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Umweltschäden kompensieren: Moore als große Klimaschützer

(Bild: Claudia Evans/shutterstock.com)

Der eigene CO₂-Ausstoß lässt sich mit neu gepflanzten Bäumen und Moor-Zertifikaten ausgleichen. Doch solche Projekte sind nicht automatisch gut fürs Klima.

Ein Schwanenpaar zieht übers Wasser, drum herum nur Wiesen und Wald. An zahlreichen Stellen scheinen Wildschweine gewütet zu haben. Die beschauliche Landschaft in Freienhagen (Landkreis Oberhavel) soll nach dem Willen der Flächenagentur Brandenburg eine große Bedeutung erlangen: In dem neu vernässten Moor auf der "Rehwiese" sollen in den nächsten 50 Jahren 6744 Tonnen Kohlendioxid gespeichert werden.

Projektleiter Silvan Weber watet durch das knöchelhohe Wasser Richtung Bach. Bei jedem Schritt ist ein Schmatzgeräusch der Gummistiefel zu hören. "Es ist doch nasser hier als ich erwartet hatte", sagt Weber. 2012 wurde die ersten Probe-Staudämme auf der Rehwiese gebaut, um das Wasser von dem Bach in die Wiesen zu lenken. Fleißig mitgeholfen haben die Biber, die sich angesiedelt haben. Entstanden ist ein Niedermoor.

Moorböden speichern überdurchschnittlich viel des Treibhausgases Kohlendioxid und sind daher im Kampf gegen den Klimawandel besonders schützenswert. Sie können etwa doppelt so viel Kohlenstoff speichern wie die Wälder der Welt und nehmen dabei nur drei Prozent der Landfläche ein, wie die Vereinten Nationen auf ihrer Klimakonferenz in Glasgow festhielten [1]. Die eingesparten, im Boden gespeicherten Tonnen CO2 können als Zertifikate verkauft werden.

Auf der Rehwiese kostet ein Zertifikat 80 Euro und entspricht einer Tonne eingespartem CO2. "Anfang des Jahres waren wir schon ausverkauft", berichtet Weber. "Eine große Anzahl der Käufer sind Privatpersonen." Aber auch wissenschaftliche Institutionen erwerben die Zertifikate, um beispielsweise ihre Dienstreisen zu kompensieren. Ähnliche CO2-Kompensationsprojekte gibt es schon in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.

Die brandenburgische Landesregierung setzt im Klimaschutz auch auf Moorlandschaften. Intakte Moore binden nach Worten von Umweltminister Axel Vogel (Grüne) enorme Mengen an Kohlenstoff und seien für die Klimaneutralität unentbehrlich.

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Der Bund für Umwelt und Naturschutz Brandenburg (BUND) sieht ebenfalls Potenzial in den Moor-Zertifikaten. "Ein Moor ist ja ein riesig großer CO2-Speicher", sagt der Vorsitzende Carsten Preuß. "Solche Kompensationen müssen aber eng kontrolliert werden."

Außerdem sollten sie nicht dauerhaft als Entschuldigung genutzt werden, um weiter CO2 zu verbrauchen. "Ich sollte mich fragen, wie kann ich kurz- und mittelfristig so umstellen, dass gar keine CO2-Kompensation nötig ist?", so Preuß. "Wenn ich die Wahl zwischen Auto- und Bahnfahrt habe, ist es besser, gleich Bahn zu fahren, anstatt hinterher eine Autofahrt auszugleichen."

Neben den Moor-Zertifikaten pflanzen Unternehmen auch immer wieder Bäume, um Umweltschäden zu kompensieren. Die Liste der Beispiele ist lang. Da gibt es die Potsdamer Organisation WoodsUp [3], die regelmäßig Bäume auf Island und in Brandenburg pflanzt. Auch der Brandenburger Landesverband der Linken pflanzte nach eigenen Angaben im Sommer 100 Bäume. Damit sollte der CO2-Verbrauch der Flyer und der Wege mit einem Transporter während des Wahlkampfs kompensiert werden. Das teilte die Linken-Abgeordnete Anke Domscheit-Berg mit.

Der Autohersteller Tesla lässt nach Angaben der Flächenagentur Brandenburg bis zum Frühjahr 2022 Bäume auf 275 Hektar pflanzen. Allerdings sei diese Maßnahme nicht freiwillig, sondern durch das Landeswaldgesetz geregelt. Demnach muss für jeden gerodeten Baum [4] ein neuer gepflanzt werden.

"Es ist erst einmal ein guter Ansatz, wenn man versucht, Kohlendioxid oder Rodungen zu kompensieren", sagt Preuß vom BUND. "Bei Bäumen dauert es jedoch eine ganze Weile, bis diese CO2 speichern." Da müsse aufgepasst werden, dass man nicht nur auf dem Papier CO2 spare.

Das bestätigt auch Jens Schröder von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNE). "Die kleinen Bäume haben nur einen minimalen CO2-Effekt", sagt Schröder. "Das dauert 10 bis 20 Jahre, bis wirklich ein Effekt entsteht, den man gegenrechnen kann."

Die HNE bildet gemeinsam mit zwei weiteren Universitäten in Greifswald und Kiel einen wissenschaftlichen Arbeitskreis, um die Projekte von MoorFutures zu zertifizieren. Die Wissenschaftler kontrollieren, ob die Projekte seriös durchgeführt werden.

Wer seine Flugreise in den Sommerurlaub kompensieren [5] möchte, sollte Schröder zufolge auf Projekte in Europa setzen: "Projekte in Ländern mit fragwürdigen politischen Strukturen sind schlecht kontrollierbar." Aktionen, die in Europa stattfinden, schnitten deutlich positiver ab. Außerdem empfiehlt Schröder Projekte, die unabhängig sind von großen Anbietern wie Fluggesellschaften oder Autoanbietern, die selbst große Mengen an CO2 verursachen.

(tiw [6])


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[1] https://www.unep.org/news-and-stories/press-release/conserve-and-restore-peatlands-slash-global-emissions-new-report
[2] https://www.heise.de/Datenschutzerklaerung-der-Heise-Medien-GmbH-Co-KG-4860.html
[3] https://www.woodsup.org/
[4] https://www.heise.de/news/Tesla-darf-auf-Teil-der-Baustelle-nicht-weiter-Wald-roden-4996095.html
[5] https://www.heise.de/tp/features/Flygskam-Scham-und-Schande-fuer-das-Fliegen-mit-dem-Flugzeug-4354163.html
[6] mailto:tiw@heise.de