Textile Energie

Nanodrähte, die leichteste Bewegungen in Strom umwandeln können, sollen eines Tages zu Bekleidung führen, die tragbare Elektronik antreibt.

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Von
  • Prachi Patel-Predd

Forscher am Georgia Institute of Technology arbeiten an Stoffen, die Strom erzeugen können, während der Träger läuft oder atmet. Sogar aus dem Herzschlag einer Person soll sich Energie generieren lassen, erläutert Zhong Lin Wang, Professor für Materialwissenschaften an der Hochschule, der die Studie leitete. Verwendet wird dabei eine flexible Faser, die mit Zinkoxid-Nanodrähten überzogen ist. Durch eine spezielle Anordnung lässt sich so aus mechanischer elektrische Energie machen – und zwar aus jeder Art von Vibration oder Bewegung.

Die Zinkoxid-Nanodrähte wachsen vertikal von der Oberfläche eines Polymer-Fasermaterials nach oben. Kommt es nun zu einer Reibung zwischen einzelnen Fasern, verbiegen sich die Nanodrähte, und es wird Strom erzeugt. Ein Prototyp eines entsprechenden Stoffes wurde bereits fertiggestellt. In ihrem Paper zeigt die Forschergruppe um Wang, wie sich der Output noch erhöhen lässt, in dem mehrere dieser Fasern miteinander verflochten werden.

Theoretisch sind so durchaus signifikante Energiemengen generierbar. Laut Wangs Berechnungen könnte ein Quadratmeter Stoff aus dem Spezialmaterial bis zu 80 Milliwatt erzeugen – genügend, um einfache mobile Geräte zu betreiben. Ideen haben die Forscher viele – vom Schuh, der einen MP3-Spieler mit Strom versorgt, bis hin zu medizinischen Implantaten, die durch den Herzschlag angetrieben werden. Noch fantastischer wären wohl Gardinen, die allein durch ein leichtes Flattern im Wind zum Stromerzeuger werden oder ein Zelt, dessen Außenhaut tragbare Elektronik im Inneren antreibt.

Bereits 2007 baute Wang zusammen mit seinem Kollegen Xudong Wang eine Zinkoxid-Nanodraht-Komponente, die Gleichstrom erzeugte, wenn man sie Ultraschallvibrationen aussetzte. Die piezoelektrisch agierende Technologie wurde dazu auf ein elektrisch leitendes Trägermaterial aufgebracht, das als Elektrode diente. Die zweite Elektrode bestand hingegen aus einer mit Platin überzogenen Siliziumtafel, in der parallel zueinander verlaufende Berge und Täler eingeritzt waren. Ultraschallwellen drückten die Elektroden zusammen, sodass sich die Nanodrähte verbogen und so Strom erzeugten.

Wangs energieerzeugende Stoffe ersetzen nun die starre Elektrode mit ihrem Zickzackmuster durch eine flexible. Einige der biegsamen Fasern wurden dazu in Elektroden verwandelt, indem man ihnen eine dünne Goldschicht verpasste. Diese goldüberzogenen Fasern bilden somit eine flexible Elektrode.

Beide Faservarianten, die goldüberzogene und die ohne Überzug, werden dann miteinander verzwirbelt. Zieht man die Fasern dann hin und her, drücken die einzelnen Goldnanodrähte auf die ohne Überzug, verbiegen sie. Strom wird erzeugt.

Charles Lieber, Chemieprofessor an der Harvard University, glaubt, dass die Flexibilität der Fasern den Traum tragbarer, faltbarer Energiequellen in greifbare Nähe rückt. Thomas Thundat, der am Oak Ridge National Laboratory an Nano-Biosensoren forscht, betont diese Flexibilität ebenfalls – sie mache es erst möglich, Energie aus extrem geringen Bewegungen zu ziehen, die quasi im Vorbeigehen entstünden. Dadurch, dass die Fasern miteinander verflochten sind, ergibt sich ein sehr enger Kontakt zwischen beiden Elektrodenteilen. Selbst kleinste Bewegungen wie ein leichter Windhauch oder der langsame Gang des Trägers führen zu genügend Reibung, die Strom erzeugt.

Min-Feng Yu, Professor für Ingenieurwissenschaften an der University of Illinois, hält die Idee gar für "genial". "Es ist so, als habe man Millionen von Nanogeneratoren auf seiner Haut, die gleichzeitig Strom erzeugen – und zwar jeder einzelne mit maximaler Leistung."

Die Nutzung selbst kleinster Bewegungen macht die Technik auch für Biosensoren interessant, wie Experte Thundat meint. Solche mikroskopisch kleinen Systeme könnten sich beispielsweise in den Körper implantieren lassen, um nach Krebs-Biomarkern oder erhöhten Zuckerwerten in Echtzeit zu fahnden. Normale, chemische Batterien sind dafür eigentlich zu groß, müssten außerdem nach relativ kurzer Zeit ausgetauscht werden. "Implantierbare Sensoren, die auf dem Nanogeneratoren-Konzept basieren, könnten hingegen einfach den Blutdruck oder Muskelbewegungen für ihre Energieversorgung nutzen", sagt Thundat.

Um ihren Prototypen zu bauen, nutzten die Forscher einen einfachen, aber sehr innovativen neuen Herstellungsprozess. Zhong Lin Wang und seine Kollegen überzogen die Polymer-Faser zunächst mit einer 100 Nanometer dicken Zinkoxid-Schicht. Diese wurde dann in eine Reaktionslösung eingetaucht, die bei 80 Grad Celsius ein vertikales Wachstum von Nanodrähten von der Oberfläche anstieß. Dann wurde mit Hilfe eines letzten Tricks dafür gesorgt, dass die Nanodrähte eng an der Faser anlagen, ohne ihre Flexibilität zu gefährden. Dazu wurden die Fasern in Tetraethylorthosilikat getaucht, eine Flüssigkeit, die sonst verwendet wird, um Materialien witterungsbeständig zu machen. So formten sich gleich zwei zusätzliche Überzüge – eine zwischen der Faser und der Zinkoxyd-Schicht und die andere oberhalb der Zinkoxydschicht.

Durch das Tetraethylorthosilikat wurde die Faser sehr robust. Die Zinkoxidschicht brach nicht und blätterte auch nicht ab, als die Faser verdrillt wurde. Und: Die Nanodrähte blieben auch nach 30-minütiger Reibung noch an ihrem Platz. Um im praktischen Einsatz zu bestehen, muss diese Haltbarkeit allerdings noch deutlich weiter erhöht werden. Auch der Energieoutput ist bislang noch steigerungsfähig.

Preisgünstig ist die Technologie jedoch nicht. Zu den ersten Anwendern dürfte dementsprechend das Militär gehören – etwa in Form entsprechend ausgestatteter Kampfstiefel oder gar Zelte. "Für einen Normalbürger wäre ein stromerzeugendes Hemd aber noch zu teuer", sagt Wang. (bsc)