ich jedoch, dass die Behandlung nicht für jeden geeignet ist. Um exa-cel zu erhalten, habe ich insgesamt 17 Wochen im Krankenhaus verbracht. Nicht jeder wird sich einem solch zermürbenden Prozess unterziehen wollen oder in der Lage sein, sich von familiären Verpflichtungen oder seiner Arbeit freizunehmen. Und meine Behandlung war im Rahmen der Studie kostenlos – wenn sie zugelassen wird, könnte exa-cel Millionen von US-Dollar kosten, und zwar pro Patient.

Ein weiteres potenzielles Hindernis besteht darin, dass sich manche Menschen in ihrer chronischen Krankheit einrichten. In vielerlei Hinsicht wird die Sichelzellkrankheit zu einem Teil der eigenen Identität und Lebensweise. Die Gemeinschaft von Menschen mit Sichelzellkrankheit – wir nennen uns selbst "die Krieger" – ist für viele eine Quelle von Kraft und Unterstützung. Selbst die Aussicht auf ein besseres Leben durch neue Technologie könnte womöglich nicht stark genug sein, dieses Band zu zerreißen.

Andere Herausforderungen betreffen die gesamte Gesellschaft. Bei der Entwicklung neuer Behandlungsmethoden litt der medizinisch-industrielle Komplex in den USA in der Vergangenheit allzu oft unter systemischem Rassismus und einer unethischen medizinischen Praxis. Infolgedessen misstrauen viele Afroamerikaner noch immer dem Gesundheitssystem, was die Beteiligung an neuen Gentherapien weiter bremsen könnte.

Für die meisten Unternehmen, die diese neuen Therapieformen entwickeln, hat die weltweite Verfügbarkeit leider keine Priorität, was ich für einen Fehler halte. Einige Kritiker haben die mangelnde Infrastruktur des Gesundheitswesens in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara angeführt, in denen etwa 80 Prozent aller Sichelzellkrankheit-Fälle weltweit auftreten. Aber das klingt für mich nur nach einer bequemen Ausrede.

Die Möglichkeiten zur Behandlung der Sichelzellkrankheit sind sehr begrenzt. Menschen den Zugang zu einer so wirksamen und transformativen Behandlung zu verweigern, nur weil er nicht in der Lage ist, sie zu bezahlen – oder am falschen Ort lebt – halte ich für unethisch. Ich bin überzeugt, dass Patienten und Gesundheitssysteme auf der ganzen Welt die Gewissheit verdienen, dass die Behandlung denjenigen zur Verfügung stehen wird, die sie benötigen.

Die Durchführung gentherapeutischer Forschung und klinischer Studien in Bevölkerungsgruppen mit afrikanischen Wurzeln könnte zudem ein umfassenderes Verständnis der genetischen Vielfalt der Sichelzellkrankheit ermöglichen. Dieses Wissen könnte auch zur Entwicklung wirksamerer und maßgeschneiderter Therapien beitragen – nicht nur für Afrikaner, sondern eben auch für Menschen afrikanischer Abstammung, die in anderen Regionen leben. Selbst als direkter Nutznießer der Gentherapie habe ich oft damit zu kämpfen, dass ich die Folgen meines Handelns nicht vollständig sehen kann. Ich habe damit auf zellulärer Ebene grundlegend verändert, wer ich bin. Wo ziehen wir Grenzen, wenn wir "Gott spielen"? Und wie können wir die Vorteile einer derart mächtigen Technologie einem breiteren Publikum zugänglich machen? Das sind die Fragen, die wir uns stellen müssen.

(jle)