Wärme: Wie am Lagerfeuer

Strahlungsheizungen sind bisher Nischenanwendungen. Doch in Zeiten von zunehmendem Wind- und Sonnenstrom werden sie zu einer ökonomischen und ökologischen Alternative.

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Wärme: Wie am Lagerfeuer

(Bild: ArgillaTherm)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hubert Beyerle

Seit vielen Jahrzehnten heizen die Deutschen ihre Häuser und Wohnungen schlicht mit Heißwasser. Es erwärmt schwere Heizkörper auf etwa 60 Grad Celsius, die wiederum die direkte Umgebungsluft auf etwa 30 Grad und mehr aufheizen. Diese zirkuliert dann einmal im Raum und kommt auf der Haut des Bewohners mit einer Temperatur zwischen etwa 20 bis 25 Grad an, was als komfortabel gilt. Selbst gut gedämmte Häuser werden heute noch so beheizt, trotz aller Ineffizienz beim Wärmetransport. Denn Luft ist ein schlechter Wärmeleiter.

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Dennoch setzt die Bundesregierung weiter auf diese Methode, um Deutschlands Klimaziele in Zukunft einhalten zu können. Sie hat die Kampagne "Energiewende im Heizungskeller" ausgerufen, kräftig unterstützt von den Verbänden der etablierten Heizungsbauer. Kein Wunder, schließlich wittern sie ein hervorragendes Geschäft: Rund 13 Millionen Heizkessel müssten in den kommenden zehn Jahren ausgetauscht werden, heißt es. Dabei gibt es eine mindestens genauso effiziente Maßnahme wie den Einbau eines neuen Heizkessels, die zudem ohne dicke Dämmschichten auskommt: die Installation einer sogenannten Strahlungsheizung.

Sie nutzt Infrarotstrahlung, genauso wie die Sonne es seit Milliarden von Jahren tut. Der Mensch hat sie mit Lagerfeuer oder Kachelöfen domestiziert – und sie nun in die Ära der Elektrizität überführt, um nicht immer Holz oder Kohle nachlegen zu müssen. Die auffallendste Eigenschaft der elektrischen Strahlungsheizung ist: Sie fällt nicht auf. Nur ein Elektrokabel verrät sie. Die Heizung selbst versteckt sich in Bildern an der Wand, Platten oder lampenförmigen Kugeln an der Decke oder auch in Spiegeln im Badezimmer. Das reicht, um einen Raum innerhalb von Minuten warm zu machen, deutlich rascher als die trägen klassischen Systeme. Strahlungsheizungen sind daher effizient, besonders geeignet für zeitweise genutzte Räume.

Dass es für ein angenehmes Raumgefühl ausschließlich auf die Lufttemperatur ankomme "ist ein Irrglaube", sagt Frank Rocktäschel, Hersteller von Infrarotheizungen in Stollberg im Erzgebirge. Entscheidend sei vielmehr ein optimales Verhältnis von Lufttemperatur und Wandtemperatur. "Die Strahlungswärme, die von der Wand abgegeben wird, ist wesentlich wichtiger als meist angenommen."

Mit einer Infrarotheizung könne man daher mehrere Grad Celsius an Lufttemperatur einsparen. "Das macht sie auch ökonomisch so interessant." Zudem entfällt das Aufwirbeln warmer Luft, was vor allem für Allergiker ein Problem ist, die unter trockener Luft und mitfliegendem Staub und Pollen leiden. Die Kosten liegen dabei zumindest für Wohnungen und kleinere Einfamilienhäuser nicht über denen eines neuen Brennwertkessels.

Infrarotheizungen mit einer Leistung von 1000 Watt, die für ein mittelgroßes Zimmer ausreichen, kosten in der Größenordnung von 1000 Euro. Peter Kosack von der Universität Kaiserslautern ist einer der wenigen Wissenschaftler in Deutschland, die Strahlungsheizungen erforschen. "Strahlungsheizungen sind seit vielen Jahren in der Praxis bewährt", sagt Kosack. "Und unsere Forschungen haben ergeben, dass sie im Vergleich mit anderen Heizungstypen auf keinen Fall schlechter abschneiden, was die Effizienz betrifft. Sie sind nur noch nicht so verbreitet, weil die Berechnungsmethoden noch nicht standardisiert sind. Aber daran arbeiten wir gerade."

Vor allem in Kombination mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach und einem Batteriespeicher im Keller ist die elektrische Heizung in gut gedämmten Wohnhäusern eine wirtschaftliche Alternative zum teuren Heizkessel. Weil die benötigte Heizenergie gering ist, kann das Haus oft schon allein mit dem selbst erzeugten PV-Strom und der Strahlungsheizung erwärmt werden.

Auch Wand- und Deckenheizungen, die klassisch mit Warmwasser erwärmt werden, sind oft wirtschaftlicher als Konvektionsheizungen. Denn die benötigten Vorlauftemperaturen des Wassers sind oft nur etwa halb so hoch wie die von Heizkörpern. In Verbindung mit Wärmepumpen lässt sie die Effizienz wassergeführter Strahlungsheizungen noch einmal steigern. Die Anschaffungskosten steigen dann allerdings.

Doch ob elektrisch oder wassergeführt, eine Strahlungsheizung eignet sich nicht für jeden Raum. "Er muss sich in Baumaterialien, Mobiliar und Aufbau für eine Strahlungsheizung eignen", sagt Rocktäschel. "Man muss die Strahlungsheizung im Gesamtsystem des Raumes sehen." Zudem gilt es, die Tücken der deutschen Energieeinsparverordnung (EnEV) zu beachten. Mit ihr schreibt der Gesetzgeber bestimmte Anforderungen an Heizungstechnik und Dämmung vor, sobald ein Gebäude saniert oder neu gebaut wird. "Die Strahlungsheizung ist in der EnEV nicht explizit enthalten", sagt Matthias Neßler, Heizungsbauer aus der Nähe von Pirmasens, "es gibt aber Möglichkeiten, sie in ein Sanierungskonzept eines Gebäudes zu integrieren, sodass es mit der EnEV konform ist."

Die Mühe lohnt sich vor allem in Altbauten und Gebäuden, die unter Denkmalschutz stehen. Dort bietet die Strahlungsheizung den Vorteil, dass sich ihre Wärme mit einer sehr günstigen Isolationsdämmung zurückhalten lässt. Sie besteht aus Folien, wie sie zur Isolation von wärmeempfindlichen Medikamentenlieferungen verwendet werden, wird innen unter Gipskartonplatten montiert und reflektiert die Wärmestrahlung. "Was ich reflektieren kann, muss ich nicht dämmen", sagt Energieberater Wolfgang Horn aus Leipzig. "Vor allem für die nachträgliche Sanierung, auch für Denkmäler, ist sie bestens geeignet." Mit mehrlagigen Isolierfolien lasse sich eine erstaunliche Wärmereflexion erreichen. Die Folien sind wesentlich günstiger, platz- und ressourcensparender als Styropor oder Mineralwolle.

Bauunternehmer Wido Kühne hat es ausprobiert. Er ist Eigentümer eines jahrhundertealten Mehrfamilienhauses in Schwarzenberg im Erzgebirge. Eine dicke Fassadendämmung hätte das Liebhaberstück architektonisch kaputt gemacht. Er entschied sich für eine Wandheizung mit Isolationsdämmung aus mehrlagiger Isolierfolie. Sie habe den Energieverbrauch seiner Heizung halbiert. Auch Matthias Neßler setzt Strahlungsheizungen in denkmalgeschützten Gebäuden ein, wo größere Umbauten wie Dämmungen oft nicht erlaubt sind. Gegenüber alten Heizungstechniken hat er mit Strahlungsheizungen schon bis zur Hälfte der früheren Heizungskosten eingespart.

Es geht aber noch unauffälliger: Das Start-up ArgillaTherm aus Göttingen hat Lehmpaneele mit integrierter Strahlungsheizung entwickelt. "So kombinieren wir die Eigenschaften von Lehm, was Dämmung und Feuchteregulierung betrifft, mit der Effizienz der Strahlungswärme", sagt Geschäftsführer Lukas Schmitz.

(bsc)