Proteingehalt wie Soja: Start-up gewinnt aus CO₂ ein nahrhaftes Pulver

Ein finnisches Start-up braut ein veganes Protein aus CO₂ und Wasserstoff. In Singapur darf es schon verspeist werden, die Zulassung in Europa steht noch aus.

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(Bild: Solar Foods)

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Es sprudelt vermutlich ein bisschen im Kessel aus Edelstahl, wenn beim finnischen Start-up Solar Foods ein klimafreundliches Eiweißprodukt gebraut wird. Als Ausgangsstoffe werden Kohlendioxid (C0₂) und Wasserstoff in eine wässrige Flüssigkeit eingeblasen. Auch Sauerstoff strömt hinein, als Lebenselixier für die Protagonisten des Prozesses: natürliche Mikroorganismen, die die Gase zum gewünschten Produkt umbauen.

Am Ende wird ein proteinreicher Schlamm aus dem Fermenter abgesaugt und getrocknet. Das dottergelbe Pulver habe einen ähnlichen Proteingehalt wie Soja oder Algen, heißt es aus dem Unternehmen. Fast alle der 20 essenziellen Aminosäuren seien enthalten, zudem Nährstoffe, Eisen und B-Vitamine. Das Proteinprodukt soll unter anderem als Zutat für Milchersatzprodukte, Fake-Fleisch und Pasta taugen. Zusammen mit dem Süßwarenhersteller Fazer aus Finnland hat Solar Foods bereits marktreife Eiscreme und einen Schokoriegel mit Solein produziert, der seit Kurzem in Singapur verkauft werden darf.

"Mit der Produkteinführung in Singapur bekommen wir ein Feedback der Konsumenten und damit ein Gefühl für die Akzeptanz", sagt der Chef und Mitgründer des Unternehmens Pasi Vainikka. Man habe gleichwohl bereits andere Länder im Visier. "Unser Ziel ist ein großer Launch in Europa im nächsten oder übernächsten Jahr, mit einer ganzen Reihe von Produkten."

Gerichte aus dem Proteinpulver von Solar Foods (12 Bilder)

Solein hat das finnische Start-up Solar Foods sein Proteinpulver genannt, das die Basis für eine Reihe von Lebensmittel sein kann.
(Bild: Solar Foods)

Ganz so ressourcenschonend wie die Bezeichnung "Proteine aus der Luft" die Herstellung erscheinen lässt, ist sie zwar nicht. Wie Pflanzen zum Wachsen, brauchen die Mikroben im Fermenter Nährstoffe wie Stickstoff, Kalzium, Phosphor und Natrium, um sich zu vermehren. Und der Wasserstoff muss zunächst über eine energieintensive Elektrolyse aus Wasser gewonnen werden – idealerweise natürlich mit Strom aus Wind- oder Sonnenkraft. Doch die Vorteile gegenüber der Fleischproduktion liegen auf der Hand.

Etwa ein Drittel der weltweiten Ackerflächen werden durch den Anbau von Tierfutter blockiert. Zudem müssen oft klimaschützende Wälder weichen. Das Fermenterprotein ist laut Solar Foods etwa 100 Mal klimafreundlicher als Fleisch. Zudem brauche man für die Produktion lediglich ein Zehntel der Fläche, die für den Anbau eiweißreicher Pflanzen wie Soja nötig wäre, heißt es. Weniger Wasserverbrauch, keine Pestizide und keine Düngerbelastung der Umwelt zählen ebenfalls zu den Vorteilen der Proteine aus Mikroben und auch, dass sie frei von Antibiotika- oder anderen Medikamentenbelastungen sind.

Mehr als 20 verschiedene Lebensmittel will Solar Foods schon aus Solein hergestellt und verkostet haben. Mit den Produkten will sich das Start-up einen Anteil in einem Markt sichern, der laut dem Branchenblatt The Vegconomist jedes Jahr um 11,7 Prozent wachsen dürfte. Bis Ende 2023 könnte das Marktvolumen für Luft-Proteine auf 100 Millionen US-Dollar wachsen.

Dazu tragen auch andere Unternehmen bei, etwa das US-Unternehmen Air Protein, das die Luft-Proteine ursprünglich für einen Einsatz in Raumstationen entwickelte und jetzt vor allem an Fleischalternativen für irdische Supermärkte arbeitet. Oder der Pionier Calysta aus Kalifornien, der schon seit 2012 mit einer ähnlichen Technik wie Solar Foods produziert. Statt allerdings Wasserstoff und Kohlendioxid direkt im Fermenter einzusetzen, nutzt das Unternehmen Methan, zu dem die beiden Gase vorab vereint werden müssen. Das Proteinprodukt wird auch in Großbritannien und China produziert und unter dem Markennamen FeedKind und unter anderem zu Futter für Fischfarmen und Haustiere verarbeitet. In vielen Ländern ist es schon als Tierfutter zugelassen, auch in der EU.

Der Trend zur pflanzlichen Alternative ist offenbar da. Und auch Solar Foods vergrößert derzeit die Produktionskapazitäten. Gehen die Pläne des Unternehmens auf, wird noch in diesem Jahr die industrielle Solein-Produktion im finnischen Vantaa beginnen.

(anh)