Was hat He mit den CRISPR-Zwillingen getan?

Die durchgesickerte Forschungsarbeit von He Jiankui über die genveränderten Babys beweist, dass seine Erbgutmanipulation fehlgeschlagen ist. Nun muss er seine unveröffentlichten Arbeiten offenlegen, damit die Wissenschaft nachvollziehen kann, was tatsächlich passiert ist.

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Was hat He mit den Crispr-Zwillingen getan?

(Bild: MS Tech)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Kiran Musunuru

Musunuru ist außerordentlicher Professor für Herz-Kreislauf-Medizin und Genetik an der ­Universität Pennsylvania und Autor von „The CRISPR Generation“, einem Buch über die Geschichte der ­Genbearbeitung und die chinesischen Zwillinge.

Es ist über ein Jahr her, dass He Jiankui bekannt gab, die weltweit ersten menschlichen Babys gentechnisch verändert zu haben: die Zwillingsmädchen Lulu und Nana. Es folgte Missbilligung. Die Fakten des Falls sind jedoch nach wie vor unklar, da He seine Arbeit nicht offiziell veröffentlicht.

Bei seinem einzigen öffentlichen Auftritt nach der Bekanntgabe – auf dem Second International Summit on Human Genome Editing im November 2018 in Hongkong – ­präsentierte He seine Arbeit, indem er in nur 20 Minuten durch etwa 60 Folien raste. Es hat nicht gereicht, um irgendjemanden davon zu überzeugen, dass er die Gene der menschlichen Embryonen auf medizinisch sichere Weise ­verändert hatte.

Auf der Tagung sagte He, er habe gerade ein Manuskript bei einem wissenschaftlichen Journal eingereicht, das seine Arbeiten beschreibe. Zwölf Monate später ist das Manuskript nach wie vor unveröffentlicht und sein Inhalt geheimnisvoll. Gefragt, warum er sein Manuskript nicht auf einem Preprint-­Server wie bioRxiv veröffentlicht habe, sagte er, dies beabsichtigt zu haben, aber die Kollegen hätten ihm abgeraten.

Als ich im vergangenen November zum ersten Mal die Gelegen­heit hatte, ein komplettes Manuskript Hes durchzusehen, wurde mir sofort klar, dass es Probleme gab.

Das Schlimmste war die massive Mosaikbildung. Die von He an den Embryonen vorgenommenen Genveränderungen sind nicht ein­heitlich: Verschiedene Zellen der Zwillinge zeigten unterschiedliche Veränderungen. Dies würde bedeuten, dass sich der vermeint­liche Nutzen von Hes Manipulationen – HIV-Resistenz – nicht auf den gesamten Körper der Zwillinge erstreckt, und sie könnten nach wie vor mit HIV infiziert werden.

Zudem könnte es zu unerwünsch­ten Erbgutveränderungen gekommen sein, die er nicht erkennen konnte. Um seine Editie­rungen zu beurteilen, analysierte He nur ei­nige der 200 bis 300 Zellen der durch In-vitro-Fertilisation gezeug­ten Embryonen. Aber die restlichen Zellen bildeten den Organismus, und dort könnten sich genetische Veränderungen verbergen, die Probleme wie Krebs und Herzerkrankungen verursachen können.

He erkannte wohl die umfangreiche Mosaikbildung in den Embryonen nicht, da er dies in dem Manuskript, das ich sah, nicht anmerkte. Einige fragen sich, ob die CRISPR-Zwillinge einfach nur ein Schwindel waren, aber nach meiner Einschätzung zeigen die Mängel in den Daten, dass sie es nicht sind. Hes Arbeit war vielmehr eine plastische Demonstration gescheiterter Genbearbeitung. Zwei lebende Menschen, und möglicherweise sogar ihre Nachkommen, haben die Folgen zu tragen.

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Eigentlich sollten Sie mir bei alldem nicht glauben müssen, sondern sich selbst ein Urteil bilden können – oder zumindest hören können, was andere Wissenschaftler dazu zu sagen haben. Es ist jedoch zunehmend unwahrscheinlich, dass Hes Experiment in einem Journal veröffentlicht wird, dessen Publikationen Experten begutachten. Zum einen bezweifle ich, dass eine seriöse Zeitschrift es ernsthaft erwägen würde, Forschung mit solchen ethischen Problemen zu veröffentlichen. Und selbst wenn es eine täte und das Manuskript begutachten ließe, könnte He auf technische Kritik nicht mit weiteren Experimenten antworten. Kurz nach seiner Ankündigung über die Zwillinge im vergangenen Jahr stand er unter Hausarrest, und sein Labor wurde geschlossen.

Ein internationales Komitee arbeitet gerade an rechtlichen Rahmenbedingungen für sichere Keimbahneditierung. Wie sollen die Ausschüsse arbeiten, ohne vollständig zu verstehen, wo die Probleme bei dem bislang einzigen Fall lagen? Es wird Zeit, dass die wissenschaftliche Gemeinschaft erfährt, was mit Lulu und Nana passiert ist, und verhindert, dass einzelne Forscher weiter mit unglücklichen Keimbahn-Experimenten voranstolpern.

(bsc)