Strom zu Gas

Die Erzeugung von Wasserstoff oder Methan aus Wind- oder Solarstrom gilt als Speicher der Zukunft. Doch der Wirkungsgrad ist schlecht. Ergibt die Technologie dennoch Sinn? Ein Pro und Contra.

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Die Erzeugung von Wasserstoff oder Methan aus Wind- oder Solarstrom gilt als Speicher der Zukunft. Doch der Wirkungsgrad ist schlecht. Ergibt die Technologie dennoch Sinn? Ein Pro und Contra.

Pro: Wir brauchen einen Energiespeicher, daher bringt uns die Debatte um den schlechten Wirkungsgrad der Power-to-Gas-Methode nicht weiter. Besser einen schlechten Wirkungsgrad, als Strom einfach wegzuwerfen. Künftig können wir uns das nicht mehr leisten, wenn Deutschland es ernst meint mit der Energiewende. Die Krux bei Solarzellen und Windrädern ist nun mal, dass sie mal zu viel und mal zu wenig Strom produzieren.

Die überschüssige Energie müssen wir speichern, sonst haben wir im Winter einen Versorgungsengpass, wenn einmal alle Atom- und die meisten Kohlekraftwerke abgeschaltet sind. Wir wären gezwungen, Energie zu importieren und andere für uns CO2 und Atommüll produzieren zu lassen. Das wollen wir nicht, deswegen müssen wir den Strom sammeln. Das aber ist schwierig.

Akkus sind keine Lösung. Selbst 42 Millionen E-Pkws könnten laut Berechnungen des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Systemtechnik unseren Bedarf nur sechs Stunden lang decken. Pumpspeicherkraftwerke würden 40 Minuten schaffen. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, Strom in Dimensionen von Terawattstunden zu speichern: Entweder wir legen für teures Geld Kabel durch die Nordsee und bezahlen die Norweger dafür, dass sie unseren Strom in ihren gigantischen Pumpspeicherkraftwerken aufbewahren. Oder wir verwandeln den Strom in einen Energieträger, für den wir schon längst einen Speicher besitzen: unser riesiges unterirdisches Erdgasnetz. Darin steckt Energie für zwei Monate – genug, um über magere Zeiten im Winter zu kommen.

Erdgas ist Methan. Es lässt sich erzeugen, indem man mit Strom Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufspaltet. Reagiert der Wasserstoff anschließend mit CO2, entsteht Methan, also erneuerbares Erdgas. Nur ist der Wirkungsgrad noch nicht gut, etwa die Hälfte der Energie geht verloren. Macht man das Gas wieder zu Strom, bleibt sogar nur ein Drittel übrig. Zum Vergleich: Pumpspeicherkraftwerke besitzen etwa 75 Prozent Wirkungsgrad. Abzüglich der Leitungsverluste würden wir etwa 67 Prozent unseres Stroms aus Norwegen wiederbekommen.

Keine Frage, Power-to-Gas muss effizienter werden. Allerdings hat das erneuerbare Erdgas andere unschlagbare Vorteile: Man kann mit ihm auch Auto fahren und heizen. Und es könnte so manche der heiß diskutierten benötigten neuen Stromtrassen überflüssig machen. Denn wofür sollte man noch teure Leitungen durchs ganze Land bauen, wenn der Norden Erd- gas einleitet und der Süden es wieder abzapft?

Jens Lubbadeh, TR-Redakteur, glaubt, dass neue Speichertechnologien nie mit grandiosen Wirkungsgraden vom Himmel fallen.

Contra: Es ist bezeichnend, dass die Deutsche Energieagentur das Power-to-Gas-Konzept in einer Pressemitteilung lobt, ohne ein Wort über dessen Wirkungsgrad zu verlieren. Der unausgesprochene Gedanke dahinter: Überschüssiger Wind- oder Sonnenstrom ist ja gewissermaßen geschenkt – da ist es nicht so schlimm, wenn bei der Umwandlung von Strom zu Gas und wieder zurück satte 65 Prozent der Energie verloren gehen, wie das Umweltbundesamt (UBA) schon vor zwei Jahren berechnet hat.

In der Tat müssen regelmäßig Windkraftanlagen abgestellt werden, weil das Netz ihren Strom nicht mehr aufnehmen kann. Doch dies ist keine unabänderliche Tatsache, die man einfach so hinnehmen muss. Es gibt genügend Wege zu verhindern, dass überschüssige Kilowattstunden überhaupt erst entstehen: durch flexible Gaskraftwerke etwa, welche die Schwankungen von Wind- und Sonnenstrom ausgleichen. Oder indem große Verbraucher wie Kühlhäuser je nach Stromangebot an- oder abgeschaltet werden. Finanzielle Anreize könnten zudem Betreiber von Biogas-Anlagen dazu bringen, ihre Stromproduktion der Nachfrage anzupassen. Auch europaweite Stromtrassen würden die Lastspitzen und -täler glätten. Power-to-Gas macht dann – und nur dann – Sinn, wenn all diese Mittel ausgeschöpft sind und immer noch ungenutzter Strom übrig bleibt. Oder als Übergangslösung, bis solche Maßnahmen greifen.

Aber selbst dann ist fraglich, ob Methan der beste Energieträger wäre. Was soll denn überhaupt mit dem ganzen so verlustreich erzeugten Methan passieren? Es einfach zur Wärmegewinnung verbrennen? Das kann man auch einfacher haben – zum Beispiel durch Heizpatronen in Warmwasserkesseln, die den Strom weitgehend verlustfrei in Wärme umsetzen. Den größten Überschuss an Windstrom gibt es nämlich im Herbst und Winter. Dann muss er nicht erst zwischengespeichert werden, sondern kann direkt zum Heizen genutzt werden.

Oder soll das Methan vornehmlich als Kraftstoff dienen? Erdgas-Autos sind sicherlich sinnvoll, aber es fehlt derzeit nicht an sauberem Treibstoff, sondern vor allem an Tankstellen. Power-to-Gas würde daran nichts ändern. Auch wenn es wieder zurück in Strom verwandelt werden soll, macht Methan wenig Sinn: Bei seiner Herstellung fällt nämlich Wasserstoff als Zwischenprodukt an, das sich auch direkt verstromen ließe. Dann wäre der Wirkungsgrad laut UBA mit 42 Prozent etwas besser. Aber immer noch schlecht genug, wie ich meine.

Gregor Honsel, TR-Redakteur, misstraut allen Energiekonzepten, die so tun, als wäre Ökostrom künftig geschenkt. (jlu)