Virtuell und kabellos

Eine junge US-Firma hat ein VR-Headset entwickelt, das ohne Kabel auskommt, aber leistungsfähige Grafik verspricht.

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Von
  • Rachel Metz

Es ist schwierig, sich in virtuellen Welten zu verlieren, wenn man sich ständig in irgendwelchen Kabeln verfängt, die das VR-Headset mit dem Rechner oder der Konsole verbinden. Dennoch sind die aktuell leistungsfähigsten Virtual-Reality-Brillen noch nicht drahtlos. Ein Start-up verspricht nun, dies zu ändern: Die Firma namens Pico Interactive, die in China und San Francisco ihren Unternehmenssitz hat, bringt ein drahtloses leistungsfähiges All-in-one-Headset auf den Markt, das auch die Position des Nutzers im Raum erfassen kann.

Das erste Produkt nennt sich Pico Neo CV und soll noch in diesem Jahr auf den Markt kommen. Es ist, ähnlich wie Googles Daydream-Headset, am Rand mit weichem Stoff überzogen, um den Nutzer von der Außenwelt abzuschotten. Intern läuft das Virtual-Reality-Referenzdesign des Mobil-Chip-Riesen Qualcomm – es beherrscht mit 90 Hertz eine gleichhohe Bildwechselfrequenz wie die PC-basierten Konkurrenten Oculus Rift und HTC Vive. Integriert ist zudem ein sogenanntes Inside-Out-Tracking, das sowohl die Position als auch die Drehung des Kopfes des Spielers erfasst, ohne dass dazu zusätzliche Sensoren im Raum notwendig wären. Lautsprecher sind eingebaut. Der integrierte Akku soll zwischen zweieinhalb und drei Stunden durchhalten.

Ennin Huang, der das Produktdesign bei Pico Interactive leitet, sieht in der Pico Neo CV eine Möglichkeit, Virtual Reality für den Endkunden einfacher nutzbar zu machen. Die leichte Benutzbarkeit des All-in-One-Headsets soll auch Nutzer überzeugen, die sich bislang aufgrund der Komplexität nicht für die Technik interessiert haben.

"Wenn die Leute das Headset überziehen wollen, ziehen sie es einfach über", sagt Huang. "Sie müssen keinen Computer anschalten, sie müssen keine Konsole anschalten. Es gibt keinerlei Kabel."

Noch verrät Pico Interactive nicht, wie viel das Pico Neo CV kosten wird, Huang zufolge will man es "sehr konkurrenzfähig" bepreisen – zumindest im Vergleich zu bereits verfügbaren Systemen. Aktuell zahlt man für Consumer-Headsets im High-End-Bereich ohne Controller und Trackingtechnik zwischen 400 Euro (Sony Playstation VR) und 900 Euro (HTC Vive). Konsole oder PC (letzterer muss ausreichend schnell sein) sind da noch nicht mit eingerechnet.

Virtual-Reality-Technik für Endkunden befindet sich noch in einem Frühstadium und die Verkaufszahlen sind eher gering. So schätzt das Marktforschungsunternehmen Canalys, dass 2016 nur etwas mehr als zwei Millionen VR-Headsets verkauft worden sind. Das ist ein Bruchteil dessen, was etwa an Spielekonsolen abgesetzt wird. Noch gibt es zahlreiche Probleme zu lösen, bis ein Massenmarkt erreicht wird – von den hohen Kosten für die Hardware über die Komplexität der Technik (inklusive dem Kabelzwang) bis hin zu noch immer relativ bescheidenen Virtual-Reality-Inhalten.

Neben Pico Interactive versuchen sich auch noch andere Firmen an drahtlosen VR-Headsets. So sieht neben den Chipherstellern Qualcomm und Intel auch die Facebook-Tochter Oculus das Abschneiden alter Strippenzöpfe als ultimatives Ziel an. Was bislang an Geräten ohne Kabel auf dem Markt ist, basiert auf Smartphones. Zu nennen sind hier Samsungs Gear VR und Googles bereits erwähntes Daydream-System. Technisch sind diese Systeme kabelgebundenen deutlich unterlegen.

Picos Neo VC ist deutlich mächtiger, wie eine kurze Demonstration auf der Game Developers Conference in San Francisco, der Technology Review beiwohnen durfte, zeigte. In einem kurzen Spiel, das die Laser-Szene aus dem Film "Verlockende Falle" nachahmte, musste man realitätsnah über rote Laser steigen, um einen Alarm nicht auszulösen. Das Headtracking funktionierte dabei gut und die Grafik sah hochwertig aus. Das Neo VC wirkt zudem komfortabel – mit einem gepolsterten Kopfband und einem einfachen Rädchen, um es zuzuziehen. Zudem ist das Gerät deutlich leichter als Oculus Rift oder HTC Vive.

So leistungsfähig wie PC-basierte Technik wird das Pico-Interactive-Gerät allerdings dann doch nicht sein. Zudem können Spiele nicht gigantisch groß sein. Die maximale Speicherkapazität liegt bei 128 Gigabyte, wenn man eine Speicherkarte nutzt.

Brian Blau vom Analysehaus Gartner meint, es sei im Grunde egal, welche Technik in einem Headset verbaut sei. Letztlich gehe es nur darum, ob der Spieler eine gute Erfahrung habe. "VR ist heute eine überhypte Technik", so Blau. "Die Leute sind zwar sehr begeistert von den Möglichkeiten, doch die Geräte liefern nicht das, was sie sich vorstellen. Es gibt daher viele Enttäuschungen." Pico Interactive und seine Konkurrenten müssten nun dafür sorgen, dass sich dies ändere. (bsc)