Schwimmende Klimaforscher der etwas anderen Art

Seeelefanten, an deren Köpfe Sensoren angebracht sind, können Wissenschaftlern dabei helfen, die Auswirkungen der Erderwärmung in der Antarktis besser zu verstehen.

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Von
  • Michael Gibson

Bild: Mike Fedak und Martin Biuw

Ein Wissenschaftlerteam hat ein neues Verfahren entwickelt, mit dem sich genauere Echtzeitdaten der Temperaturveränderungen im Südpolarmeer erfassen lassen: Sie bringen die Sensoren am Körper wandernder Seeelefanten an. Die so gewonnenen Informationen sollen dabei helfen, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Meeresströmungen besser zu verstehen – schließlich verändert sich ihre Zusammensetzung durch das Frischwasser aus schmelzenden Gletschern und das insgesamt wärmere Wasser aus dem Norden.

In der Vergangenheit war es äußerst schwierig, Informationen über die Wasserverhältnisse in der Region zu sammeln, insbesondere unter den extremen Bedingungen des antarktischen Winters. Es ist kostenintensiv und manchmal gar unmöglich, Schiffe durch das Eismeer zu senden – und die Forschungsboote können zudem nur einen geringen Teil des Ozeans abdecken. Die Seeelefanten, die größte Robbenart der Erde, können dagegen in großer Zahl mit der Technologie ausgestattet werden und gelangen auf ihren natürlichen Wanderungen in Bereiche, in die kein Forscher vordringen kann.

Daniel Costa, Ökologe an der University of California in Santa Cruz, gehört zu den Forschern, die an dem Projekt mit dem Kurznamen SEaOS ("Southern Elephant Seals as Oceanographic Samplers") arbeiten. "Wir erhalten hier außergewöhnliche Daten über den Status des Meeres und können gleichzeitig erforschen, wie sich die Nahrungsaufnahme der Tiere aufgrund der veränderten Umweltbedingungen wandelt", meint er.

Costas Forscherteam ist international: Neben der University of California sind Wissenschaftler von der University of St. Andrews, der University of Tasmania, dem französischen Centre National de la Recherche Scientifique sowie weiteren Institutionen beteiligt.

In einer zweijährigen Studie wurde die Technologie an insgesamt 85 Seeelefanten getestet – aus insgesamt vier Sektionen der Antarktis: South Georgia, Kerguelen Island, Macquarie Island und Livingston Island. Die Wanderung der Tiere bei ihrer Futtersuche im Winter erstreckte sich um den gesamten antarktischen Kontinent und seinen Festlandsockel entlang. Die Seeelefanten tauchten dabei täglich mehr als 60 Mal in Tiefen von mehr als 600 Metern.

Mit jedem Tauchgang sammelten die an den Tieren angebrachten Sensoren Informationen über die Position und Tauchtiefe, gleichzeitig wurden Meerestemperatur und Salzgehalt gemessen. Kamen die Seeelefanten dann wieder an die Oberfläche zurück, wurden die Daten sofort per Satellit an zwei Forschungszentren (National Oceanographic Data Center in den USA und Coriolis Center in Frankreich) gefunkt, wo sie von den Meeresforschern untersucht und direkt in Klimamodelle eingespeist werden konnten. Auch die allgemeinen Veränderungen in der Region ließen sich so überwachen. Zum Ende ihrer Reise häuteten sich die Tiere dann – und die Sensor-Ausrüstung löste sich von ihren Köpfen.

Das Südpolarmeer spielt eine wichtige Rolle für das globale Klima. Hier befindet sich der Ausgangspunkt der größten Meeresströmungen der Erde, die die Temperatur im Norden beeinflussen. Ein mögliches Gefährdungspotenzial besteht etwa darin, dass die zunehmende Durchschnittstemperatur durch das Abschmelzen von immer mehr polarem Eis zu mehr kaltem Frischwasser führt, was den Abkühlungs- und Strömungsprozessen eine neue Richtung geben könnte. Manche Forscher fürchten gar, die Meeresströmungen könnten ganz unterbrochen werden. Genau das könnte dramatische Auswirkungen auf das Weltklima haben.

Carl Wunsch, Professor für Meereskunde am MIT, der das SEaOS-Projekt kennt, hält die Datenerfassung mit Hilfe der Seeelefanten für einen interessanten Ansatz, wertvolle Daten zu gewinnen. "Die können wir hier gut verwenden. Eine genaue Kontrolle über die Tiere haben wir natürlich nicht. Aber wir müssen besser verstehen lernen, was im Ozean geschieht."

Das SEaOS-Projekt ist die Fortführung ähnlicher, kleinerer Vorhaben, bei denen ebenfalls Sensoren unter anderem an Pinguinen angebracht wurden. Ökologe Costa nimmt auch an einem anderen Projekt Teil, bei dem eine weitere Robbenart zur Messung der Temperaturveränderungen des Südpolarmeerwassers in der Übergangszeit vom Sommer zum Winter Verwendung findet. (bsc)