Post aus Japan: Japan entdeckt die Sharing Economy

Ein Startup aus Nippon schickt sich an, zum Uber der Parkplätze zu werden. Per App können Hausbesitzer über die Sharing Economy ihre ungenutzten Stellflächen zu einer Geldquelle machen.

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Von
  • Martin Kölling

Ok, ich gebe zu, dass das folgende Geschäftsmodell in Deutschland vielleicht keine Chance hätte. Denn in einem Land, in dem kostenloses Parken im Wohnbezirk vielerorts quasi als Menschenrecht angesehen wird, ist mit der Vermittlung kostenpflichtiger Parkplätze sicherlich kein Reibach zu machen. Ausnahmen gibt es dennoch in Deutschland, wie etwa die Anbieter Ampido, ParkingList oder Park2gether. In Japan kosten Parkplätze in der Regel gutes Geld. Und dies hat es dem Unternehmen akippa erlaubt, mit der Ummünzung von Konzepten smartphonegestützter Sharing Economy zu einem der größten Parkplatzanbieter Japans zu werden.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Das System funktioniert, wie man es von der Habe-und-teile-Wirtschaft gewohnt ist. Parkplatzbesitzer, seien es Unternehmen oder Hauseigentümer, bieten über eine App ihre freien Stellflächen an. Der notleidende Autofahrer kann sie dann per Smartphone buchen und bezahlen. 60 bis 70 Prozent der Gebühr gehen an den Anbieter. Den Rest kassiert akippa für seine Vermittlungsdienste.

Inzwischen hat das Unternehmen landesweit bereits mehrere tausend Parkplätze unter seinem Management. Damit macht der Anbieter traditionellen Platzhirschen wie Times24 Konkurrenz, die interessanterweise ihrerseits in einen anderen Bereich der Sharing Economy expandieren: Car Sharing mit ihren Parkplätzen als Stellfläche. Der Vorteil des jungen Herausforderers ist allerdings, dass sein Geschäft ohne physikalische Infrastruktur wie Ticketautomaten und Wegfahrsperren oder Schranken auskommt.

Das scheint mir ein durchaus ein lukratives Geschäftsmodell zu sein, für alle Beteiligten. In Innenstadtlagen werden gerne alle 15 Minuten 1,20 Euro Gebühr fällig, was für Autofahrer preiswerter als bisherige Parkplätze und für Parkplatzbesitzer mehr als das bisherige Nichts ist. Aber für mich ist an der Idee bemerkenswerter, dass ausgerechnet Japan, der Nachzügler in der Sharing Economy, plötzlich mit dem Teilen beginnt.

Natürlich verbreiten sich auch Airbnb und ähnliche Wohnungsvermittlungen wie wild. Denn nicht nur gibt es auch in Japan eine lange Tradition der Minshuku, privater Ferienzimmer. Zudem haben viele Lokalregierungen ein Interesse an diesen neuen Diensten, da wegen eines Touristen-"Tsunamis" in vielen Gegenden die Hotels knapp werden. Und die Olympiade 2020 in Tokio könnte das Problem noch verschärfen.

Doch für den Trend "Weg vom alleinigen Besitzanspruch" ist für mich aussagekräftiger, dass auch des Japaners liebste Bastion des Privatbesitzes von der Sharing Economy geschliffen wird: das Auto. DeNA, ein Anbieter mobiler Onlinespiele, hat beispielsweise als Teil seines neuen Geschäftszweigs Mobilitätsdienste die App Anyca auf den Markt gebracht. Bei dem Dienst werden im Gegensatz zu Uber keine Mitfahrgelegenheiten vermittelt, sondern Pkws von privat an privat.

Ein Freund von mir schwärmte, dass er damit nicht nur billiger einen Wagen mieten könne als bei gewöhnlichen Autoverleihern, sondern auch eine größere Auswahl an Modellen habe. Wenn er mal BMW fahren will, wird er fündig. Genauso werden Kleinwagen oder Vans angeboten, sodass jeder Geschmack und Bedarf befriedigt werden kann. Man einigt sich mit dem Fahrzeugbesitzer nur über Ort und Zeit der Über- und Rückgabe, und schon geht's los. Für Versicherung wird gesorgt.

Ich bin mal gespannt, welche Konsequenzen diese neuen Geschäftsformen entwickeln werden. Bisher ist es ja ein Service, der zusätzlich zum traditionellen Modell des Privatbesitzes angeboten wird. Wird es zu einer Verbreitung von vielen Nebenerwerbsteilern führen? Werden sich vielleicht sogar Menschen ein Auto kaufen, die sich wegen der hohen Kosten bisher gescheut haben, da sie nun den Unterhalt wieder hereinholen können? Oder werden die kapitalistischen Gesetze auch im Bereich der Sharing Economy zu einer Konsolidierung unter den Anbietern zu Großteilern führen?

Ich vermute, dass eine Zeit lang die verschiedenen Wege gleichzeitig bestehen werden. Doch am Ende passiert womöglich wieder, was schon im Internet passiert ist: Durch die leichte Skalierbarkeit des Teilbesitzes werden wie im Internet Großkonzerne entstehen. ()