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VW ID.4: Volkswagen stellt sein wichtigstes Elektroauto vor

Christoph M. Schwarzer
VW ID.4

VW verbindet mit dem ID.4 global große Hoffnungen. Das scheint berechtigt, denn das SUV ist massenkompatibel gestaltet und perspektivisch aggressiv bepreist.

Nach der elektrischen Interpretation des Golfs – dem Kompaktwagen ID.3 – hat Volkswagen nun mit dem ID.4 eine lokal emissionsfreie Alternative zum sehr erfolgreichen Tiguan [1] vorgestellt: Das SUV soll nicht weniger als ein Weltauto werden, denn kein Marktsegment wächst so dynamisch wie das der Sports Utility Vehicles: Nach Volkswagens Einschätzung macht diese Fahrzeugklasse 2025 über die Hälfte der Neuverkäufe aus. Im selben Jahr will die Marke insgesamt 1,5 Millionen batterieelektrische Autos auf die Straße bringen. In der Addition aus den Zielmärkten in der EU, den USA und in China soll eine halbe Million davon auf den ID.4 entfallen. Er ist also eines der wichtigsten Autos im Volkswagen-Konzern und wird aller Voraussicht nach folglich eins der meistverkauften Elektroautos [2] überhaupt.

In Deutschland ist der ID.4 ab sofort bestellbar. Ähnlich wie beim ID.3 [3] gibt es zuerst eine 1st Edition, die für 49.950 Euro oder als 1st Max für 59.950 Euro zu haben ist. In beiden Fällen kann die sogenannte Innovationsprämie [4] von 9480 Euro vom Listenpreis abgezogen werden. Serienmäßig bei der 1st Edition sind Dachreling und Anhängerkupplung (Zuglast bis zu 1000 kg); beim 1st Max kommen ein Panoramadach und eine elektrische Heckklappe für den 543 Liter fassenden Kofferraum hinzu.

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Die Leistungsdaten des Antriebs sind vom Skoda Enyaq bekannt: Der E-Motor an der Hinterachse leistet 150 kW (204 PS) und hat ein maximales Drehmoment von 310 Nm. Der Standardsprint auf 100 km/h ist in 8,5 Sekunden erledigt, und die Spitzengeschwindigkeit ist auf 160 km/h begrenzt.

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Der Energiegehalt der 493 Kilogramm schweren Batterie beträgt 77 kWh netto. Das soll für bis zu 520 Kilometer reichen. Die Ladeleistung [7] liegt bei bis zu 125 kW mit Gleichstrom (DC) und bei 11 kW mit Wechselstrom (AC). Eine Angabe zum Gewicht des ID.4 macht Volkswagen, zumindest vorab, leider nicht. Weil für den kompakten ID.3 Tour mit der gleichen Batterie bereits 1934 kg veröffentlicht werden, dürfte beim ID.4 die 2-Tonnen-Schwelle deutlich überschritten sein. Schließlich ist er mit 4,58 m auch 32 cm länger. Die Höhe beträgt 1,61 m und die Breite ohne Außenspiegel 1,85 m. Im Zusammenspiel aus hohem Gewicht und großer Stirnfläche bei akzeptablem Luftwiderstandsbeiwert (cW 0,28) sind Praxisreichweiten von rund 300 km auf der Autobahn und mehr als 400 km im Überlandbetrieb zu erwarten.

VW ID.4 Außendesign (0 Bilder) [8]

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Der Volkswagen ID.4 ist anders gestaltet als der technisch ähnliche Skoda Enyaq: Während der Enyaq mit klarer Kante bei der Designsprache in Richtung BMW oder Volvo geht, hat der ID.4 fließende Linien. Dass die Pressestelle der Front des ID.4 einen "extrem modernen Charakter" bescheinigt, gehört zu den branchenüblichen Übertreibungen. Das Gegenteil ist der Fall: Der Volkswagen eckt mit seiner Form nirgends an. Er muss den Kunden in der EU, den USA und China gefallen. Er wirkt unaufgeregt und klar, aber nicht markant.

Zu den Details der Ausstattung: Bevor der Konfigurator für die Versionen abseits der 1st Edition geöffnet wird, stehen vier Farben zur Auswahl. Sie heißen Blue Dusk Metallic, Glacierwhite Metallic, Honey Yellow Metallic und Mangangrey Metallic. Die Dachlinie mit der C-Säule und die Reling ist in Silber lackiert, das Dach selbst und die Außenspiegel in Schwarz.

Der ID.4 1st Max unterscheidet sich unter anderem durch 21-Zoll-Felgen, die elektronische Dämpferverstellung (DCC), die LED-Matrix-Scheinwerfer ("IQ.Light") sowie die 3D-Rückleuchten vom 1st, und das Zentraldisplay hat eine 12 statt 10 Zoll messende Diagonale. Serienmäßig im 1st Max ist auch das Head-Up-Display mit Augmented Reality, das zum Beispiel die Navigationspfeile in die Windschutzscheibe projiziert. Das Navigationssystem mit prädiktivem ACC ist in beiden ID.4 1st im Serienumfang enthalten; im 1st Max kommen mit Travel Assist die Mittenspurführung und das Nothaltsystem Emergency Assist hinzu.

VW ID.4 Technik (4 Bilder) [10]

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Die Ladeleistung liegt DC-seitig bei bis zu 125 kW und AC-seitig serienmäßig bei elf kW für die 77 kWh-Batterie. Sie wiegt 493 kg. Insgesamt dürfte der ID.4 deutlich über zwei Tonnen auf die Waage bringen, was den Umweltvorteil infrage stellt.

Zu viel Software, die zu langsam arbeitet oder nicht funktioniert? Hierzu haben sich Ralf Brandstätter, Markenvorstand von Volkswagen, sowie Thomas Ulbrich, Vorstand E-Mobilität, vor der Präsentation des ID.4 in einer digitalen Pressekonferenz geäußert. Sie prüften die Kritik am ID.3 bei der Arbeitsgeschwindigkeit der Software sehr genau. Noch im Jahresverlauf werde es ein Update für den ID.3 geben. Auch die kritische Einschätzung der Materialauswahl wurde in Wolfsburg registriert. Übersetzt auf den ID.4 bedeutet das: Diese Mängel sollen möglichst gar nicht auftreten oder schnell behoben werden.

Der Radstand des ID.4 beträgt 2,77 Meter, was zu einem großzügigen Innenraum führen soll. Das Kofferraumvolumen kann von 543 auf 1575 Liter bei umgeklappten Rücksitzen wachsen. Insgesamt soll das Platzangebot "der nächstgrößeren Klasse" entsprechen, heißt es im Pressetext. Bezogen auf den Volkswagen-Konzern wären das also der Tiguan Allspace. Das mag beim Raumangebot für die Insassen stimmen, beim Kofferraumvolumen hat der größte Tiguan mit 760 Litern allerdings deutlich mehr zu bieten. International betrachtet haben SUVs den in Deutschland beliebten Kombi abgelöst: Es sind große und subjektiv praktische Autos für die täglichen Wege, die nicht leistungsstark sein müssen, sondern eher komfortabel.

VW ID.4 Innenraum (6 Bilder) [12]

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Auf den ersten Blick ähnelt das Cockpit stark dem ID.3. Volkswagen will Software- und Haptikschwächen unbedingt vermeiden.

Die Produktion im traditionsreichen Werk in Zwickau läuft seit Monaten. Die 27.000 Exemplare der 1st Edition sollen zügig ausgeliefert werden; vielleicht sogar komplett in diesem Jahr. Es folgen die anderen Ausstattungsvarianten, die noch nicht kommuniziert werden, sich aber wahrscheinlich am ID.3 orientieren werden. Ebenfalls 2020 beginnt der Anlauf im chinesischen Werk. Es folgen 2022 die Fabriken in den USA (Chattanooga) und in Emden. Für die Arbeitsplätze in Ostfriesland könnte der ID.4 die Rettung sein: Der Passat (Test) [14] ist eben kein gefragtes SUV und wird in Zukunft wohl in Tschechien gebaut, zusammen mit dem Skoda Superb. Gleichzeitig bietet die Anbindung an die Offshore-Windkraftanlagen der Nordsee die Möglichkeit, den ID.4 glaubwürdig mit regenerativem Strom zu fertigen.

Volkswagen wird den ID.4 nach Aussage von Markenvorstand Brandstätter mit "einem auskömmlichen Deckungsbeitrag" ausliefern. Es ist also ein habhafter Gewinn geplant. Zugleich muss man sagen, dass der Konzern die bisher drei Fahrzeuge auf Basis des Modularen Elektrifizierungs-Baukastens (MEB) aggressiv einpreist: Der Volkswagen ID.3, der ID.4 sowie der Skoda Enyaq bieten in ihren Klassen viel Elektroauto fürs Geld. Es kann auch nicht behauptet werden, dass der ID.4 der Konkurrenz zeitlich hinterherhinkt: Tesla Model Y, BMW iX3 [15] und andere lassen noch einige Monate auf sich warten.

VW ID.4 - die wichtigsten Konkurrenten (6 Bilder) [16]

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Tesla Model Y

Das Model Y dürfte der Marke Tesla einen weiteren Auftrieb verleihen [18]. Die Frage ist, ob der Markennamen als Käufermagnet reicht, denn zumindest die Basismodelle von VW ID.4 und ...

Der Erfolg ist dem ID.4 ziemlich sicher. Er bedient exakt das Segment, das weltweit die höchste Nachfrage und das größte Wachstum hat, und das zu akzeptablen Preisen, die sich ausstattungsbereinigt kaum über dem Skoda Enyaq bewegen. Nur der Umweltnutzen dieses Welttrends darf bezweifelt werden: Wenn über zwei Tonnen schwere elektrische SUVs das neue Normalmaß sind [19], wird die Atemluft zwar sauberer. Der Bedarf an Material und Verkehrsfläche solcher Fahrzeuge aber konterkariert diesen ökologischen Vorteil.

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[1] https://www.heise.de/news/VW-Tiguan-Facelift-Plug-in-Hybrid-und-R-Modell-im-Vorlauf-4836956.html
[2] https://www.heise.de/hintergrund/Die-wichtigsten-Elektroautos-in-Deutschland-4859487.html
[3] https://www.heise.de/tests/Erste-Ausfahrt-im-VW-ID-3-Unter-Druck-4782454.html
[4] https://www.heise.de/news/Verdoppelte-Foerderpraemie-fuer-E-Autos-und-Plug-In-Hybride-gilt-4838818.html
[5] https://www.heise.de/Datenschutzerklaerung-der-Heise-Medien-GmbH-Co-KG-4860.html
[6] https://www.heise.de/hintergrund/Vorlaeufer-Skoda-zeigt-grosses-E-SUV-Enyaq-iV-4883508.html
[7] https://www.heise.de/hintergrund/Gleichstrom-Ladegeschwindigkeit-und-Langstreckentauglichkeit-beim-Elektroauto-4693895.html
[8] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4907111.html?back=4907016;back=4907016
[9] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4907111.html?back=4907016;back=4907016
[10] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4907406.html?back=4907016
[11] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4907406.html?back=4907016
[12] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4907266.html?back=4907016
[13] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4907266.html?back=4907016
[14] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-VW-Passat-Variant-GTE-4557723.html
[15] https://www.heise.de/hintergrund/BMW-iX3-E-SUV-auf-neuer-Basis-4843248.html
[16] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4907503.html?back=4907016
[17] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4907503.html?back=4907016
[18] https://www.heise.de/autos/artikel/Vorstellung-Tesla-Model-Y-4336975.html
[19] https://www.heise.de/autos/artikel/Kommentar-Pauschale-SUV-Daemonisierung-ist-verlogen-4533469.html